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MELDUNG/415: Der Truthahn unter den Dinos (idw)


Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen - 15.09.2016

Der Truthahn unter den Dinos


Frankfurt, den 15.09.2016. Ein internationales Team um den Senckenberg-Wissenschaftler Dr. Gerald Mayr hat die Weichteilstrukturen des kreidezeitlichen Dinosauriers Psittacosaurus untersucht. Mittels einer neuen Technik konnten die Forscher bisher unbekannte Details der Schwanzborsten dieses kleinen Dinosauriers beschreiben. Erstmalig werden diese Hautstrukturen mit dem Truthahn-"Bart" und anderen borstenartigen Bildungen heutiger Vögel verglichen und als evolutionäre Vorgänger moderner Federn identifiziert. Außerdem zeigen die Wissenschaftler, dass die Oberseite des Dinosauriers dunkler gefärbt war, als dessen Unterseite und interpretieren dies als Tarnfärbung in geschlossenen Habitaten.


© Jakob Vinther/Robert Nicholls

Modell des untersuchten Dinosauriers aus der Kreidezeit. Deutlich zu erkennen sind die langen Schwanzborsten und die Färbung.
© Jakob Vinther/Robert Nicholls


Das wohl auffälligste Merkmal des im Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt ausgestellten und aus China stammenden Psittacosaurus-Fossils sind dessen lange, borstenartige Strukturen am Schwanz. "Wir haben uns dieses Detail nun mit einer neuen Methode - der Laser-stimulierten Fluoreszenz - genauer angeschaut", erklärt Dr. Gerald Mayr vom Senckenberg Forschungsinstitut und fährt fort: "Unsere Untersuchungen zeigen klar, dass es sich bei den Borsten um Hautstrukturen handelt."

In der im Fachjournal "Palaeontology" erschienen Studie vergleichen Mayr und seine Kollegen diese Anhänge mit dem borstenartigen "Bart" an der Brust heutiger Truthähne und dem Stirnhorn von Wehrvögeln, einer ursprünglichen Gruppe der Gänsevögel. "Bisher wurde kontrovers diskutiert, ob die Borsten des Psittacosaurus mit heutigen Federn zu vergleichen sind. Der Vergleich mit den Truthahn-Borsten zeigt, dass die fossilen Hautanhänge als evolutionäre Vorläufer von Federn gesehen werden können", ergänzt Mayr.

Dies ist im Falle von Psittacosaurus eine echte Überraschung. "Auch wenn in den letzten Jahren zahlreiche befiederte Saurier aus China beschrieben wurden, sind Psittacosaurier nur sehr entfernt mit den heutigen Vögeln verwandt", erläutert der Frankfurter Ornithologe.

Mittels der Fluoreszenz-Aufnahmen konnten Mayr und seine Kollegen zeigen, dass die Borsten in Bündeln aus 3 bis 6 einzelnen Borsten auftraten. Da der Schwanzbereich nur teilweise mit den Borsten bedeckt war, gehen die Forscher davon aus, dass diese keine wärmeisolierende Funktion hatten, wie das bei anderen Saurierarten der Fall war. "Vielmehr vermuten wir, dass die Saurier die Borsten zur Kommunikation, zum Beispiel bei der Balz einsetzten", fügt Mayr hinzu.


© Senckenberg

Die Schwanzborsten des Psittacosaurus-Fossil aus dem Senckenberg Naturmuseum wurden nun mit einer neuen Methode untersucht und als Hautstrukturen identifiziert.
© Senckenberg

In einer weiteren, gerade in "Current Biology" erschienenen Studie werden zusätzliche Merkmale der hervorragend erhaltenen Haut des knapp zwei Meter langen Sauriers beschrieben: Das Tier war an der Oberseite dunkler gefärbt, als an der Unterseite. Das Wissenschaftlerteam vermutet, dass diese Färbung zur Tarnung der Tiere diente. "Wir haben anhand unserer Untersuchung der Pigmentverteilung in der Haut ein Modell von Psittacosaurus angefertigt und dieses verschiedenen Lichtverhältnissen ausgesetzt. So konnten wir zeigen, dass sich diese Saurierart besonders gut in geschlossenen Waldgebieten tarnen konnten", erklärt Mayr und resümiert: "Wir gehen daher davon aus, dass dies auch der bevorzugte Lebensraum von Psittacosaurus war."


Publikationen

Mayr, G., Pittman, M., Saitta, E., Kaye, T. G., Vinther, J. (2016),
Structure and homology of Psittacosaurus tail bristles.
Palaeontology.
doi: 10.1111/pala.12257

Vinther, J., Nicholls, R., Lautenschlager, S., Pittman, M., Kaye, T.G., Rayfield, E., Mayr, G. & Cuthill, I.C.:
3D camouflage in an ornithischian dinosaur.
Current Biology.
doi: 10.1016/j.cub.2016.06.065


Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an Lebensformen zu erforschen und zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen erhalten und nachhaltig nutzen zu können - dafür arbeitet die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung seit nunmehr fast 200 Jahren. Diese integrative "Geobiodiversitätsforschung" sowie die Vermittlung von Forschung und Wissenschaft sind die Aufgaben Senckenbergs. Drei Naturmuseen in Frankfurt, Görlitz und Dresden zeigen die Vielfalt des Lebens und die Entwicklung der Erde über Jahrmillionen. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main wird von der Stadt Frankfurt am Main sowie vielen weiteren Partnern gefördert.
Mehr Informationen unter www.senckenberg.de.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Judith Jördens, 15.09.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2016

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