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RATGEBER/298: Wenn Biotonnen stinken - Geruchsfilter Zeitungspapier (SB)


VON APFELESSIG BIS ZITRONE

Bewährte Alltagschemie einfach erklärt


... Geruchsfilter Zeitungspapier

Müllsortieren gehört derzeit zu den Lieblingsbeschäftigungen in deutschen Küchen. Der größte Bereich der einstmals heiligen Hallen wird nämlich inzwischen von einer Vielzahl unterschiedlicher Behälter okkupiert, in denen sich im Laufe der Zeit Weißblech, Buntblech, Glas, Papier, Kleidung, Verpackungen mit Grünem Punkt, Sperrmüll, normaler oder verrottbarer Hausmüll ansammelt, bis man Zeit findet, die diversen Müllsorten zu den entsprechenden Containern zu tragen und sie ihrem Recycling zuzuführen.

Nun ist Müllsammeln an sich schon problematisch genug, denn für eine einzige Weißblechdose oder eine Glasflasche lohnt sich der Gang zum Container meist nicht, von dem Zeitverlust einmal abgesehen, wenn man seinen Müll nicht einfach zusammen in einen Eimer oder in den Kehrichtschacht (in Hochhäusern) schmeißen will, sondern Weißblechdeckel säuberlich vom Marmeladenglas schraubt und dann mit beiden Teilen ratlos vor der eigenen Müllsammlung steht. Kann man das Glas noch in den Grünen Punkt-Müll werfen oder nur den Deckel? Nun, dafür gibt es genaue Bestimmungen, die auf jedem "Grünen Punkte-Sack" aufgelistet sind...

Am schlimmsten ist jedoch das, was wir uns mit der sogenannten Biotonne angetan haben. Dieser Kompostersatz für Stadtwohnungen soll all das aufnehmen, was auf dem Land entweder zum Verrotten auf den Misthaufen kommt oder die hauseigenen Hühner, Kaninchen oder Schweine stoffwechseltechnisch recyclen. Was uns aber aus diesen Tonnen oder Eimern entgegenduftet, wenn wir Kartoffelschalen, Kaffeefilter oder Essensreste als umweltbewußter Bürger sinnvoll biologisch entsorgen, ist eigentlich für Küche oder Wohnung unzumutbar, so daß viele ihre Biotonne auf dem Balkon lagern.

Wenn dann gar im Sommer der Tonneninhalt zu gären anfängt und süßlicher Geruch aufsteigt, macht er nicht nur jedes Balkonfrühstück unmöglich, manch einer fragt sich auch, ob diese Fracht nicht der Gesundheit von Hausbewohnern und Müllmännern gleichermaßen abträglich sein könnte. Streng genommen müßte man Biotonnen in einem eigenen Kühlschrank unterbringen, um den lästigen Geruch zu vermeiden. Doch da sie teilweise noch bei null bis sieben Grad weiter vor sich hinfaulen, wäre selbst dies keine appetitlichere und angesichts des Energieverbrauchs auch keine ökologisch sinnvolle Lösung.

Laut einer Untersuchung, die Veterinärmediziner im Auftrag des Umweltbundesamts im Februar 2001 durchführten, wurde der Biokompost als mögliche Quelle für das gefährliche Botulinumgift ausgeschlossen und erklärt, Biomüll sei in keiner Weise für Verbraucher oder Müllverarbeiter gesundheitsgefährdend. Botulin ist das tödlichste Toxin, das von Bakterien produziert wird, und das schnellwirksamste Gift überhaupt, das Nerven lähmt und ohne schnelle Gegenmaßnahmen zum baldigen Tode führt.

Doch bei genauerem Hinsehen erweist sich die ganze Untersuchung wieder einmal nur als reine Beschwichtigungsmaßnahme. Ebenso wie immer wieder Konservendosen mit dem gefährlichen Erreger auftauchen, was sich an den typischen Bombagen (hochgedellten aufgeblähten Dosen) zeigt, kann man einfach nicht garantieren, daß gerade der Biomüll von diesen Bakterien und ihren Stoffwechselgiften verschont bleibt.

Die Gifte werden nämlich von Clostridium botulinum-Bakterien gebildet, die ubiquitär verbreitet sind, d.h. durchaus auch in organischen Abfall gelangen können und dort ideale Brutbedingungen (vor allem bei Luftabschluß) vorfinden.

Auch bei der oben erwähnten Untersuchung wurden vereinzelt Organismen dieser Bakterienart im Biokompost gefunden, nur das Gift selbst konnte nicht nachgewiesen oder identifiziert werden. Das heißt jedoch nicht, daß tatsächlich kein Botulismustoxin gebildet wurde, sondern nur, daß das vorhandene Gift noch nicht die Konzentration erreicht hat, die für die üblichen Nachweisverfahren nötig sind.

Das Umweltbundesamt hat erwartungsgemäß - immerhin gehört die Mülltrennung in deutschen Landen einschließlich der Biotonne zu dem von ihm geförderten Recyclingprogramm - aufgrund dieses vagen Ergebnisses eine Gesundheitsgefährdung durch Biotonnen ausgeschlossen. Da durchaus auch schon Verfahren entwickelt werden, aus Nahrungsmitteln und organischen Abfällen Nährstoffe zurückzugewinnen [siehe dazu auch INNOVATIONEN/097: Lebensmittelchemie - Recycling von Backwaren? (SB), RATGEBER/234: Molkeabfall oder neuer Lebensmittelzusatzstoff (SB) oder UMWELTLABOR/197: Recycling von Apfelresten geht nach hinten los (SB)], besteht aus gutem Grund ein hohes Interesse daran, die Bioabfälle für gesundheitlich unbedenklich zu erklären.

So habe die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin im betreffenden Jahr über 200 Mitarbeiter von Kompostwerken untersucht. Das übereinstimmende Ergebnis, die Gesundheit der Arbeiter sei beim Leeren von Biotonnen nicht mehr gefährdet als bei der normalen Müllabfuhr, ist nicht weiter verwunderlich, können doch auch im normalen Hausmüll Clostridienarten überleben. D.h. ein hohes gesundheitliches Risiko ist für die Mitarbeiter der Müllabfuhr ohnehin immer gegeben.

Nur mit entsprechenden Hygienemaßnahmen (z.B. das Abwaschen von Verpackungsmüll wie Weißblechodsen, der lange gesammelt wird) und möglichst häufiger, regelmäßiger Entsorgung in die öffentlichen Sammelcontainer läßt sich die Vermehrung von möglicherweise gefährlichen Keimen und auch Geruchsbildnern unter der kritischen Schwelle halten. Wer seinen Biomüll mehrere Tage bis Wochen sammelt, sollte allerdings darauf achten, die gärenden, nassen und fettigen Essensreste mit Kaffeesatz, groben, trockenen Abfällen oder sogar mit Zeitungspapier aufzulockern. Geruchsintensive und faule Stoffe, vor allem Fleisch- und Fischreste, sollten in Altpapier eingewickelt werden. Das Papier, vor allem aber billiges Zeitungspapier, enthält eine Reihe von chemischen Klebstoffen und Phenolen, die dem Keimwachstum sehr gut entgegenwirken. Auch Kaffeesatz enthält Gerbstoffe, die antibakteriell wirken und sorgt durch seine poröse Struktur für einen gewissen Gasaustausch.

Wer es über sich bringen kann, die übelriechende Masse regelmäßig umzurühren, sorgt darüber hinaus für eine Zufuhr von Sauerstoff, die gerade die besagten Clostridien nicht besonders lieben, weil es sie am Wachstum hindert. Außerdem empfiehlt es sich natürlich, die Tonnen zwar nicht im Kühlschrank, aber doch an einem möglichst kühlen Ort aufzubewahren, wo sie nicht dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt sind. Denn die üblen Gerüche stammen nicht allein von den gefährlichen Botulismuserregern, sondern können natürlich auch von ganz harmlosen Fäulnisbakterien erzeugt werden. Aber auch Faulgase wie Methan und der nach faulen Eiern riechende Schwefelwasserstoff sind nicht besonders gesundheitsverträglich. Schwefelwasserstoff ist selbst ein Gift.

Auch wenn es sinnvoll erscheint, organischen Müll abzutrennen, damit er wieder zu Dünger und Humus zersetzt wird, wofür ja gerade die geruchsintensiven Bakterien, Pilze und Mikroorganismen sorgen, sollte man der eigenen Gesundheit zuliebe gerade im Sommer darauf achten, Biotonnen frühzeitig und regelmäßig zu entsorgen sowie den Inhalt während der Lagerung im Haus mit geruchsbindendem Zeitungspapier abzudecken.

Erstveröffentlichung 2001
neue, aktualisierte Fassung

8. Juli 2009