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RATGEBER/327: Schluß mit dem Gerücht, Kaffeemaschinen ließen sich ohne Chemie desinfizieren (SB)


SCHLUSS MIT DEM GERÜCHT

... und es ist doch Chemie!


Bei Andeutungen von Schimmel, Bakterien, Mikroorganismen oder Krankheitserregern reagieren die meisten Menschen mit Ekel und Abwehr, vor allem dann, wenn sich die fraglichen Organismen in Nahrung und Getränken finden lassen sollen. Beinahe ebenso angewidert reagiert der Mensch aber auch auf die Rückstände, die nötige reinigende Gegenmaßnahmen hinterlassen könnten wie Desinfektions- oder Hygienemittel. Diese enthalten meist keimtötende, chemische Substanzen, mit grausligen Bezeichnungen, die niemand auch nur in der Nähe seiner Lebensmittel finden will.

Auch Kaffeemaschinen sollen vom filmbildenden, mikrobiellen Befall nicht verschont bleiben, wie es kürzlich eine Pressemitteilung der Firma "Bioweb Aqua GmbH" dargestellt haben wollte. Offenbar wollen die Promoter der Firma die Vorbehalte ihrer potentiellen Kunden nutzen, um das Verfahren "AquaSmarter" als "frei von Chemie" gewissermaßen als Selbstgänger an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Drastische Schilderungen wie die von Rolf Amelung, Geschäftsführer der Bioweb Aqua GmbH, tun ihr übriges:

"Je länger Wasser steht, desto größer ist die Gefahr, dass sich eine dünne Schleimschicht bildet. Diese Ansammlung von Bakterien und anderen Mikroorganismen stellt ein nicht zu unterschätzendes Risiko für die menschliche Gesundheit dar."[1]

Anscheinend trinken allein die Deutschen durchschnittlich etwa 150 Liter Kaffee im Jahr. Das ist genau genommen weniger als einen halben Liter täglich und nur ein Viertel der täglich empfohlenen Menge an Flüssigkeit, die jeder Mensch zu sich nehmen sollte, ein Wunder, daß man dafür überhaupt einen Kaffeeautomaten braucht...

Nun habe der WDR in einer Sendung gezeigt, daß sich auch im Kaffee aus Kaffeevollautomaten Bakterien, Hefen und Schimmelpilze nachweisen lassen können. Eine Laboruntersuchung des SGS Institut Fresenius in Tauenstein habe herausgefunden, daß der Wassertank des Kaffeeautomaten beste Brutmöglichkeiten für derartige Keimbiotope ist. Mikroorganismen können im warmen Wasser nicht nur bestens gedeihen, sondern der offenbar nur kurze Brühvorgang, bei dem Wasser auf 120°C erhitzt und dann gleich wieder kondensiert wird, soll auch nicht ausreichen, um die bereits entwickelten Kolonien abzutöten.

Abhilfe schaffe nun der "AquaSmarter", ein erklärtermaßen "chemiefreies Verfahren zu einem sauberen und bakterienfreien Wassertank". "Sobald der AquaSmarter mit Wasser in Berührung kommt", heißt es in der Pressemitteilung vom 16. Januar 2012, "startet ein Ionisierungsprozess, bei dem Kupfer- und Silberionen freigesetzt werden." Eine präzise Erklärung, wodurch diese Ionisierung ausgelöst wird, mittels Elektrizität oder durch Ionisierende Strahlen, bleibt die Beschreibung schuldig. Hier wird nur herausgestellt, daß es sich um Physik, aber keinesfalls um Chemie handele:

Dabei handelt es sich um einen natürlichen physikalischen Prozess, bei dem im weiterführenden Verlauf Bakterien, Schimmel und andere Krankheitserreger im Wasser abgetötet werden.[1]

Nun, allein das ist schon nicht ganz korrekt. Die Wissenschaft Chemie befaßt sich definitionsgemäß mit Zuständen und deren Veränderung (auch wenn sie über den physikalischen Weg erreicht werden). Aber vor allem befaßt sich Chemie mit Stoffen und deren Umwandlung. Wenn aus einem Stoff, auch aus der Wand eines Behälters durch physikalische Impulse "Ionen", also positiv oder negativ geladene Moleküle oder Elemente, freigesetzt werden, dann ist das schlicht: ein chemischer Vorgang! Auch mittels "Physikalischer Chemie" (zu der beispielsweise die gesundheitlich sehr bedenklichen ionisierenden Strahlen gehören) oder mittels sogenannter Elektrochemie (Erzeugung von Ionen durch elektrischen Strom) werden Stoffe umgewandelt. In diesem Falle werden vermutlich neutrale Metalle wie Silber und Kupfer in geladene, reaktive Ionen umgewandelt, die in den Stoffwechsel, also die Biochemie von Mikroorganismen eingreifen können, um diese abzutöten. Auf diese Weise wird schon seit rund 3000 Jahren die antiseptische und desinfizierende Wirkung von Silber genutzt. Allein das Silbergeschirr wohlhabender Haushalte hatte nicht nur reine Prestigefunktion und auch die Silbermünze am Grunde der Milchkanne gründete sich keinesfalls auf Aberglauben. Tatsächlich wurde die Milch nicht so schnell sauer, denn Silber wirkt bakterizid, indem es Silberionen an die Umgebung abgibt, die die Zellmembran der Bakterien gewissermaßen "gerben" und austrocknen. Aber auch diese natürliche "Ionisation" ist ein chemischer Vorgang.

Die toxische Wirkung der Kupferionen besteht darin, daß sie an sogenannte Thiolgruppen (SH-Gruppen) von Proteinen ankoppeln, die dadurch in ihrer Funktion gehemmt werden und Lipide der Zellmembran peroxidieren, was zur Bildung und Freisetzung von Sauerstoff-Radikalen führt, welche die DNA und Zellmembranen schädigen. Dieser Eingriff in den Stoffwechsel bzw. die Biochemie von Mikroorganismen ist eine chemische Reaktion.

Kupfer ist für viele Mikroorganismen bereits in geringen Konzentrationen sehr toxisch, welche für Wirbeltiere (und auch für den Menschen) noch unbedenklich sind. Kupfer ist für diese sogar ein lebenswichtiges Spurenelement und ist bei verschiedenen Stoffwechselfunktionen ein wichtiger Reaktionspartner. Es ist also denkbar, daß die in Kaffeemaschinen freigesetzten Kupfer- oder auch Silberionen vom menschlichen Organismus nicht als störend wahrgenommen werden.

Das könnte sich jedoch ändern, wenn die Belastung mit Metallen ohnehin schon sehr hoch ist oder bestimmte Dispositionen vorliegen. So können hohe Konzentrationen von Kupfer z.B. bei Morbus Wilson, einer Stoffwechselstörung, bei der die Kupferausscheidung nicht normal funktioniert, zu schweren Organschädigungen durch Kupferakkumulationen führen. In solchen Fällen könnte eine Kaffeemaschine, die angeblich ohne Chemie funktioniert, aber Kupferionen an den Kaffee abgibt, das Faß bildlich gesprochen zum Überlaufen bringen.

Auch Wasserleitungen aus Kupfer können zu einer chronisch erhöhten Kupferaufnahme über das Trinkwasser führen und werden als eine Gefahr für die Gesundheit, speziell für Säuglinge, Kleinkinder und Menschen mit Stoffwechselstörungen, neben Morbus Wilson z.B. auch Glucose-6-phosphatdehydrogenase-Mangel oder die sogenannte "primär biliäre Zirrhose" diskutiert.

Für den Verzehr gedachte Flüssigkeiten wie Kaffee also zusätzlich mit Kupferionen anzureichern, ist also keineswegs nur "keine Chemie" wie hier behauptet wird, sondern darüber hinaus ein Verfahren, bei dem genau abgewogen werden sollte, ob der notwendigen Entkeimung zuliebe die wenn auch nur geringfügige gesundheitliche Gefährdung in Kauf genommen werden kann.

Auch ökologische Folgen wären zu bedenken. Selbst wenn das auf diese Weise aufgenommene Kupfer im Menschen nicht zu toxischen Konzentrationen akkumuliert, weil es rechtzeitig ausgeschieden wird, gelangt es doch über den Menschen ins Abwasser, ergo in Fließgewässer, Flüsse und Teiche, wo es für Fische, Krebse und Fischnährtiere bedenklich toxisch werden kann. Und schließlich in das Grund- und Trinkwasser, wo es sich in kupferhaltigen Wasserleitungen mit weiteren Kupferionen anreichert. Darüber hinaus kann Kupfer, wenn es denn z.B. über den Kaffeesatz in die Umwelt gelangt, unerwünschte chemische Reaktionen katalysieren und fördern, beispielsweise die Bildung von Dioxinen und Furanen in Müllverbrennungsanlagen.

Allgemein gilt, daß eine Einnahme von täglich 5 mg Kupfer aus gesundheitlichen Gründen nicht überschritten werden sollte. Bei Trinkwasser gelten Gehalte von unter 1 mg/Liter als ungefährlich. Doch diese Angaben betreffen metallisches Kupfer, das sich im Organismus selbst kaum auflöst. Toxisch wirken nur die freien Kupferionen. Und die sind nur einer der beiden Anteile, die im fraglichen Gerät zur Wasserdesinfektion direkt erzeugt werden, um in den Stoffwechselprozeß der Keime einzugreifen.

Zwar besitzt der menschliche Organismus auch einige Mechanismen, die Kupfer bis zu einem gewissen Grad eliminieren oder binden, so etwa das Protein Metallothionein, das die Kupferionen stellvertretend einfangen kann. Darüber hinaus löst die Einnahme von größeren Mengen an Kupferverbindungen automatisch einen Brechreiz aus, so daß es nicht lang im Körper verbleibt, wenn es eingenommen wird. Bei Kindern können aber schon weniger als 1 mg/Liter Trinkwasser zu chronischen Vergiftungen führen, die Magen-Darmerkrankungen und frühkindliche Leberzirrhosen auslösen.

Auch bei dem zweiten Stoff, der innerhalb des Ionisierungsverfahrens freisetzt werden soll, den Silberionen, kann man ähnliche Bedenken anführen. Silber ist für Warmblüter nicht essentiell. Anders gesagt muß der Mensch keine Silberionen für spezielle Stoffwechselprozesse aufnehmen oder bereit halten. Silber löst sich normalerweise aber auch nicht in Wasser. Anders, wenn es wie in diesem Fall durch ein Ionisationsverfahren freigesetzt wird. Geladene Silberionen lösen sich im Wasser und werden mit dem Kaffeegetränk aufgenommen. Allerdings stellen geringe Mengen an Silber, die täglich aufgenommen werden, keine Bedrohung für die Gesundheit dar.

Auch hier ist es eine Frage der Vorbelastung und Konzentration. Setzt der Ionisierungsvorgang größere Mengen an Silberionen frei, so kann die desinfizierende Reaktion der noch im Getränk verbliebenen Ionen auch gesundes Gewebe betreffen, wodurch es punktuell zu kleinen Entzündungen bzw. Gerbungsreaktionen kommt. Eine der antibakteriellen Wirkungen des Silbers besteht beispielsweise in der Reaktion mit dem im Blutserum enthaltenen Albumin zu Silberalbuminat.

Silber akkumuliert im Gewebe als Silbersulfid (Argyrosis), das sich bei Daueranwendung (und das wäre bei leidenschaftlichen Kaffeetrinkern dann wohl der Fall) im Gewebe ablagert. An belichteten Hautstellen manifestiert sich dies als blaugraue oder schwarze Verfärbung. Medikamentös ist diese sogenannte Argyroe nicht mehr zu beeinflussen.

In hochkonzentrierter Form kann schließlich auch die Aufnahme von Silber(verbindungen) toxisch werden, da Silberionen eine hohe Affinität zu Sulfhydryl- und Aminogruppen haben und somit leicht Komplexe mit Aminosäuren, Purinen, Nucleotiden und ähnlichen Verbindungen bilden.

Ist Silber jedoch bereits in den Körper gelangt, lagert es sich meist in Bindegewebe, Haut aber auch den Augen ein und gibt diesen eine gräuliche bis sogar schwarze Farbe. Über einen Zeitraum von 50 Jahren können etwa 9 mg Silber akkumuliert werden. Präparate mit hohem Silbergehalt können, besonders bei Verwendung über einen längeren Zeitraum hinweg, irreversible Silberablagerungen (Silberakkumulation) im Organismus verursachen, die u. a. zu Argyrie (Dunkelverfärbung der Haut), Argyrose (lokale Einlagerungen, insbesondere am Auge) und neurologischen Beeinträchtigungen führen.

Selbst in Gefäßen und inneren Organen wie Leber, Nieren, Milz und im Zentralnervensystem kann sich Silber ablagern. Im Zusammenhang damit sind chronische Oberbauch-Schmerzen und zentralnervöse Erkrankungen wie Geschmacks- und Gangstörungen, Schwindel- oder Krampfanfälle beschrieben.

Nun, es ist wohl kaum anzunehmen, daß derartig gesundheitsschädliche Akkumulationen von Silber oder Kupfer durch die in einem halben Liter Kaffee täglich genossenen Ionen zustande kommen können. Doch ließe sich die Einnahme von Schwermetallionen wie Keimen aufs Angenehmste begrenzen, wenn der Mensch seine Tasse Kaffee oder das einen halben Liter fassende Kännchen, schlicht und ergreifend mit frisch aus dem Wasserhahn gezapften, relativ unverkeimtem Wasser und mit Hilfe eines altmodischen Wasserkessels oder -kochers aufbrüht. Auch dieser besteht aus Metall und gibt möglicherweise geringe Spuren von Eisen oder Kupfer an das Wasser ab. Doch abgesehen davon, daß schon Generationen von Menschen auf diese Weise ihren Kaffee genossen haben, schmeckt er mit sprudelnd kochendem Wasser bereitet, das demzufolge auch ganz gewiß keimfrei ist, wesentlich besser.

Wohl bekomm's!

Anmerkung:
[1] aus Pressemitteilung der List Medien und Beteiligungs GmbH vom 16. Januar 2012, weitere Informationen siehe auch: www.aquasmarter.de

8. Februar 2012