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BIOCHEMIE/163: Ein soziales Netzwerk der menschlichen Proteine (idw)


Max-Planck-Institut für Biochemie - 22.10.2015

Ein soziales Netzwerk der menschlichen Proteine


Komplexes Leben ist nur möglich, weil sich Proteine zusammenfinden, gemeinsam Strukturen bilden und zelluläre Signalwege knüpfen. Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut (MPI) für Biochemie in Martinsried und am MPI für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden ist es jetzt gelungen, eine detaillierte Karte der menschlichen Proteininteraktionen zu erstellen. Dank einer speziellen massenspektrometrischen Quantifikationsmethode konnten sie erstmals bestimmen, wie stark jede einzelne der Interaktionen ist. "Dabei zeigte sich, dass die meisten Interaktionen nur schwach, für den Zusammenhalt des Netzwerks jedoch von entscheidender Bedeutung sind", erklärt Marco Hein, Erstautor der Studie.


Abbildung: © MPI für Biochemie / Hein & Krause

Proteine sind über Interaktionen verknüpft (grün). Das Entfernen starker Interaktionen beeinflusst das Netzwerk kaum (blau), während dieses ohne schwache Interaktionen in Module zerfällt (rot).
Abbildung: © MPI für Biochemie / Hein & Krause

Proteine sind die molekularen Grundbausteine und Maschinen der Zelle und an praktisch allen Prozessen des Lebens beteiligt. Ihre Aufgaben verrichten sie unter anderem dadurch, dass sie miteinander interagieren und Netzwerke bilden. Mit Hilfe der quantitativen Massenspektrometrie können Wissenschaftler präzise bestimmen, welche Proteine dabei miteinander wechselwirken. Die Technik funktioniert wie eine Art molekularer Fischfang: Ein Protein dient als Köder; fischt man es aus einem Proteingemisch heraus, so werden auch seine Interaktionspartner herausgezogen und anschließend im Massenspektrometer identifiziert. In einem großangelegten Projekt haben Martinsrieder und Dresdner Forscher über 1.100 solcher Köder-Proteine analysiert und dabei ein Netzwerk aus insgesamt 5.400 Proteinen erstellt. Diese sind durch 28.000 Interaktionen verknüpft.

Die verschiedenen Interaktionen unterscheiden sich dabei deutlich in ihren Eigenschaften. Einige Bindungen sind stark und zum Beispiel struktureller Natur, andere sind schwach und zeitlich begrenzt, etwa um Informationen in Signalwegen weiterzugeben. Die Stärke einer Interaktion zu messen ist jedoch sehr aufwändig und war in Hochdurchsatzstudien bisher nicht möglich. Mit ihrem neuen Ansatz können die Forscher die Stärke einer Interaktion jetzt indirekt abschätzen. Dazu messen sie, wie viele Kopien aller Proteine jeweils in der Zelle vorliegen und in welchem Verhältnis die Interaktionspartner an jedem Köder-Protein anbeißen. Je stärker die Bindung zum Köder, desto mehr des jeweiligen Interaktionspartners fischen die Wissenschaftler heraus.

Dank der Studie ergibt sich ein ganz neuer Blickwinkel auf das "soziale Netzwerk" der menschlichen Proteine. Forscher können im nun erstellten Katalog nicht nur nachschlagen, wer mit wem interagiert, sondern gleichzeitig verschiedene Arten von Proteininteraktionen unterscheiden. Es zeigt sich, dass schwache Interaktionen die Mehrheit im Netzwerk darstellen. "Für sich allein mag eine einzelne schwache Bindung unwichtig erscheinen, in der Summe jedoch bilden diese Interaktionen das Rückgrat, das das Netzwerk zusammenhält", erläutert Marco Hein. "Eine Eigenschaft, die das Netzwerk der Proteine mit dem zwischenmenschlichen Netzwerk unserer Gesellschaft gemein hat." [AK]

Originalpublikation:
M.Y. Hein, N.C. Hubner, I. Poser, J. Cox, N. Nagaraj, Y. Toyoda, I.A. Gak, I. Weisswange, J. Mansfeld, F. Buchholz, A.A. Hyman & M. Mann:
"A human interactome in three quantitative dimensions organized by stoichiometries and abundances".
Cell, Oktober 2015
DOI: 10.1016/j.cell.2015.09.053


Weitere Informationen unter:
http://www.biochem.mpg.de
- Webseite des Max-Planck-Institutes für Biochemie

http://www.biochem.mpg.de/mann
- Webseite der Abteilung von Matthias Mann

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution25

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Institut für Biochemie, Christiane Menzfeld, 22.10.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2015

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