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LABOR/058: Eine Ampel im Salatöl-Löffel oder Öl in Farbe (SB)


SCHABERNACK UND EXPERIMENTE FÜR HOBBYALCHIMISTEN - Farbspiele

Die Ampel im Salatöl

Dichromate Lösungen oder Absorption verschiedener Lichtwellenlängen


Chemie im Alltag kann auf das Einfachste ausgesprochen spannende Rätsel aufgeben und faszinierende Schauspiele darbieten. So gibt es zum Beispiel ein Salatöl, das hierzulande seltener zur Anwendung kommt, aber im Balkan gerne zum Kochen, Braten und Salatanrichten verwendet wird. Damit kann man ein rätselhaftes Phänomen erzeugen, das sich als Schauspiel für experimentierfreudige Hobbyalchimisten oder auch schon zur Unterhaltung von naturwissenschaftlich interessierten Kindern eignet. Man braucht nur eine Flasche des schönen roten Kürbiskernöls. Wetten, daß Sie es schaffen, in das rote Öl einen grünen Ring zu zaubern?

Und das ist kinderleicht: Zumindest in der Flasche hat es einen ausgesprochen satten Rotton. Gießt man allerdings etwas von dem Öl auf einen Löffel, so leuchtet es in einem Ring am Rand des Löffels entlang in leuchtendem Grün. Und das ist auch schon der ganze Zauber, der natürlich die Frage aufwirft, was diesen Effekt eigentlich auslöst, bzw. wie das möglich ist.

Man könnte diese Eigenheit gewissermaßen als den spezifischen Nachweis für Kürbiskernöl betrachten, das mit dieser Farbreaktion zeigt, daß es sich auch um solches handelt und nicht um Soja-, Distel- oder Weizenkeimöl. Das wäre dann eine praktische Anwendung des Phänomens, das - wie jeder sofort erkennt - etwas mit der Höhe der Flüssigkeit zu tun haben muß. An den Rändern des Löffels ist die Ölschicht flacher, in der Mitte des Löffels tiefer. Je nach Schichthöhe sieht der Betrachter eine andere Farbe. Das kann man ebenso mit Tropfen auf einem weißen Teller nachvollziehen.

Offenbar gibt es Flüssigkeiten, deren Farbe davon abhängt, welche Menge der Betrachter sieht. Einer aktuellen Studie zufolge, die in der Online Version von "Die Naturwissenschaften" (The Natural Science) veröffentlicht wurde, hängt diese Erscheinung aber auch mit der speziellen Farbwahrnehmung des menschlichen Auges zusammen.

Der Universität Ljubljana in Slowenien war es erst kürzlich eine wissenschaftliche Untersuchung wert, das bislang ungeklärte Rätsel des osteuropäischen Kürbiskern-Salatöls zu lösen. Denn nur hier kennt man das Phänomen, daß das Öl rot in der Flasche und grün auf dem Teller aussieht.

Die Antwort darauf ist allerdings nur für jene neu, die kein Kürbiskernöl verwenden. In den Balkanländern weiß eigentlich jedes Kind, wieviel Öl es in eine Schüssel oder Pfanne gießen muß, damit es rot erscheint. Und ebenso lapidar erscheint dann auch die aufwendig ermittelte wissenschaftliche Erkenntnis, daß es auf die Dicke der Ölschicht ankäme, durch die der Betrachter in das Öl schaut. Wörtlich heißt es in der Studie:

"When the layer of oil is less than 0.7 millimeter thick," the study notes, "the oil appears bright green, and in [a] layer thicker than this, it appears bright red."
(Scientific American online, 18. Juli 2007)

Anders gesagt wurde im Laborversuch genau die Grenze der Schichtdicke ermittelt, indem man das nahrhafte Öl Zehntelmillimeter um Zehntelmillimeter in besonderen Standzylindern abmaß und den Farbeindruck mit eigenem Auge überprüfte, bis ein Grenzwert exakt bei 0,7 Millimeter festgelegt werden konnte. Bis dahin ist alles im grünen Bereich, darüber hinaus sieht man dann "Rot".

Die osteuropäischen (vermutlich küchenflüchtigen) Forscher seien von ihrer Entdeckung überrascht gewesen, hieß es weiter, weil von den drei Merkmalen, mit denen man gewöhnlich eine Farbe charakterisiert, Sattheit, Leuchtkraft und Farbton, normalerweise nur zwei, nämlich Sattheit und Leuchtkraft (d.h. wie tief, blaß oder leuchtend eine Farbe ist) von der Verdünnung oder der Dicke des Auftrags (z.B. bei Lackfarbe) abhängt, während der Farbton gewöhnlich durch die materiellen Bestandteile (Pigmente oder Farbsubstanz) der Flüssigkeit oder Lösung bestimmt wird.

Ein gutes Beispiel dafür ist der rote Lebenssaft, der durch unsere Adern fließt: Blut. Hämoglobin, der rote Blutfarbstoff, also die materielle Komponente, ist für die rote Farbe des Blutes verantwortlich. Konzentriertes sauerstoffhaltiges reines Blut, z.B. in Blutkonserven, ist gewöhnlich knallrot wie Tomatenketchup, verdünnt man es mit Plasma oder Wasser, wird der Farbton immer blasser, doch niemals "grün"! Inzwischen weiß man ja auch, daß selbst das berühmte blaue Blut eines Aristokraten in Wirklichkeit ebenso ketchuprot aus den Adern hervorquillt, wie das eines gewöhnlichen Menschen.

Doch die Erklärung, warum das bei Kürbiskernöl alles anders ist, folgt auf dem Fuße:

Wie manche von uns vielleicht noch aus der Schulzeit wissen, besteht das weiße Licht der Sonne aus vielen verschiedenen Farbtönen, die jeweils einer bestimmten Wellenlänge des Lichtspektrums zugeordnet werden. Wenn wir etwas als rot (z.B. rote Tomate) wahrnehmen, so nur deshalb, weil sämtliche andere Wellenanteile des weißen Lichts von der Tomate geschluckt (absorbiert) und nur die roten Anteile reflektiert werden.

Wenn nun weißes Licht durch eine Schicht aus Kürbiskernöl dringt, werden außer einem breiten Band von Wellenlängen um den 520 Nanometerbereich (grüner Spektralbereich) und einem wesentlich schmaleren Band um den 650 Nanometerbereich (roter Spektralbereich) sämtliche Wellenlängen absorbiert. Obwohl sehr viel weniger rotes Licht das Kürbiskernöl durchdringen kann, hat das Öl die Eigenschaft, das grüne Licht doch kurz zurückzuhalten bzw. nicht so schnell in voller Stärke durchzulassen, so daß es gedämpft wird und nur das rote Licht vom menschlichen Auge in voller Stärke wahrgenommen wird.

Schickt man weißes Licht durch eine sehr dünne Ölschicht, dann wird ebenfalls ein wesentlich breiteres Grünspektrum und nur ein schmales Rotspektrum auf der anderen Seite herauskommen, doch diesmal ohne den dämpfenden Effekt der dicken Ölschicht (die Absorption des Lichts nimmt jeweils mit der Schichtdicke des Mediums, durch die das Licht dringt, zu).

Daß der Mensch in diesem Fall nun hauptsächlich die grüne Farbe wahrnimmt, liegt an der Beschränktheit seines Sehorgans, das eine wesentlich größere Empfindlichkeit für Grüntöne besitzt als für Rot. Tatsächlich nimmt der Mensch Grün von einer definierten Farbintensität wesentlich leuchtender wahr als ein Rot unter den gleichen definierten Bedingungen.

Das erklärt, warum das Grün des Kürbiskernöls an den Rändern des Löffels oder bei einer dünnen Ölschicht das Rote dominiert. Es kommt nicht nur in wesentlich mehr Nuancen bzw. mit viel mehr Wellenlängen des grünen Lichtbereichs durch, es wird auch noch intensiver wahrgenommen. Kurz gesagt: ist es für uns grün!

Betrachtet man andererseits das Öl in der Flasche oder oberhalb einer Schichtdicke von 0,7 Millimeter, kommt immer noch grünes Licht in allen Schattierungen aber in gedämpfter Intensität durch, so daß es mit dem stärkeren, dominierenden Rot nicht mithalten kann. Das Rot ist dann so stark, daß wir das Grün sogar ungeachtet der wesentlich höheren Sensibilität unseres Auges für Grün nicht mehr wahrnehmen. Das Öl wirkt auf uns rot!

Das Phänomen, das man bei Kürbiskernöl sehr leicht selbst nachvollziehen kann, kennt man in der Chemie auch von anderen Lösungen als sogenannten Dichromatismus (Zweifarbeneffekt), z.B. bei "Bromphenol Blau". Es unterscheidet sich jedoch sehr von anderen dichteabhängigen Farberscheinungen wie das Schillern von Seifenblasen oder von Ölteppichen auf dem Wasser. Letztere sind das Ergebnis von sogenannten Interferenzerscheinungen, bei denen der Farbwechsel bzw. der unterschiedliche Farbeindruck im Auge vom Blickwinkel- (Einfallswinkel-) bzw. Standortwechsel des Betrachters abhängt.

Wie sich allerdings das rot/grüne Farbspiel im grünen Salat ausmacht, läßt sich leicht herausfinden, denn das Gute an diesen Farbexperimenten ist, ganz gleich, was dabei herauskommt, das Objekt der Untersuchung bleibt auch nach ausgiebiger Betrachtung und theoretischer Erörterung noch eßbar und nahrhaft. Wohl bekomm's!

20. Juli 2007