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ZOOLOGIE/1001: Krebse mit Biss (idw)


Christian-Albrechts-Universität zu Kiel - 05.07.2012

Krebse mit Biss

Kieler Zoologen sammeln neue Erkenntnisse über die komplexen Mundwerkzeuge von Ruderfußkrebsen



Kieselalgen sind kleine einzellige Algen, die in vielen Meeresgebieten einen großen Teil der Biomasse des Phytoplanktons bilden und deshalb eine wichtige Rolle in den marinen Nahrungsnetzen spielen. Viele ihrer siliciumdioxidhaltigen Schalen besitzen eine beeindruckende Stabilität, die sich nach Ansicht führender Fachleute im Laufe der Evolution als Fraßschutz entwickelt hat. Trotzdem sind Ruderfußkrebse, die zu den häufigsten Fressfeinden der Kieselalgen gehören, dazu in der Lage, diese stabilen Schalen mit speziellen Mundwerkzeugstrukturen, den Kauladen ihrer Mandibeln, zu zerbrechen.

Foto: © Jan Michels

Bildunterschrift: Unterseite des Vorderendes eines weiblichen Ruderfußkrebses der Art Centropages hamatus. Das Bild wurde mit der konfokalen Laserrastermikroskopie (CLSM) erzeugt und zeigt unter anderem die Mundöffnungsregion und einen Teil der Mundwerkzeuge.
Foto: © Jan Michels

Dr. Jan Michels und Professor Stanislav Gorb vom Zoologischen Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) konnten jetzt in Kooperation mit Dr. Jürgen Vogt vom Institut für Experimentelle Physik II der Universität Leipzig zeigen, dass der Aufbau der Kauladen deutlich komplexer ist, als es ursprünglich angenommen worden war. Ihre Ergebnisse sind nun im Online-Journal Scientific Reports der renommierten Nature Publishing Group veröffentlicht worden.

Bei zahlreichen Arten des Ruderfußkrebses besitzen die Kauladen zahnartige Strukturen mit Einlagerungen aus Siliziumdioxid, dem Hauptbestandteil der Kieselalgenschalen. Die Eigenschaften solcher Kauladen und der Kieselalgenschalen haben sich wahrscheinlich im Zuge einer Ko-Evolution entwickelt. Mit hoch auflösender Mikroskopietechnik untersuchten die Forscher die Morphologie und die Materialzusammensetzung der Kauladen des Ruderfußkrebses Centropages hamatus. Diese Art kommt im Nordatlantik und in angrenzenden Meeresgebieten vor und ist unter anderem in der südlichen Nordsee relativ zahlreich zu finden. Zusätzlich wurde die Elementarzusammensetzung der Kauladen an der Leipziger Hochenergie- Ionensonde LIPSION mit Hilfe der partikelinduzierten Röntgenemission bestimmt.

Die Analysen erbrachten überraschende Ergebnisse: Verschiedene Strukturen der Kauladen enthalten das Protein Resilin, ein weiches und sehr elastisches Material. Direkt unter den harten und steifen siliziumdioxidhaltigen Spitzen der zahnartigen Strukturen befinden sich besonders hohe Resilin-Konzentrationen, die eine Art weicher Lagerung der harten Spitzen bilden. Die Wissenschaftler vermuten, dass ein solches System zu große mechanische Belastungen, die beim Zerkleinern von besonders stabilen Nahrungspartikeln entstehen können, durch ein Nachgeben der Spitzen abfedern und dadurch das Risiko von Beschädigungen wie Rissen und Brüchen reduzieren kann.

Die Erkenntnisse liefern einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Funktion der Ruderfußkrebsmundwerkzeuge und der komplexen mechanischen Wechselwirkungen zwischen diesen Mundwerkzeugen und den Nahrungspartikeln.

Originalveröffentlichung:
Jan Michels, Jürgen Vogt, Stanislav N. Gorb: Tools for crushing diatoms - opal teeth in copepods feature a rubber-like bearing composed of resilin. Scientific Reports 2, Article number: 465, doi:10.1038/srep00465

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-kiel.de/aktuell/pm/2012/2012-200-ruderfusskrebs.shtml

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution235

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Dr. Boris Pawlowski, 05.07.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2012