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ORNITHOLOGIE/178: Geradschnabelkrähen - mehrfacher Werkzeugeinsatz in Folge (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 12/2009

Ornithologie aktuell

Geradschnabelkrähen: mehrfacher Werkzeugeinsatz in Folge


Die auf Neukaledonien beheimateten Geradschnabelkrähen (Corvus moneduloides) können auf Anhieb mehrere verschiedene Werkzeuge nacheinander in der richtigen Reihenfolge einsetzen, ohne dies vorher geübt zu haben. Ein Experiment belegt erstmals die sogenannte sequenzielle Werkzeugnutzung bei einer Tierart außer dem Menschen. Geradschnabelkrähen gelten schon länger als besonders geschickte Vertreter ihrer Gattung, die eine Reihe von Werkzeugen einsetzen, um ihre Nahrung, Insekten und Larven, aus Löchern oder Spalten herauszustochern. Dabei suchen die Vögel auch gezielt geeignete Werkzeuge oder stellen diese sogar selbst her. In der Natur bewaffnen sich die Vögel mit eigens angefertigten lanzettartigen Werkzeugen und picken damit Insekten auf. Forscher in Neuseeland zeigten bereits, dass Krähen zwei Werkzeuge hintereinander benutzen können. Die Laborkrähe Betty verblüffte seinerzeit damit, dass sie Draht zu einem Haken bog, um damit einen kleinen Futterbehälter aus einer Röhre zu angeln. Wissenschaftler der Universität Oxford wollten nun an sieben Geradschnabelkrähen herausfinden, ob und wie die Vögel Werkzeuge einsetzen, wenn es nicht direkt um den Erwerb von Nahrung geht. Dazu sollten die Vögel aus verschiedenen Röhrchen mithilfe von Stöckchen unterschiedlicher Länge sukzessive - also nacheinander - zunächst weitere Werkzeuge herausholen, um dann letztlich an Futter zu kommen. Insgesamt waren für die Aufgabe drei unterschiedliche Werkzeuge erforderlich. Von den sieben Krähen lösten vier die Aufgabe auf Anhieb schon im ersten Versuch, eine weitere schaffte es nach mehreren Anläufen, wobei die Vögel, wie Videoaufnahmen enthüllten, keineswegs zufällig nach den Werkzeugen griffen. Legte ein Vogel beispielsweise ein Stöckchen ab, um stattdessen ein anderes zu greifen, dann war dieses meist länger und damit besser geeignet. Demnach nutzen die Vögel die Werkzeuge offenbar zielgerichtet, um andere Werkzeuge zu erlangen. Ob die Krähen ihr Vorhaben planten und damit eine höhere Intelligenz unter Beweis stellten oder gar über komplexe kognitive Fähigkeiten verfügen, bedarf allerdings einer vorsichtigen Interpretation, bei der weitere Experimente und detailliertere Analysen hilfreich sein könnten. (wir)

J. H. Wimpenny u. a., PLoS ONE 2009, 4(8): e6471.
doi:10.1371/journal.pone.0006471.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 12/2009
56. Jahrgang, Dezember 2009, S. 444
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2009