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ORNITHOLOGIE/102: Insektenmangel läßt Spatzenküken verhungern (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 1/2009

Ornithologie aktuell

Insektenmangel lässt Spatzenküken verhungern


Möglicherweise liegen die Gründe für die jüngsten Bestandseinbrüche einer der bekanntesten Vogelarten Großbritanniens im Mangel an Futter zur Jungenaufzucht.

Seit 1977 sind die Bestände von Haussperlingen im Vereinigten Königreich um 68 % zurückgegangen. In Städten begannen die Bestandszahlen Mitte der 1980er Jahre bedenklich zu fallen, aus dem Stadtzentrum von London sind Haussperlinge mittlerweile komplett verschwunden. Im Jahr 2007 wurde der Haussperlinge daher von der britischen Regierung als Zielart im Biodiversitity Actions Plan Programme aufgenommen. Zwischen 2001 und 2003 suchten Wissenschaftler der Royal Society for Birds (RSPB, BirdLife Partner im UK), der De Monfort Universität und Natural England erstmals gezielt nach den Ursachen des langjährigen Bestandsrückganges der Art in Stadtzentren und Vorstädten. Im November 2008 wurde eine Studie zu Haussperlingen in der Stadt Leicester und den umgebenden Dörfern im Journal Animal Conservation veröffentlicht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bestandszahlen der Haussperlinge in Leicester und Umgebung in den drei Jahren um 28 % fielen. Um die Bestandszahlen konstant zu halten, muss jedes Haussperlingspaar pro Jahr mindestens fünf Junge großziehen. Die meisten Küken starben jedoch innerhalb der ersten vier Lebenstage, und zwar durch Verhungern. Nur wenige Junge schafften es auszufliegen, waren aber dann zu schwach, um lange zu überleben. Ein enger Zusammenhang scheint hier im Vorkommen von Insekten in der Nähe der Nester zu liegen. In Gegenden mit hohem Angebot an Insekten waren die Jungvögel in besserer Kondition. Wo nur wenige Insekten vorkamen, war es wahrscheinlich, dass die Küken starben. Junge Haussperlinge benötigen wie die meisten Vögel zum Heranwachsen proteinreiche Insektennahrung und werden hauptsächlich mit Blattläusen, aber auch Käfern, Spinnen und Schnaken gefüttert. Die Wissenschaftler bezeichneten den Bestandseinbruch als rätselhaft und komplex, da Studie deutlich zeigt, dass die Jungen zwar schlüpfen, dann aber nicht überleben. Zu wenige Insekten im Sommer bedeuten für junge Haussperlinge in Städten den sicheren Tod durch Verhungern in ihren Nestern, besonders wenn die Vogeleltern versuchen eine zweite oder dritte Brut großzuziehen. Die Gründe für den Verlust von Insekten in Stadtgebieten sehen die Forscher in fortschreitender Städteentwicklung und Bebauung ebenso wie in der Beliebtheit von Zierpflanzen wie Thujen (v. a. für Hecken), im Entfernen von Bäumen und der Umwandlung von Vorgärten in Parkplätze. Das Fehlen laubabwerfender Bäume und Sträucher in Stadtgebieten könnte das Überleben von Vogelarten wie dem Haussperling erschweren. Die Bedeutung heimischer Pflanzen in Grünanlagen und Gärten ist nicht zu unterschätzen, dienen sie doch einer Vielzahl von Insekten als Lebensraum, die wiederum Nahrung für die Küken von Haussperlingen und vielen anderen in Gärten gerne gesehenen Vogelarten bieten. Geißblatt, Wildrosen, Weißdorn, und Obstbäume sind perfekt für Insekten und damit für Spatzen. Die Tendenz zum Verbauen von Gartenfläche mit Pflastersteinen und unechten Holzbohlen sowie die Verwendung von Zierpflanzen aus aller Welt zerstören viele Gärten als Lebensraum für Vögel.

Haussperlinge verschwinden auch aus der Kulturlandschaft, wo der Wechsel zu Wintergetreide, Chemikalieneinsatz und begrenzter Zugang für Spatzen zu Getreidespeichern für den Rückgang der Art verantwortlich gemacht werden.

Die Studie ergab außerdem, dass Haussperlingsküken in der Nähe von vielbefahrenen Straßen in schlechterer Verfassung und ihre Überlebenschancen nach dem Schlupf begrenzt waren. Bisher ist nicht klar, wie Verkehr brütende Spatzen beeinflusst, trotzdem empfehlen die Naturschützer Schutzmaßnahmen weit weg von Straßen.
(A. Schäffer)

W. J. Peach (RSPB), K. E. Vincent, J. A. Fowler (De Montfort University),
P. V. Grice (Natural England) & Animal Conservation (2008):
Reproductive success of house sparrows along an urban gradient,
DOI: 10.1111/j.1469-1795.2008.00209.x


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 1/2009
56. Jahrgang, Januar 2009, S. 3-4
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2009