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ORNITHOLOGIE/125: Eine genetische Basis für Gezwitscher (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 24. April 2009

Eine genetische Basis für Gezwitscher


Menschen können sich individuell am Klang der Stimme erkennen. Doch gelegentlich machen sie dabei Fehler, zum Beispiel wenn sie am Telefon Tochter und Mutter verwechseln. Auch von Vögeln wissen Ornithologen, dass sie in der Lage sind, sich individuell am Gesang zu erkennen. Doch wie funktioniert diese Stimmerkennung? Warum werden gerade Verwandte häufig verwechselt? Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Ornithologie haben jetzt die Vererbung der Stimmeigenschaften individueller Zebrafinken untersucht, und sind dabei auf genetische Grundlagen gestoßen, die die Klangfarbe der Stimme beeinflussen. Diese ist abhängig von der morphologischen Beschaffenheit des Stimmapparates, und wird, wie auch die Körpergröße, genetisch von den Eltern ererbt. (Evolution, Online-Vorabveröffentlichung 23. April 2009).


Um Personen sicher bei einem Telefongespräch zu identifizieren, hat die Industrie Computerprogramme entwickelt, die unabhängig vom gesprochenen Text eine zweifelsfreie Sprecherkennung anhand von Stimmcharakteristika ermöglichen soll. Diese Technik bedient sich der Tatsache, dass die Klangfarbe unserer Stimme von den uns angeborenen Resonanzeigenschaften des Rachenraumes bestimmt wird. Bei einer Erkältung ändert die verstopfte Nase diese Resonanzeigenschaften und die Software stößt an ihre Grenzen.

Eine solche Software wurde nun erstmals in einer Kooperation von Genetikern und Bioakustikern am Max-Planck-Institut für Ornithologie eingesetzt, um die Stimmeigenschaften von 379 weiblichen und 429 männlichen Zebrafinken zu erforschen.

Das Lautäußerungsrepertoire weiblicher Zebrafinken umfassten lediglich angeborene Rufe. So zwitschern alle Weibchen das gleiche Stückchen "Text", aber dies individuell ganz verschieden, eines mit kratziger, eines mit nasaler, ein drittes mit klangvoller Stimme. "An diesen Klangeigenschaften können sich die Zebrafinken gegenseitig individuell erkennen", so Wolfgang Forstmeier, der Initiator der Studie.

Männliche Zebrafinken hingegen lernen sowohl ihren Ruf als auch ihren Gesang von einem Tutor. Diese Form der kulturellen Weitergabe hat eine gewaltige Vielfalt an Lautäußerungen, also an "Text", hervorgebracht. Als die Wissenschaftler aus dem textlichen Wust nun die klanglich charakteristischen Eigenschaften isolierten, ließen sich auch hierin interessante Muster erkennen. Überraschenderweise zeigen die Brüder der Weibchen unabhängig von ihrer "sprachlichen Erziehung" ebenso die familienspezifischen kratzigen, nasalen oder klangvollen Stimmen. Eine solche Erblichkeit der Stimmeigenschaften könnte von den Vögeln zur Verwandtenerkennung genutzt werden, beispielweise bei der Partnerwahl zur Inzuchtvermeidung, oder bei der Brutfürsorge zur Erkennung von Kuckuckskindern. Ob sie dies auch tun, müssen zukünftige Studien jedoch erst noch klären.

Eine tiefe Stimmlage beispielsweise entsteht durch einen langen vokalen Trakt. Sie spiegelt also bis zu einem gewissen Grad auch die gesamte Körpergröße des Lauterzeugers wider. Gerade bei Vögeln, bei denen das Federkleid viel von den wahren Konturen verhüllt, kann also die Stimmlage auch die Größe anzeigen.

Die neue Studie schafft eine wichtige Grundlage zum Verständnis dessen, was Vögel mit der Stimme alles signalisieren könnten. "Ob die der Stimme innewohnende Information allerdings auch von den Vögeln genutzt wird, muss die Zukunft erst noch zeigen", sagt Sébastien Derégnaucourt, Coautor der Studie.
[SL / BA]


Originalveröffentlichung:
Wolfgang Forstmeier, Claudia Burger, Katja Temnow, and Sébastien Derégnaucourt
The genetic basis of zebra finch vocalizations
Evolution, Online-Vorabveröffentlichung 23. April 2009


Weitere Informationen erhalten Sie von:
Wolfgang Forstmeier
Max-Planck-Institut für Ornithologie, Seewiesen
E-Mail: forstmeier@orn.mpg.de


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Quelle:
MPG - Presseinformation B / 2009 (70), 24. April 2009
Herausgeber:
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2009