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ORNITHOLOGIE/267: Die Vogelwelt Kuwaits - Paradies und Hölle zugleich (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 12/2012

Paradies und Hölle zugleich: Die Vogelwelt Kuwaits

von Stefan Pfützke



Das Emirat Kuwait dürfte selbst den meisten Ornithologen weniger als bedeutendes Rast- und Überwinterungsgebiet für Vögel, sondern vielmehr als Ölstaat am Persischen Golf, der vor allem im Zusammenhang mit den Irakkriegen in den Schlagzeilen war, ein Begriff sein. Erst seitdem sich die politische Lage beruhigt hat, ist das Potenzial des Landes als Durchzugs- und Überwinterungsgebiet für Zugvögel mehr in den Fokus gerückt. Im Winterhalbjahr und besonders zu den Zugzeiten ist Kuwait aufgrund der Randlage zur Arabischen Wüste von großer Bedeutung.

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Das Emirat Kuwait liegt gleich an zwei bedeutenden Zugstraßen. Zum einen kommen hier die in den europäischen und asiatischen Brutgebieten und in Afrika überwinternden Vogelmassen durch, außerdem passieren viele in Kleinasien brütende Vögel Kuwait auf ihrem Weg zum indischen Subkontinent. In Schutzgebieten und entlang der Küste hat das Land zudem als Brutgebiet für See- und Wüstenvögel eine hohe Bedeutung.

Alleine in der Umgebung der Millionenstadt Kuwait gibt es an der Golfküste mehrere wertvolle Flächen. Selbst mitten in der Stadt auf der Halbinsel Green Island, die aufgrund ihrer üppigen Bepflanzung wie ein Magnet auf Zugvögel wirkt, überwintern Seidenwürger und Büsche sitzen voller Kleinvögel, darunter der eingebürgerte Rußbülbül, der mittlerweile zum festen Bestandteil der Avifauna Kuwaits gehört. An den Stränden bei Green Island, aber auch entlang der gesamten Stadt überwintern Seeschwalbentrupps. Neben vielen Brandseeschwalben fischen hier regelmäßig Raub-, Eil- und Rüppellseeschwalben. Allgegenwärtig sind Dünnschnabelmöwen, von denen im Herbst manchmal bis zu 20000 in der Bucht von Kuwait gezählt werden.

Wüstenlandschaften dominieren das Bild

Geprägt ist das am Nordende des Persischen Golfs gelegene rund 18000 km² große Emirat Kuwait außerhalb der Metropole Kuwait City vorwiegend durch vegetationsarme Stein- und Sandwüsten. In den Lebensräumen der Wüste ad-Dibdiba ist die Haubenlerche die mit Abstand häufigste heimische Vogelart. Nur in den durch Umzäunung vor Überweidung geschützten Gebieten stellt sich eine eigentlich für die Region typische Halbwüstenvegetation mit Stipagrostis, Cyperus, Haloxylon und Rantherium ein, ansonsten sind die Wüsten fast vegetationsfrei. In den geschützten Gebieten treten Wüstenläufer-, Weißstirn-, Einöd- und Sandlerchen als regelmäßige Brutvögel auf. Zu diesen Gebieten gehören das mehr im Zentrum des Emirats liegende Kabd sowie das im nördlichen Teil des Landes gelegene Sabah Al-Ahmed Nature Reserve (SAANR). Letzteres ist mit 320 km² das größte Schutzgebiet Kuwaits und aufgrund der halbwüstenartigen Vegetationsstruktur ein ideales Gebiet für Brut- und Zugvögel. In den Wadis des Schutzgebietes prägen im Frühjahr neben Brachpiepern vor allem Nonnen-, Wüsten- und Isabellsteinschmätzer das Bild. Aber auch Mittelmeer-Raubwürger der Formen aucheri und meridionalis sind nicht selten. Zudem überwintern beide Formen des Rostbürzelsteinschmätzers hier, nämlich sowohl die in der Türkei siedelnde Form xanthoprymna als auch chrysopygia, die im Iran und Kaukasus brütet. Attraktiv sind die Schutzgebiete für die nachts am Boden rastenden Steppen-, Kaiser-, Schlangen- und Zwergadler, die morgens auf das Einsetzen der Thermik warten. Aufgrund fehlenden Jagddrucks sind sie hier meistens noch ungestört.

Eine hohe Anziehungskraft auf rastende Zugvögel in SAANR übt die isoliert liegende Thula Oase mit dem weit und breit einzigen nennenswerten Akazienbestand aus. Neben den Schatten spendenden Akazien wartet die Oase mit einem nie versiegenden Angebot an frischem Trinkwasser auf. Die Bäume sind zu entsprechenden Zeiten voll mit rastenden Singvögeln. Unter anderem gibt es hier Östliche Orpheus-, Sperber und Tamariskengrasmücken, Halbringschnäpper, Garten- und Hausrotschwänze sowie Blassspötter. Regelmäßig kommen Trupps von Stummel- und Kurzzehenlerchen, einzelne Türkenammern und Fahlsperlinge zum Trinken in die Oase. Über dem Gewässer selbst jagen oft Blauwangenspinte nach Insekten. In unregelmäßigen Abständen patrouillieren Steppenweihen zwischen den Bäumen, in der Hoffnung einen unvorsichtigen Kleinvogel zu erwischen. Dieses Ziel verfolgen auch einzelne Isabellwürger, die mitunter Kleinvögel wie Gartenrotschwänze und Klappergrasmücken erbeuteten.

Farmen und Klärteiche als grüne Inseln

Vergleichbar attraktiv für die Massen der Zugvögel wie die Oasen und Schutzgebiete sind Farmen, die durch meist aufwendige Bewässerungstechniken mitten in der Wüste am Leben erhalten werden. Besonders deutlich wird das in den isoliert in der westlichen Wüste gelegenen Al-Abraq Al Khabari Feldern. Hier überwintern und rasten unzählige Schafstelzen (beema, thunbergi, feldegg, "superciliaris" und diverse Mischformen), Rallenreiher, Blaumerlen, Halbringschnäpper, Sperber und Shikra, aber auch Limikolen wie Flussufer- und Bruchwasserläufer. Die Jahra Fields, ein Farmgebiet bei Kuwait City mit ausgedehnten Feldern, ist von herausragender Bedeutung für rastende Kleinvögel und Greifvögel. Regelmäßig gibt es hier unter anderem Steppen- und Wiesenweihen sowie Schell- und Steppenadler. Rotkopfwürger finden sich ebenso ein wie beide Formen des Isabellwürgers (die Nominatform und phoenicuroides). Aber auch auf Limikolen wie Wermutregenpfeifer und Rotflügelbrachschwalben übt das Gebiet aufgrund der Feuchtigkeit eine hohe Anziehungskraft aus.

Über das Land verteilt finden sich noch weitere Farmen, die nicht nur wichtige Rastplätze für Durchzügler darstellen, sondern auch von zahlreichen Vogelarten zum Brüten genutzt werden. Regelmäßig brüten unter anderem Kaptäubchen, Blassspötter und große Zahlen von Weidensperlingen. Die in der Nähe zur irakischen Grenze liegenden Felder der Abdali Farm haben Langschwanzdrossling und Rotlappenkiebitze als Brutplatz gewählt. Sehr wahrscheinlich brütet dort - und wohl auch in anderen Gebieten mit Süßwasserreservoiren - der Pharaonenziegenmelker.

Lebensräume mit Süß- oder Brackwasserangebot haben in einer ansonsten von Trockenheit geprägten Landschaft immer eine hohe Bedeutung für viele Vogelarten.

Neben den Farmen sind in diesem Zusammenhang in Kuwait vor allem Klärteiche zu nennen. Diese Teichkomplexe mit dichtem Schilfbestand sind ein wahres Eldorado für eine Vielzahl von Vögeln, so beispielsweise die Sewage Ponds bei Jahra. Neben den auch dort auftretenden Schafstelzenmassen sind hohe Dichten von Rohrsängern (viele Drossel-, Teich-, aber auch Schilf- und Mariskenrohrsänger) sowie Zwerg-, Tüpfel- und Kleines Sumpfhuhn hervorzuheben. Außerdem nutzen diverse Limikolenarten wie Teichwasserläufer (mit Trupps von bis zu sechzig Vögeln) die Klärteiche zum Nahrungserwerb.

Vogelreichtum an der Küste

Naturgemäß gibt es die größten Limikolenzahlen in den tidebeeinflussten Wattflächen an den Küsten des Persischen Golfs. Die vermutlich zahlenreichste Reiherläuferkolonie der Welt befindet sich auf der kuwaitischen Insel Bubiyan Island. Für das Jahr 2004 wurde für diese Insel ein Bestand von circa 1500 besetzten Nesthöhlen ermittelt. Die Vögel können aber auch entlang der Küste am Festland gesehen werden. Sie nutzen, wie viele andere Limikolen auch, die Küstenstreifen von Doha als Hochwasserrastplatz. Hier sammeln sich zudem Terekwasserläufer und Sumpfläufer, die im Frühjahr mit Anzahlen von weit über hundert Vögeln rasten. Größere gemischte Trupps von Wüsten- und Mongolenregenpfeifern, neben vertrauteren Arten wie Alpen- und Zwergstrandläufern, komplettierten das beeindruckende Bild der Limikolenschwärme. Der Küstenstreifen bietet zudem eine wichtige Nahrungsgrundlage für bis zu 3000 Rosaflamingos, was die Bedeutung dieser kuwaitischen Küstenregion für die Vogelwelt unterstreicht.

Exzessive Vogeljagd als Zeitvertreib

Außerhalb der Schutzgebiete und der Stadt haben die Vögel an vielen Orten jedoch einen hohen Blutzoll für die Rast und den Durchzug über Kuwait zu zahlen. Vor allem zur Zugzeit gehört die dauerhafte Präsenz von Vogeljägern, die nur zu ihrem Vergnügen versuchen, alles abzuknallen, was Federn hat, fast schon zum normalen Erscheinungsbild des Landes. Hierbei wird keine Rücksicht auf den Status der Arten genommen: Bienenfresser und Schafstelzen gehören ebenso zu ihren Opfern wie Wachteln und Steppenweihen. Selbst wenn die Freizeitschützen mal nicht direkt anwesend sind, sorgen Teppiche von leeren Patronenhülsen in der Landschaft, gepaart mit Überresten von leblosen Vogelkörpern, jederzeit dafür, dass man an ihr sinnloses Treiben erinnert wird.

Offenbar handelt es sich um eine vergleichsweise kleine Gruppe von Kuwaitis, die mitunter bestens ausgerüstet, selbst nachts mit Einsatz von Lampen und sogar zur Brutzeit auf Inseln im Golf, als eine Art Sport versuchen, sich gegenseitig in der Effizienz des Tötens von Vögeln zu überbieten. Dies passiert ungehindert, obwohl die Jagd auf wild lebende Vögel offenbar nach kuwaitischem Gesetz illegal ist. Oftmals stehen bei uns europäische Länder im Mittelpunkt der Betrachtung, wenn es um die illegale Bejagung von Wildvögeln geht. Aber das Schlachten findet auch woanders statt und übertrifft, wie in Kuwait und leider auch in vielen anderen Regionen der Arabischen Halbinsel, im Hinblick auf Brutalität und Sinnlosigkeit sogar noch das, was wir aus Europa kennen. Es bleibt zu hoffen, dass das kleine Häufchen in Kuwait aktiver Naturschützer in ihrem Kampf gegen das sinnlose Treiben mehr Unterstützung erfährt und schließlich mit Erfolg belohnt wird.

Stefan Pfützke ist freiberuflicher Diplombiologe mit dem Schwerpunkt Ornithologie. Auf zahlreichen Reisen hat er sich mit der Vogelwelt der Arabischen Halbinsel beschäftigt.
http://www.green-lens.de/


Informationen zum Thema:

Grundsätzliche Informationen über die Vogelwelt, ihre Erforschung und eine Einführung zu den Gebieten und Lebensräumen bietet das Buch "The Birds of the State of Kuwait" von George Gregory, erschienen im November 2005. Außerdem finden sich weitere nützliche Informationen bei:
http://www.birdsofkuwait.com/blog/

Zum Thema Vogelmord in Kuwait bieten die beiden folgenden Links weitergehende Informationen:
http://www.hawar-islands.com/blog/media/blogs/kuwait/2010/check_list/bird_market.pdf
http://www.hawar-islands.com/blog/20_stub.php/2010/06/07/the_killing_fields_of_kuwait

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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 12/2012
59. Jahrgang, Dezember 2012, S. 464-470
mit freundlicher Genehmigung des Autors und des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141, Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de
Internet: www.falke-journal.de
 
Erscheinungsweise: monatlich
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Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2013