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RATGEBER/208: Kinderfragen (14) Warum Erde meistens braun ist (SB)


KINDERFRAGEN 14

Warum ist die Erde braun?

Chemie, wo man sie am seltensten erwartet


Ebenso wie bei der Frage nach dem blauen Himmel [siehe hierzu NATURWISSENSCHAFTEN\CHEMIE: RATGEBER/202: Kinderfragen (13) Warum der Himmel himmelblau ist (SB)] wurde mit dieser Frage schon so mancher Erwachsene aus der Fassung gebracht, weil er spätestens dann realisiert, daß er noch nie einen Gedanken daran verschwendet hat. Und dabei haben wir Erwachsenen in unserem Leben doch schon so viel gesehen und gelernt: Menschen können auf den Mond fliegen und haben unseren Planeten vom Weltraum aus gefilmt. Die zahlreichen Satelliten in der Erdumlaufbahn können beinahe jeden Quadratzentimeter Erdoberfläche scannen und analysieren. Doch die jeweilige Farbe wird ganz selbstverständlich hingenommen.

Während der Staub auf der Mondoberfläche fast weiß erscheint, sieht unser "blauer Planet" von weitem gesehen im wesentlichen blau und grün aus. Je näher man die Erde jedoch vor der Nase bzw. die Nase am Boden hat, umso eher stößt man mit derselben darauf: schmutzig braun ist unsere Welt!

Nun besteht der Erdboden im wesentlichen aus Erde, und Erde ist nun mal, von dem tief braunschwarzen Schwarzboden abgesehen, fast überall braun. Nur warum?

Guter Rat ist teuer, dabei liegt die Antwort mit einem kleinen bißchen Chemie im Hinterkopf ebenfalls direkt vor der Nase und sie lautet, wer hätte das gedacht: Grünzeug!.

Grüne Pflanzen sind der eigentliche Schlüssel zu brauner Erde. Pflanzen, selbst die sogenannten Immergrünen, bleiben bekanntermaßen nicht ewig grün. Sie welken und vergehen, verlieren ihre Blätter und Nadeln und schließlich wird auch der letzte Stengel schlapp und gemeinsam mit den anderen Pflanzenresten durch Bodenbakterien und Kleinstlebewesen kompostiert, gefressen oder chemisch umgesetzt, bis schließlich neben einigen Mineralien nur noch der Kohlenstoff übrigbleibt, den die Pflanze ihr Leben lang gesammelt und in Biomasse umgesetzt hatte.

Die Dreckarbeit im wahrsten Sinne des Wortes übernehmen dabei winzige Mikroorganismen, die die toten Pflanzen im Erdreich mit speziellen Enzymen in ihre einzelnen Bestandteile zerlegen. Die Enzyme sind jeweils für bestimmte chemische Bindungen spezialisiert, d.h. sie spalten spezifische chemische Gruppierungen ab oder können längere Kohlenstoffketten wie Cellulose oder Zucker in für die Mikroorganismen verdaubare Kohlenwasserstoff-Bruchstücke zerschneiden.

Die hungrigen Mikroben fressen sämtliche derart aufbereitete Appetithäppchen, so daß beinahe der gesamte Pflanzenkohlenstoff nach und nach im mikrobiellen Stoffwechsel abgebaut, zu Kohlenstoffdioxid aufoxidiert und schließlich von Pflanzen tagsüber wieder eingeatmet wird, eine chemische Reaktion, mit der die Bakterien die nötige "Körperwärme" bzw. "Energie" gewinnen. Manche Bodenbakterien, Pilze, Hefen oder auch andere spezielle Mikroorganismen verwenden einen Teil dieses Kohlenstoffs außerdem für den eigenen Zellaufbau.

Doch so fleißig diese Bodenbearbeiter auch sind, schaffen sie letztlich doch nicht die ganze Masse. Ein Rest Kohlenstoff bleibt immer noch unverdaut im Boden zurück, entweder, weil ihn die Mikroorganismen nicht mehr fressen konnten oder weil er aus der Biomasse der Bodenorganismen wieder freikommt, wenn diese ihren Lebenszyklus beenden.

Der freie Kohlenstoff wird dann gewissermaßen vor Ort wieder in den beschriebenen Kohlenstoff-Kreislauf integriert. Und das ganze geht von vorne los, wobei auch dann wieder am Ende ein Rest bleibt. Kurz gesagt, der stoffliche Auswurf der gesamten mikrobiellen Inkompetenz sammelt sich ganz allmählich im Erdreich an: Und das ist Kohlenstoff!

Ob man den Überschuß mikrobieller Speisereste nun so nennt oder auch als Humus bezeichnet, was manche tun, er akkumuliert jedenfalls nun schon seit Tausenden von Jahren ... und dieser gehamsterte Kohlenstoffabfall verleiht dem Erdreich schließlich seinen Braunton.

Kohlenstoff absorbiert nämlich im sichtbaren- und UV-Spektrum des Sonnenlichts so ziemlich alle Farben und reflektiert davon nur braunes Licht.

Spätestens jetzt wird sich gewiß manch ein Schlaumeier zu Wort melden, denn die Erde ist ja gar nicht überall braun: Was ist mit dem Sandstrand, was mit der roten Erde von Hawaii ...?

Das sind alles vernünftige Einwände, aber auch kein Widerspruch zu dem Vorhergesagten. Erde kann je nach Menge des eingelagerten Kohlenstoffs gelb, rot, grünlich oder grau aussehen.

Reiner weißer Sandstrand enthält beispielsweise so gut wie gar keinen Kohlenstoff. Sand besteht aus feingemahlenen Steinen, letztlich sind das sogenannte Quarze und die enthalten wiederum hauptsächlich Siliciumoxid (SiO2). Durchsichtiges Fensterglas besteht ebenfalls daraus. Und so wie buntes Glas erst dann entsteht, wenn man der Glasschmelze verschiedene Elemente (Eisen, Kobalt, Kupfer, Gold) zusetzt, so erscheint das Erdreich oder das Sandreich jeweils in dem typischen Farbton des örtlich vorherrschenden Minerals. Die Erde von Hawaii erhält beispielsweise durch hohes Eisenvorkommen ihre rote Tönung. Der aluminiumhaltige Lehm in manchen Gegenden hat einen Gelbstich und auf diese Weise läßt sich den verschiedenen Böden meist durch das jeweilige Elementevorkommen eine bestimmte Farbnuance zuordnen. Das zu tun, gehört zu der Arbeit von Mineralogen, einer Spezialeinheit von Geologen, die genau genommen die Geochemie der Erde unter die Lupe nehmen. Das bedarf allerdings vieler Bodenproben, exakter Bestimmungsgeräte (z.B. Spektrometer) großer Geduld und wildester Spekulationen, womit wir dann am eigentlichen Ziel, der Antwort auf die Frage nach der Bräune des Erdreichs, längst vorbeigeschossen sind. Bleiben wir also auch weiterhin vorerst auf dem Boden der Tatsachen.

12. Juli 2007