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RATGEBER/240: Lebensmittelchemie, auch in bunten Ostereiern? (SB)


Lebensmittelfarben sind nicht von Natur aus unbedenklich

und einige Tips zum Färben mit Naturstoffen


Neben den Eierproduzenten haben derzeit gerade die Lebensmittelfarben- Hersteller Hochkonjunktur. Bis zu 20.000 Eier laufen stündlich durch die Färbemaschinen der Osterei-Fabriken. Hier werden sie in einem Wasserdampfbad keimfrei gekocht und dann mittels verschiedener Tauch- oder Spritzverfahren das bunte Lebensmittelfarb-Design aufgetragen. Unifarbene Eier sind zwar immer noch gefragt, der ausgesprochene Clou sind jedoch Eier mit computergestützten Farbaufdrucken, Regenbogenfarben, marmorierte Kunstwerke, Witzschriftzüge wie "Unfallfreies Ostern" oder das Ei für den Borussia Dortmund Fan: gelb mit schwarzem BVB-09-Aufdruck. Selbst die Sozialdemokraten verschenken leuchtend rote Ostereier mit SPD-Logo. Dank der perfekten, keimfreien Verfahren und der lebensmittelechten Farbhülle bleiben diese Eier mindestens 6 Wochen verzehrfrisch, so daß man noch zum Maiausflug die ehemaligen Ostereier in den Picknickkorb packen kann.

Die Konkurrenz ist hart: Für den "Spottpreis von 30 Cent" pro Regenbogenei im Direktverkauf kann sich keine Hausfrau ans mühsame Eierfärben machen. Dennoch gibt es einige Unverdrossene, die weder Kosten noch Mühe scheuen, dem Einheitsei den Kampf anzusagen und sich zu Ostern ans Heimfärben zu machen. Etwa 20 Millionen Euro pro Jahr setzt der in Warburg ansässige Marktführer für Eierfarben um. Er muß sich jede Saison etwas Neues einfallen lassen, um der Kundschaft Anreize zu bieten. Die mit Farbtabletten in Essigwasser gefärbten Standardmodelle sind längst "out". Der Renner in den letzten Jahren hieß "Muschelglanz": marmorierte Eier mit kostbarem Perlmuttschimmer. Inzwischen gibt es dicke Filzstifte mit Lebensmittelfarben, mit denen auch schon ganz kleine Osterhasen ihren selbstgemalten Eiern die persönliche Note aufdrücken können. Als Knüller der diesjährigen Färbesaison wurde die sogenannte "Expressfärbung" für den Single- Haushalt entwickelt: Damit können Eier in fünf verschiedenen Farben in einem Topf produziert werden. Einfach je fünf Eier mit Färbetablette in einen speziellen Plastikbeutel, mit Klip verschließen und rein ins heiße Wasser.

Da fragt man sich doch, woraus die lebensmittelechten Eierfarben eigentlich bestehen, die wir uns mittels Heim- oder Fertigproduktion alljährlich einverleiben? Nicht immer sind es harmlose, natürliche Pflanzenpigmente wie Carotin oder Chlorophyll, die hier den Appetit anregen und den Farbton angeben.

Lebensmittelherstellung oder Frankensteinverfahren

Nicht ohne Grund machen das reichhaltige Angebot eingefärbter Lebensmittel den Verbraucher mißtrauisch. Was in den Labors der Lebensmitteldesigner vor sich geht, kommt schon dem Wirken eines modernen Frankensteins für Lebensmittel gleich: So ist es das erklärte Ziel vieler Lebensmitteltechnologen, beliebte, rar gewordene Delikatessen durch Kompositionen aus den berüchtigten, sogenannten E-Nummern preiswert nachzuahmen. E-Nummern stehen für Lebensmittelzusätze, vor allem Farbstoffe, die in ganz Europa verwendet werden dürfen. Inzwischen gibt es künstliche Shrimps, an denen bestenfalls noch die zu Kunstfleisch vermahlenen Fisch- und Krabbenreste aus dem Meer stammen. Der bekannte Orangenlikör Curacao muß auch nicht mehr unbedingt aus Orangen hergestellt werden. Statt des etherischen Öls kleiner Bitterorangen, die ihm sein unvergleichliches karibikblaues Aussehen verleihen sollen, werden Geschmack und Farbe des blauen Likörs durch den richtigen E-Nummern- Cocktail nachgestellt. Allerdings hat man bei der blauen Farbe (E 133), Brillantblau, noch zu einem gemeinhin als unbedenklich geltenen Farbstoff gegriffen.

Dagegen sind künstliche Eierfarben zumindest nicht für alle Menschen völlig harmlos. Die gängigen Eierfarben sind zwar Lebensmittelfarben, die auch als Zusatzstoffe zugelassen sind. Doch viele dieser Stoffe gehören zur Gruppe der Azofarbstoffe, die bei empfindlichen Menschen allergieähnliche Reaktionen auslösen können. Die Folge können Hautrötungen, Juckreiz und in schlimmen Fällen sogar Asthmaanfälle sein. Beim Färben können Tartrazin (E 102), Azorubin (E 122) und andere Azofarbstoffe durch winzige Risse und Sprünge in der Eierschale leicht bis ins Eiweiß gelangen und werden auf diese Weise in geringen Mengen mitgegessen.

Um also sicherzugehen, welche Farbstoffe man sich beim Kauf von Ostereierfarben oder Süßigkeiten eingehandelt hat, hilft nur ein Blick in eine der Listen, die von Verbraucherschutzzentralen oder Gesundheitsämtern zu erfragen sind.


Naturfarben für den "Öko-Freak"?
Oder Färben wie bei Großmutter

Nun wird immer wieder empfohlen, zum Eierfärben Naturfarben zu verwenden. Doch auch hier sollte man bei natürlichen Farbstoffen, färbenden Kräutern oder Hölzern wissen, worum es sich handelt.

Natürlich kann man auch völlig bedenkenlos mit stark färbenden Obst- oder Gemüsesorten experimentieren, die garantiert unschädliche Farben abgeben. Mit etwas Sammelleidenschaft und alten Tips aus Großmutters Zeiten gibt es das Eierfärbevergnügen dann sogar zum Nulltarif. Eine gründlich aufgekochte Mischung aus Gras, Efeu oder Brennesselblättern sorgt für grüne Eier. Der altbewährte Sud aus Zwiebelschalen färbt je nach Zwiebelsorte gelb, orange, braun oder sogar violett. Mit Zutaten aus dem Haushaltsbestand läßt sich die Farbpalette noch ergänzen: Rote-Beete-Saft färbt Eier in zartem Rot. Holunderbeeren, Rotkohlsaft oder Spinat sind ebenfalls überraschend farbintensiv. Wichtig ist auf jeden Fall, die Zutaten gründlich aufkochen zu lassen, bevor die Eier hinzukommen. Sogar der Trick mit dem Marmorieren steht schon in Omas altem Rezeptbuch: dort werden rohe Eier mit Mulltüchern eingewickelt und im Sud mitgekocht.

Die in den folgenden Rezeptvorschriften verwendeten Naturstoffe, die in mancher Hinsicht dem exklusiven "Öko-Sortiment" für alternative Eierfärber gleichen, gelten als unbedenklich für Ostereier, solange man keine weiteren Beizmittel verwendet, um die Farben zu intensivieren. Sie sind allerdings nicht immer gerade billig und erreichen dennoch nicht die Farbintensität handelsüblicher Eierfarben. Aber auch zarte Pastelltöne, die bei diesen langwierigeren und dennoch einfachen Färbeverfahren herauskommen, können ihren Reiz haben.

Bei der preiswertesten Version reichen einige Hände voll Zwiebelschalen, weiße Eier, Zwirn und etwas fetter Speck. Aus den Zwiebelschalen wird ein Sud bereitet, der nach der Menge der Eier und nach dem gewünschten Farbton angesetzt wird: Je konzentrierter der Sud, d.h. je mehr Zwiebelschalen oder je weniger Wasser, um so kräftiger wird der Farbton der Eier. Das gilt im übrigen auch für alle anderen Farbbäder.

Gefärbt wird in einem Kochtopf aus Emaille oder Edelstahl, der sich anschließend wieder gut reinigen läßt. Zum Wenden der Eier und Herausnehmen sollte man einen alten Holzlöffel verwenden, weil Metallöffel leicht auf der empfindlichen frischgefärbten Eierschale Schrammen verursachen. Für das Trocknen Eierkartons bereitstellen. Alle Eier am stumpfen Pol anstechen, damit sie nicht platzen.

Die braunen Zwiebelschalen werden in dem Topf mit Wasser aufgesetzt, zum Kochen gebracht und die Eier zum Hartkochen hineingelegt. Die Eier sollen mindestens 6 bis 7 Minuten sprudelnd kochen. Die Farbtöne reichen später - je nach Konzentration des Suds und der Kochdauer - von Elfenbeinbeige, Gelb und Hellbraun bis zum dunklen Kastanienbraun oder Violett. Anschließend werden die Eier mit kaltem Wasser abgeschreckt und nach dem Abkühlen mit einer Speckschwarte auf Hochglanz gebracht.

Einen ganz besonders künstlerischen Effekt können Sie erhalten, wenn Sie einige Zwiebelblätter mit einem Zwirnsfaden um das rohe Ei binden und es so vorsichtig in das sprudelnde Wasser legen. Später sind die abgedeckten Stellen wesentlich intensiver gefärbt.

Weitere Naturfärbeverfahren für Eier

Auch mit den folgenden, teuren Naturfärbemitteln, die Sie in Reformhäusern oder in der Apotheke beziehen können, lassen sich interessante Farbtöne erzielen. Sie sind jedoch auch nicht immer harmlos:

So wird in vielen Bastelbüchern 25 bis 40 g Blauholz als natürliches Färbemittel vorgeschlagen. Die Eier werden damit hellviolett bis aubergine, wenn man sie nach dem unten beschriebenen Verfahren herstellt. Es können mit Blauholz auch sehr attraktive dunkle Töne erreicht werden.

Allerdings werden die mutagenen Eigenschaften des blauen Farbstoffs, der aus dem Holz eines in Mexiko beheimateten Baumes (Campechianom) gewonnen wird, nur selten erwähnt. Anders gesagt, kann er die Erbsubstanz von Zellen potentiell schädigen, was letztlich eine Mißbildung des Embryos nach sich ziehen kann. Irrtümlicherweise wird Blauholz immer wieder zum Ostereierfärben empfohlen. Vermutlich geht man allgemein davon aus, daß der Farbstoff die Eierschale nicht durchdringen kann und somit nicht mitgegessen wird.

Auch wenn das gesundheitliche Risiko beim Färben und auch beim Verzehr von blauholzgefärbten Eiern selbst für Schwangere gering ist, sollte man jedoch die Zusammenhänge kennen, um nicht zu sorglos mit vermeintlich ungefährlicher "Naturchemie" umzugehen.

Für die Bereitung des Naturfarbsuds werden die Färbemittel in einem Liter "k-a-l-t-e-m" Wasser aufgesetzt und dann mindestens 30 Minuten lang gekocht. Auch hier bietet sich der Einfachheit halber an, die Eier in den letzten 8 bis 10 Minuten gleich mitzukochen. Natürlich kann man auch bereits hartgekochte Eier nur kurz im heißen Farbbad ziehenlassen, wie man es von synthetischen Eierfarben kennt. Dann wird die Färbung in der Regel heller.

Ostereierfärben wie zu Omas Zeiten
Für 1 Liter Wasser brauchen Sie:

30 bis 50 g Rotholz: rosarote bis braunrote Färbung.

50 bis 60 g Krappwurzel: ziegelrot bis braunrot.

30 bis 50 g Sandelholz: gelb bis orangebraun.

30 bis 50 g Curcumawurzel: intensives Zitronengelb

3 Eßlöffel Matetee:
im heißen Färbebad: gelb
im kalten Färbebad: maigrün.

2 bis 3 Handvoll Zwiebelschalen: gelb bis braun.

2 Eßlöffel Schwarzer Tee: intensive Braunfärbung.


Noch ein paar Worte zu den verwendeten Rohstoffen

Curcuma ist ein aus der Curcumawurzel oder Gelbwurz gewonnener gelber Farbstoff. In Indien fälschlicherweise als Safran und in manchen Gegenden als Gelbholz bezeichnet, ist er ein problemloser Stoff, auch als Speisefarbe geeignet, aber leider sehr teuer.

Rotholz wird aus Rothölzern wie Pernambuckholz oder Sappanholz gewonnen. Hieraus wird beim Kochen mit Wasser ein roter, wasserlöslicher Farbstoff freigesetzt. Gesundheitlich unbedenklich.

Sandelholz wird auch zum Parfümieren von Seife oder Teemischungen verwendet und überträgt außer einer leichten Färbung auch sein typisches Aroma.

Die Krappwurzel enthält einen roten Farbstoff, der vom Mittelalter bis zur Neuzeit eine große Rolle spielte. Die Färberröte, so der deutsche Name der Pflanze, wächst im Mittelmeerraum und Vorderasien. Sie ist gering giftig.

Erstveröffentlichung April 1996
neue, überarbeitete Fassung

13. März 2008