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RATGEBER/328: Schlankmacher Raps - Erkenntnisse zum Ölgebrauch? (SB)


Drei Esslöffel Rapsöl sollen das Leben verändern?

Neue Studie macht Hoffnung beim metabolischen Syndrom
Wir fragten die Oekotrophologin Frau Prof. Dr. Ursel Wahrburg

Landschaft mit Rapsfeldern - Foto: © 2007 by Daniel Schwen (mit CC-Lizens über Wikimedia commons zur Verbreitung freigegeben)

Blühende Gesundheit
Foto: © 2007 by Daniel Schwen (mit CC-Lizens über Wikimedia commons zur Verbreitung freigegeben)


Was heißt denn Metabolisches Syndrom?

Hand aufs Herz, wer kann schon mit dem Begriff "metabolisches Syndrom" auf Anhieb etwas anfangen? Bezeichnet wird mit dem bedrohlich nach einem medizinischen Damoklesschwert klingenden Begriff das gleichzeitige Auftreten von vier Risikofaktoren, von Vertretern des Gesundheitswesens auch gerne das "tödliche Quartett" genannt: Übergewicht, Bluthochdruck, veränderte Blutfettwerte und Insulinresistenz. Obwohl es für das metabolische Syndrom bisher kaum eine einheitliche, allgemein akzeptierte Definition gibt, der DIMDI-Thesaurus (DIMDI - Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information) erlaubt sogar die Erfassung mit dem Code E.88.9 "Stoffwechselstörung, nicht näher bezeichnet" und obwohl sich viele Menschen, die diese Risikofaktoren aufweisen, in ihrer Haut noch recht wohl fühlen, wird das metabolische Syndrom derzeit generell als Ursache für viele Zivilisationserkrankungen angesehen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes II und ruft bei Ärzten und Ernährungswissenschaftlern den mahnenden Finger hervor, etwas dagegen zu tun. Noch vor kurzem wurde das metabolische Syndrom in den Medien spekulativ mit Demenz, Alzheimer und Stoffwechselstörungen im Gehirn in Zusammenhang gebracht. Das erhöht den Handlungsnotstand.

Der Verdacht, daß sich die vier Faktoren auch gegenseitig bedingen sowie die vermuteten Zusammenhänge und möglicherweise gefährlichen Folgeerscheingungen hervorrufen, beruht letztlich nur auf statistischen Korrelationen. Anders gesagt, gibt es gewisse statistische Häufungen, daß z.B. Diabetiker vom Typ II gleichzeitig übergewichtig sind und Herz-Kreislauf-Probleme haben und vice versa. Schlanke Patienten, die dennoch an Arteriosklerose leiden, passen nicht ins Schema und werden in diesen Kategorien gar nicht erst erfaßt. Auf diese Weise entsteht der Eindruck, daß Dickleibigkeit, Übergewicht bzw. im Fachterminus "Adipositas" praktisch als Leitsymptom eines Großteils aller Stoffwechselprobleme bezeichnet werden könnte.

Die derzeit vorherrschende Theorie in den Ernährungswissenschaften, wie das Metabolische Syndrom zu verstehen ist und welche Ursachen und Folgen davon zu erwarten sind, stellt daher auch das Übergewicht und seine vermeintlichen Ursachen (Überernährung, genetische Disposition und Bewegungsmangel) an die oberste, zentrale Position. Daraus sollen sich dann die anderen Risikofaktoren wie Insulinresistenz, Hyperinsulinämie entwickeln, die zu Bluthochdruck, Diabetes und schließlich gemeinsam mit erhöhten Blutfettwerten zu Arteriosklerose und Herzinfarkt oder Schlaganfall führen können. Aus medizinischer Sicht fehlt sogar jeglicher Forschungsansatz, mit dem diese verhängnisvollen Wechselwirkungen erklärt werden könnten, wie vor kurzem aus einer Pressemitteilung der Helmholtz-Gemeinschaft hervorging, die für das mangelnde Verständnis einfach "fehlende interdisziplinäre Ansätze" [1] verantwortlich macht.

Auf Deutsch heißt das, daß der unter dem Begriff Metabolisches Syndrom gefaßte Komplex zwar aus vier Symptomen bestehen soll, die jeweils eine eigene medizinische Disziplin beanspruchen, um die einzelnen Krankheitsbilder zu erklären, um jedoch die vermuteten, komplexen Wechselwirkungen untereinander oder sich gegenseitig verstärkenden Prozesse zu beschreiben, fehlen noch die Grundlagen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Es drängt sich beinahe der Gedanke auf, daß auch ein Interesse daran bestehen könnte diesen Schwebezustand des noch unerforscht Zusammenhängenden aufrecht zu erhalten. Denn nach der bisherigen Praxis scheint jede beteiligte Disziplin die ursächliche Verantwortung für die ihr zugeordnete Symptomatik in den anderen Symptomen des Komplexes, d.h. interdisziplinär zu suchen, sobald sie mit ihrem "medizinischen Latein" am Ende sind. Auf diese Weise entstehen Zusammenhänge, ohne daß dies an irgendeiner Stelle verantwortlich zuende gedacht oder überprüft wird.


Was tun?

Um möglicherweise diese Lücke zu füllen, wurde unlängst das mit 15 Millionen Euro geförderte Portfoliothema "Metabolische Dysfunktion und Volkserkrankungen" aufgestellt, zu dem die Gesundheitszentren der Helmholtz-Gemeinschaft gemeinsam mit renommierten universitären und außeruniversitären Partnern an den Mechanismen dieses komplexen Krankheitsbildes forschen, um die Ursachen zu verstehen und geeignete Diagnose- und Therapieoptionen zu entwickeln. [1] Ob damit aber endlich die vermuteten Wechselwirkungen auch nachgewiesen werden können, sei dahingestellt.

Kein Wunder also, daß man sich angesichts dieser Unüberschaubarkeiten und Unbegreiflichkeit auf das einzige stürzt, das noch in der greifbaren Reichweite des mit dem Risikofaktor "Übergewicht" stigmatisierten potentiellen Patienten zu liegen scheint und das jede der fraglichen Disziplinen von den Betroffenen einfordern kann, ohne selbst etwas tun zu müssen: die Reduktion des Körpergewichts und die Änderung des Lebensstils zum gleichen Zweck. Denn die trotz unzureichender Forschung bereits allgemein akzeptierten, aber natürlich selbstverschuldeten Ursachen für jede künftige Stoffwechselstörung heißen: Wir essen zu viel, zu oft und das Falsche, weil überall Nahrung zur Verfügung steht. Wir bewegen uns zu wenig. Nicht einmal jeder fünfte Erwachsene treibt zweimal die Woche Sport! Und schließlich in leiserer Tonart: Wir regen uns zu sehr auf, wir engagieren uns zu sehr, denn auch chronischer Stress kann das metabolische Syndrom fördern. Das gesundheitliche Ideal, dem jeder nach diesen Maßgaben eigenverantwortlich nachstreben sollte, wäre dann wohl nach dieser Lesart, ein schlanker, durchtrainierter, aber den Sorgen und Problemen dieser Welt gegenüber auch gleichgültiger und freudloser Mensch zu werden.

Prof. Ursel Wahrburg stellt die neue Studie anläßlich eines Pressegesprächs im Hamburger Restaurant Fillet of Soul vor - Foto: © 2012 by Schattenblick

Prof. Dr. Ursel Wahrburg
'Die Veränderungen sind statistisch signifikant'
Foto: © 2012 by Schattenblick


Abnehmen ist eine Stellungnahme, Verweigerung auch

Schlanksein ist inzwischen kein Lifestyle- oder Modeattribut mehr. Es geschieht somit immer mehr unter der erdrückenden Last der von Gesundheitssystem und -politik aufoktroyierten Schuldzuweisung an künftigen Erkrankungen, daß man akzeptiert, gegen den eigenen Körperumfang vorgehen zu müssen. Die eigene Gewichtsreduktion und damit einhergehend eine praktikable Diät, also grundlegende Ernährungsmaßnahmen, bilden, so die Oekotrophologin Prof. Dr. Ursel Wahrburg von der Fachhochschule Münster, die Eckpfeiler der Therapie bei dem stark vom Lebensstil abhängigen Metabolischen Syndrom.

Wenn man davon überzeugt ist, bleibt nur noch die Qual der Wahl bei den angebotenen Diäten. Während der Abnehmende gerne schnelle Erfolge verbuchen möchte, die von vielen "Turbo-Diäten" versprochen werden, empfehlen Mediziner und Ernährungswissenschaftler eher eine generelle Umstellung der Ernährung und Lebensweise, um den berüchtigten Jojo-Effekt zu vermeiden, d.h. der meist unvermeidlichen Gewichtszunahme nach erfolgreich überstandener Radikaldiät. Diätpläne, die um das Maß an Brennstoff reduziert wurden, das noch körperlich verträglich ist, um einigermaßen satt zu werden, und doch ein allmähliches Abnehmen zu gewährleisten, sind daher auf jeden Fall die Vernünftigsten, ganz gleich, was man von dem Gesamtkonzept halten mag. Was als gesunde und optimale Zusammensetzung einer zudem schmackhaften Kost gilt, ist nach Prof. Wahrburg allerdings ebenfalls sehr umstritten. Konkrete Empfehlungen gäbe es hierzu noch nicht.

Ein vielversprechendes, ölreiches und zumindest Sättigung versprechendes Abnehmkonzept auf der Basis von Rapsöl im Vergleich zu Olivenöl wurde aus diesem Grund in einer Studie der Fachhochschule Münster durch die Forschergruppe um Prof. Wahrburg gewissermaßen auf Herz und Nieren überprüft und kam dabei zu überraschenden Ergebnissen.


Mit Rapsöl abnehmen - kein Widerspruch?

Die Ernährungswissenschaftler führten eine kontrollierte Studie durch, bei der untersucht werden sollte, inwieweit sich eine ölreiche Reduktionskost auf Körpergewicht und Stoffwechsellage bei Patienten mit Metabolischem Syndrom auswirkt. [2] Auch wenn dieses Abnehmkonzept von den Forschern sowie der UFOP (Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e.V.) gerne werbewirksam als "neue Rapsöldiät" vorgestellt wird, muß doch gesagt werden, daß Rapsöl bei der Zusammenstellung der Nahrungsmittel den kleinsten Anteil hatte.

Sechs Monate lang ernährten sich die Probanden, die sich für die Studie zur Verfügung gestellt hatten, mit einer ausgewogenen Diät aus reichlich 900 g Gemüse, 400 g Obst (z.B. vier kleinere Äpfel), 130 g Vollkornbrot (etwa vier Scheiben) oder Vollkornprodukten, 150 g Kartoffeln (Reis oder Nudeln), 500 g fettarmen Milchprodukten (z.B. zwei Becher Magerjoghurt, Kefir, ein Becher Quark, Frischkäse usw.), 120 g magerem Fleisch, einem "kleinen Extra" und - zu guter Letzt - drei Esslöffeln Rapsöl, das besonders reich an der Alpha-Linolensäure ist, einer mehrfach ungesättigten Fettsäure, die zur Gruppe der Omega-3-Fettsäuren gehört. Vor allem, um mögliche und erhoffte Effekte der Alpha-Linolensäure auf den Stoffwechsel feststellen zu können, von der die Rapsölgruppe hiernach genau 3,6 g/Tag zu sich nahm, erhielt eine Kontrollgruppe genau dieselbe Kost, bei der nur das Rapsöl mit Olivenöl ersetzt wurde, das kaum Alpha-Linolensäure enthält, so daß die Kontrollgruppe nur etwa 0,8 g/Tag davon aufnahm. Die Nährstoffzusammensetzung dieser Diäten war somit kohlenhydratreduziert, arm an gesättigten Fettsäuren und Trans-Fettsäuren [3], aber reich an einfach ungesättigten Fettsäuren [4], ballaststoffreich und hatte trotz des hohen Fettgehaltes mit nur 1.600 kcal/Tag eine relativ niedrige Energiedichte. Die meisten Probanden hatten zuvor mindestens 2.200 kcal/Tag zu sich genommen. Laut Prof. Wahrburg sei die Umstellung auf diese Diät für die Probanden zudem sehr einfach gewesen und wäre für diese auch dauerhaft im weiteren Alltag umzusetzen.

Roastbeef vom Kalb mit Koriander-Remoulade, Limetten-Gurkensalat und scharfen Kartoffeln, ein Rezeptvorschlag der UFOP - Foto: © 2012 by UFOP

So stellt man sich eine schmackhafte und flexible Diät vor. Werden hier die empfohlenen Mengen für Kartoffeln und Fleisch bereits überschritten, läßt sich das bei Frühstück und Abendbrot einsparen.
Foto: © 2012 by UFOP


Keine neue Diät aber neue Erkenntnisse

Am Ende der Studie hatten alle Patienten im Durchschnitt 7 kg (die Rapsölgruppe im Durchschnitt sogar 8 kg, die Olivenölgruppe im Durchschnitt eher 6 kg) abgenommen, auch der erhöhte Blutdruck hatte sich verringert, Blutzucker sowie Blutfettwerte lagen in einem günstigeren Bereich als am Anfang der Studie. Diese Veränderungen wären statistisch signifikant, sagte Prof. Ursel Wahrburg, die von der UFOP eingeladen worden war, die neue Studie in einem Pressegespräch vorzustellen. Für die Gruppe, die ausschließlich Rapsöl zu sich genommen hatte und damit täglich 3,6 g Alpha-Linolensäure, konnten hiernach zusätzlich signifikant positive Effekte auf den Blutdruck und den Gehalt an Triglyzeriden im Blutserum [2] nachgewiesen werden. Setzt man die Ereignisse und Meßergebnisse in ein statistisches Verhältnis zueinander und stellt dadurch eine Korrelation her (eine wissenschaftlich vermutete Wechselwirkung), würde das in diesem Fall bedeuten, daß diese Diät eine direkte Auswirkung auch auf weitere Risikofaktoren des Metabolischen Syndroms hat. Man sollte jedoch nicht vergessen, daß dies zunächst nur zufällig gleichzeitig nebeneinander auftretende Meßergebnisse sind. Erst der Mensch, Arzt oder Wissenschaftler stellt den scheinbar logischen Zusammenhang her.

Sollte sich jedoch die Theorie bestätigen, daß sich die Risikofaktoren der einzelnen Krankheitsbilder des Metabolischen Syndroms tatsächlich gegenseitig beeinflussen und negativ verstärken, hätte man mit dieser "Rapsöl"-Diät und dem darin enthaltenen Nährstoffspektrum vielleicht eine Möglichkeit zur positiven Gegensteuerung der unerwünschten Stoffwechselprozesse in der Hand, da sie Übergewicht reduziert und das sogenannte kardiovaskuläre Gesamtrisiko verringern könne, außerdem alltagstauglich und damit als Dauerernährung geeignet ist.

Doch von Spekulationen zu möglichen positiven Nebeneffekten einmal abgesehen, zeichnet diese Reduktionskost tatsächlich einige nicht von der Hand zu weisende Vorteile auf, die allein die Gewichtsabnahme betreffen, die schon durch die verminderte Kalorienmenge mit dieser Diät garantiert werden kann.

1. Die verwendeten Nahrungsmittel sind, von der Ration an magerem Fleisch abgesehen, erschwinglich. Es bedarf keiner kostspieligen Eiweißpräparate oder besonderen Diätnahrungsmittel. Zudem muß nicht besonders teures kaltgepresstes Rapsöl verwendet werden. Auch preiswerte raffinierte Rapsöle lassen sich ohne Abstriche an den Erfolg einsetzen [siehe Interview im Anschluß].

2. Die Nahrungsmittelzusammenstellung befriedigt und macht satt. Laut Prof. Wahrburg konnten die pro Woche erlaubten Lebensmittel (12,5 kg ohne Getränke, Energiedichte: 1,2 kcal/g) oft gar nicht komplett konsumiert werden. Eine normale Wochenration hierzulande würde sonst nur eine Lebensmittelration von ca. 7,7 kg vorsehen, allerdings mit einer fast doppelt so hohen Energiedichte pro Gramm (2,2 kcal/g).

3. Die Diät soll laut Angabe der Probanden schmackhaft sein, da nur die Zusammenstellung der Zutaten festliegt, aber nach eigenen Vorstellungen gekocht und gewürzt werden kann. Allerdings ist Geschmack bekanntlich sehr verschieden. Wer nicht auf Majonaise, Ketchup und Pommes verzichten kann, wird hier freudlos auf die innovativen Magerjoghurt-Dips blicken.

4. Die einfache Anwendung. Man ißt quasi das gleiche wie bisher, macht jedoch bei einigen hochkalorischen Lebensmitteln Abstriche und meidet die als ungesund bezeichneten gesättigten Fettsäuren neben Trans-Fettsäuren.

5. Die Hitzestabilität des Rapsöls. Ungewöhnlich für viele Speiseöle, die ihren besonderen Nährstoffgehalt an ein schonendes, kaltgepresstes Herstellungsverfahren binden, was aber auch bedeutet, daß man diese Öle nicht erhitzen darf, um die wertvollen Inhaltstoffe nicht zu zerstören, bleiben im Rapsöl die essentiellen Fettsäuren unverändert auch beim Kochen und Braten erhalten. Laut UFOP soll sich nur der Geschmack ändern. Raffinierte Öle schmecken neutral. Feinschmecker bevorzugen daher für Salate und kalte Soßen oder Dips kaltgepresste Öle und können dann zwischen einem nussigen oder mehr rabarberähnlichen Geschmack wählen, je nachdem, ob die Rapssamen vor dem Pressen geschält wurden oder nicht.

Aufgesprungene grüne Rapsschote mit Samen - Foto: © 2007 by Friedrich Böhringer (mit CC-Lizens über Wikimedia commons zur Verbreitung freigegeben)

Kleine Samen - große Wirkung?
Foto: © 2007 by Friedrich Böhringer (mit CC-Lizens über Wikimedia commons zur Verbreitung freigegeben)


Rapsöl - nicht nur eine Frage des Geschmacks

Rapsöl ist hierzulande bereits ein beliebtes Produkt. Laut einer von der UFOP herausgegebenen Statistik wird ihm mit 65,6 Mio Litern pro Jahr derzeit in deutschen Haushalten der Vorzug gegeben, dicht gefolgt von Sonnenblumenöl mit 58,1 Litern. Angesichts dieser Zahlen fragt man sich vielleicht, warum Menschen hierzulande nicht bereits wesentlich gesünder sind als anderswo. Denn eines der sympathischen Eigenschaften an Raps ist, daß es bevorzugt in unseren Breiten wächst, keine deshalb weiten Transportwege zurücklegen muß (wie etwa Olivenöl), also relativ wenig energetischer Aufwand zusätzlich für Produktion und Transport aufgewendet werden muß.

Das liegt daran, daß der Winterraps, der hier angebaut wird, neben viel Wasser und nährstoffreichen Böden den Winterfrost braucht, um vernünftig wachsen zu können. Raps wird schon im August ausgesät und steht dann elf Monate auf dem Feld. Noch vor dem Winter kommen die kleinen Pflanzen aus der Erde und schützen den Boden mit ihren Blattrosetten vor der Erosion, was für den Landwirt sehr vorteilhaft ist. Niederschläge, gleich welcher Art, haben dadurch nicht die Kraft, den Boden auszuwaschen. Schließlich braucht der Raps, der im Winter sein Wachstum einstellt, eine Frostphase als Wachstumsreiz, um dann im Frühjahr wieder relativ schnell in die Höhe zu schießen. Diese Voraussetzungen findet der Raps nur in mittleren Breiten, d.h. bis Frankreich. Ansonsten wächst er in skandinavischen Ländern und in Osteuropa, wo die klimatischen Bedingungen vergleichbar günstig sind. Aber bereits in Kanada, wo der Winter deutlich länger ist, wächst kein Winterraps mehr. Dort muß Sommerraps angebaut werden, der eine längere Vegetationsperiode hat. Ob diese Idealbedingungen für den Rapsanbau im Zuge der Klimaerwärmung noch gegeben sein werden, ist eine andere Frage, während der Nährstoffverarmung der Böden derzeit noch mit einer entsprechenden Mineralstoffdüngung begegnet werden kann.

Ein Wehrmutstropfen beim landwirtschaftlichen Anbau dieses gesunden Erzeugnisses ist allerdings die bei Rapserzeugnissen ungeklärte Menge an Schadstoffen, die aus der Anwendung von Agrarchemikalien kurz vor der Ernte (wenn Agrarpflanzen noch keine Lebensmittel sind) stammen, beispielsweise die als Erntehilfe und Reifesteuerung gerne angewendeten Sikkationsmittel (Carfentzarone, Cyanamid, Cinidon-ethyl, Diquat, Glufosinat-Ammonium, Glyphosat, Pyraflufen). Laut UFOP sind die Mengen an Schadstoffen selbst bei preiswerten Ölsorten im grünen Bereich und nicht höher als bei vergleichbaren Produkten. Nicht gesagt wird allerdings, daß dieser grüne Bereich bei Raps besonders hohe Grenzwerte zuläßt. [5]

Säulengrafik sieht Rapsöl in der Beliebtheit deutscher Verbraucher an erster Stelle - Grafik: © 2012 by UFOP

Auch ein Abbild für den gesunden Lebensstil? Die gesundheitlichen Statistiken sagen etwas anderes.
Grafik: © 2012 by UFOP


Tagesbedarf an essentieller Alpha-Linolensäure mehr als gedeckt

Eine weitere sympathische Eigenschaft des Rapsöls ist der hohe Gehalt an wertvollen, essentiellen Fettsäuren. Die in der Studie erwähnte Alpha-Linolensäure (kurz: ALA) ist beispielsweise der Ausgangsstoff für eine weitere wichtige Omega-3-Fettsäure, die Docosahexaensäure (DHA). Diese ist ein integraler Bestandteil von Membranen, speziell der Nervenzelle. Der Körper benötigt sie zum Aufbau des Gehirns und der Netzhaut. Da der Mensch die Ausgangsfettsäure Alpha-Linolensäure nicht selbst herstellen kann, ist es unabhängig von den bereits beschriebenen Hoffnungen, die daran geknüpft werden, wichtig, ihm über die Nahrung genügend Alpha-Linolensäure zuzuführen, sofern er nicht seinen Bedarf an DHA mit ausreichend Fischöl deckt. Außer in Raps- und Walnußöl ist ein entsprechender Omega-3-Fettsäure Gehalt (hier allerdings meist Eicosapentaensäure (EPA) oder Docosahexaensäure (DHA)) nur noch in Muscheln, Kaviar oder Fisch nachzuweisen: z.B. Hering, Bückling, Dornhai/Seeaal/Schillerlocke, Lachs, Makrele, Matjes, Rollmöpse, Sardellen, Sprotten, Sardinen und Forellen.

Da die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) eine tägliche Aufnahme von 0,5 Prozent ALA der täglichen Energiezufuhr empfiehlt, was bei einer durchschnittlichen Energieaufnahme von 2.000 kcal/Tag ungefähr einem Gramm Alpha-Linolensäure pro Tag entspricht, ist der Tagesbedarf durch das oben beschriebene Ernährungskonzept mehr als gedeckt. Bei chronischen Erkrankungen kann es laut DGE sogar sinnvoll sein, die Zufuhr auf das Zwei- bis Dreifache zu erhöhen. So empfehlen manche Mediziner zur Vorbeugung eines Herzinfarktes 6 g Omega-3-Fettsäuren pro Woche(!) zuzuführen, zur Senkung der Triglyzeride sogar das Doppelte.


Zu wenig?

Mangelerscheinungen gibt es allerdings sehr selten, da auch geringe Mengen an Alpha-Linolensäure in manchen Gemüsen wie Rosenkohl, Grünkohl und Spinat vorkommt. Allerdings kann ein Mangel durch chronische Fettverdauungsstörungen oder fettfreie künstliche Ernährung verursacht werden. Typische Symptome sind Sehstörungen, Muskelschwäche, Zittern, eingeschränkte Lernfähigkeit, schlechte Wundheilung und Störungen der Oberflächen- und Tiefensensibilität.


Zu viel?

Auch das ist möglich: Eine zusätzliche Zufuhr nach dem Motto "Viel hilft viel" ist unbedingt zu vermeiden. Die zu hohe Dosierung langkettiger Omega-3-Fettsäuren kann die Neigung zu Blutungen erhöhen und beeinflußt möglicherweise die Funktionen von Leukozyten und Immunsystem nachteilig. Man sollte deshalb nicht mehr als 3% der Energiezufuhr nicht überschreiten, d.h. die in der Studie empfohlenen drei Löffel Rapsöl liegen mit etwa 2 Prozent (wenn die vorgeschlagene Nahrungsmenge von 1.600 kcal auch verzehrt wird) noch im unbedenklichen Rahmen.

Frau Prof. Dr. Ursel Wahrburg antwortet - Foto: © 2012 by Schattenblick

'Auch bei rheumatischen Erkrankungen oder entzündlichen Prozessen kann eine Ernährungsumstellung mit Rapsöl helfen.'
Foto: © 2012 by Schattenblick


Abnehmen mit Rapsöl - kein Widerspruch?
Wir fragten die Oekotrophologin Frau Prof. Dr. Ursel Wahrburg

Schattenblick (SB): Aus ihrer Studie wird das Abnehmkonzept mit Rapsöl vor allem durch die Gewichtsabnahme und Laborwerte bestätigt. Kann man eigentlich genauer erklären, warum eine Diät, in der gesättigte Fettsäuren im wesentlichen durch ungesättigte ersetzt wurden, zur Gewichtsabnahme beiträgt? Wie funktioniert das im Einzelnen?

Prof. Ursel Wahrburg (UW): Zunächst einmal trägt zur Gewichtsabnahme nicht der Ersatz der Fettsäuren an sich bei. Dadurch, daß man mehr Öl mit ungesättigten Fettsäuren einsetzt und auf Produkte mit gesättigten Fettsäuren verzichtet, verändert sich das gesamte Ernährungsmuster. Die Fettsäuren, sowohl die gesättigten als auch die ungesättigten, haben aber denselben Kaloriengehalt. Das heißt, wenn ich dieselben Menge an gesättigten Fettsäuren nur durch ungesättigte ersetzen würde und sonst nichts verändere, dann würde ich nicht abnehmen.

SB: Die Empfehlung, der Gesundheit zuliebe möglichst viele ungesättigte Fettsäuren zu sich zu nehmen, ist nicht neu. Verhalten sich ungesättigten Fettsäuren im Stoffwechsel anders? Sind sie durch ihre chemische Struktur vielleicht vom Stoffwechsel des Körpers leichter oder schwerer abzubauen, so daß zusätzlich Energie verbraucht würde? Womit läßt sich ihr positiver Effekt auf die Gesundheit erklären?

UW: Zunächst einmal sind ungesättigte Fettsäuren einfach insgesamt gesünder. Gesättigte Fettsäuren sind bekannt dafür, daß sie die Cholesterinwerte stark erhöhen. Außerdem wissen wir inzwischen, daß sie sich ungünstig auf den Insulinstoffwechsel auswirken und eine Insulinresistenz verstärken können, die bei Diabetes eine Rolle spielt. Von daher sollte man weniger gesättigte Fettsäuren zu sich nehmen.

Die ungesättigten Fettsäuren haben dagegen eine viel günstigere Wirkung. Sie senken den Cholesterinspiegel, sind auch indirekt durch verschiedene Mechanismen für die Regulation des Blutzuckerspiegels gut. Aber speziell bezogen auf das Abnehmen wär es praktisch ein Austausch der gleichen Kalorien. Wenn ich meinetwegen Kokosfett, in dem viele gesättigte Fettsäuren enthalten sind, einfach durch die gleiche Menge Rapsöl ersetzen würde, würde ich nicht abnehmen. Dafür muß ich dann wirklich das gesamte Ernährungsmuster ändern wie in der Studie. Die Probanden haben letztlich nur abgenommen, weil die Kalorienzahl reduziert wurde.

Was den Energieverbrauch und den Stoffwechsel betrifft, kann der Körper mit allen Fettsäuren sehr energieeffizient umgehen und aus allen auch langkettigen einfach oder mehrfach ungesättigten Fettsäuren bei der Verbrennung denselben Energiegehalt beziehen.

SB: In Ihrer Studie wird der günstige Effekt auf die Blutfettwerte, der Rückgang des hohen Blutdrucks und des Blutzuckerspiegels vor allem auf Omega-3-Fettsäuren zurückgeführt. Warum gerade Omega-3-Fettsäuren?

UW: Also, die Omega-3-Fettsäuren gehören gemeinsam mit der Untergruppe der Omega-6-Fettsäuren zu der großen Gruppe der Mehrfachungesättigten [6]. Letztere kommen in Sonnenblumenöl, Distelöl, in Olivenöl und auch in Rapsöl in kleineren Mengen vor. Die Omega-3-Fettsäuren bilden allerdings eine besonders interessante Gruppe. Obwohl wir grundsätzlich mit unserer täglichen Nahrung nur sehr kleine Mengen von allenfalls zwei oder drei Gramm davon aufnehmen, so daß sie vom Kaloriengehalt nicht ins Gewicht fallen, sind sie besonders stoffwechselwirksame Substanzen mit sehr unterschiedlichen Wirkungen, weil der Körper anders mit ihnen umgeht als mit den übrigen Fettsäuren. Wie gesagt dienen die meisten Fettsäuren ausschließlich als Energielieferant. Sie werden sehr effizient vom Körper verbrannt, der daraus Energie gewinnt. Für die Omega-3-Fettsäuren und auch für die Omega-6-Fettsäuren gilt das letztendlich auch. Zusätzlich sind es aber auch lebensnotwendige Stoffe, die der Körper als Baustein benutzt, um daraus weitere Substanzen herzustellen, die er für verschiedene Funktionen braucht. Aus Omega-6-Fettsäuren werden andere Stoffe hergestellt als aus Omega-3-Fettsäuren und die Produkte unterscheiden sich auch wieder in ihrer Wirkung.

Nun können wir inzwischen sicher sagen, daß die Substanzen, die aus Omega-3 gebildet werden, vor allem in Bezug auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen günstig wirken. Sie können zum Beispiel einer Thrombose entgegenwirken und sie beugen Entzündungen vor. Deshalb werden sie gerne bei rheumatischen Erkrankungen eingesetzt. Sie spielen aber auch bei der Gehirntätigkeit und der Sehfähigkeit eine Rolle. Darum wird gerade Schwangeren und jüngeren Müttern empfohlen, daß bei der Ernährung der Säuglinge auf eine ausreichende Zufuhr dieser Fettsäuren geachtet wird. Diese zusätzlichen Funktionen als essentielle Rohstofflieferanten für wichtige Stoffwechselprozesse machen den entscheidenden Unterschied aus.

SB: Bedeutet der besonders hohe Anteil an ungesättigten Fettsäuren, die ja mindestens an einer Stelle eine relativ instabile und damit für oxidative Angriffe empfindliche Bindung besitzen (die Doppelbindung), nicht auch eine höhere Verderblichkeit dieses Öls?

UW: Nein, das besondere am Rapsöl oder auch am Olivenöl ist die hohe Konzentration sogenannter einfachungesättigter Fettsäuren. Die Mehrfachungesättigten, die tatsächlich empfindlicher sind, auch was die Erhitzbarkeit angeht, kommen zwar in ausreichender aber immer noch in sehr kleiner Menge vor. Die einfachungesättigten Fettsäuren besitzen ja nur "eine" empfindliche Doppelbindung und die hat eine gute Haltbarkeit. D.h. die ungesättigten Fettsäuren bleiben gerade im Rapsöl lange Zeit stabil und sind auch im Körper nicht für solche Prozesse anfällig.

SB: Gibt es eigentlich besseres oder schlechteres Rapsöl für dieses Ernährungskonzept? Wäre beispielsweise ein niedrigerer Preis ein Hinweis auf eine minderwertige Verarbeitung oder Qualität?

UW: Nein, das kann man so nicht sagen. Wir haben auch in unserer Studie ganz einfaches, preiswertes, also raffiniertes Rapsöl verwendet, das man beim Discounter kaufen kann. Der Preis sagt nichts über die Qualität. Die Fettsäurenzusammensetzung ist bei Rapsöl in jedem Fall hochwertig. Raffiniert heißt nur, daß die Geschmacksstoffe und Geruchsstoffe entfernt sind und man ein geschmacksneutrales Öl hat, das aber vielseitig einsetzbar ist, weil es auch gut erhitzbar ist.

SB: Ihre Studie wurde mit Freiwilligen durchgeführt, die nebenbei ganz normal gelebt und gearbeitet haben. Wenn Sie nun regelmäßig die Laborwerte überprüfen, betrachten Sie doch eigentlich nur einen sehr kleinen Ausschnitt. Viele Faktoren, die vielleicht nicht in Ihrem Fragenkatalog stehen, könnten sich doch möglicherweise auch als Änderungen niederschlagen. Wie schaffen Sie es, vergleichbare Laborbedingungen herzustellen, damit die Ergebnisse - wie Sie sagen - statistisch signifikant sind?

UW: Eine solche halbjährige Studie läßt sich immer nur unter sogenannten "failable conditions" durchführen. "Failable conditions" bedeutet unter "freilebenden Bedingungen". Das heißt, es gibt immer Einschränkungen und Unsicherheitsfaktoren. Die können Sie nie komplett eliminieren. Wir haben versucht, die Bedingungen so gut es geht vergleichbar zu machen. Wir haben die Probanden Ernährungsprotokolle schreiben lassen. Wir haben laufend sehr engen Kontakt mit den Probanden gehabt, die regelmäßig zum Messen, zum Wiegen, zur Blutabnahme und so weiter zu uns gekommen sind. Aber Unsicherheiten bleiben immer bestehen, das ist einfach so. Die haben wir in allen diesen Studien. Der Mensch ist eben keine Labormaus. Man kann ihn nicht standardisieren und schon gar nicht über ein halbes Jahr. Bei einer Studie über zwei Wochen können Sie vielleicht Probanden anwerben, die sich freiwillig in eine Klinik "sperren" lassen, so daß man alles relativ kontrolliert untersuchen kann, aber langfristige Studien sind auf diese Weise nicht durchführbar.

SB: Gab es irgendwelche Abbrüche, weil Nebenwirkungen oder unerwünschte Effekte aufgetreten sind, wie sie beispielsweise der sogenannten Atkins-Diät nachgesagt werden?

UW: Um Gottes Willen, nein. Unerwünschte Nebenwirkungen gab es gar nicht. Natürlich sind einige Leute noch im Verlauf der Studie aus unterschiedlichen Gründen ausgestiegen. Teilweise sind sie umgezogen, manche hatten auch einfach keine Lust mehr. Aber über gesundheitliche Nebenwirkungen hat keiner geklagt. Sie haben ja die Zusammenstellung der Nahrungsmittel gesehen. Die Diät ist im Grunde eine vielseitige Ernährung, die man jedem Gesunden empfehlen würde.

SB: In Ihrer Studie haben Sie schon verschiedene Krankheitssymptome genannt wie Bluthochdruck oder Diabetes, auf die sich die spezielle Fettsäurendiät positiv auswirken könnte. Sie hatten eben den rheumatischen Symptomkomplex erwähnt. Gibt es noch mehr Krankheiten, die man damit heilen oder besser in den Griff bekommen könnte?

UW: Wie ich bereits sagte, werden Omega-3-Fettsäuren vor allem bei einer Anzahl von Erkrankungen empfohlen, in denen Entzündungsprozesse eine Rolle spielen. Das ist einmal der gesamte Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die rheumatischen Erkrankungen als Haupteinsatzbereich. Momentan wird diskutiert, ob sie möglicherweise auch bei Krebserkrankungen positiv wirken. Säuglinge und Schwangere sollten ALA vermehrt aufnehmen, um eine ausreichende Versorgung der stattfindenden Wachstums- und Aufbauprozesse zu gewährleisten. Aber letztendlich würde jeder davon profitieren, denn die vorbeugende Wirkung sollte ebenfalls nicht unterschätzt werden.

SB: Könnten Sie sich vorstellen, daß im Hinblick auf diesen vorbeugenden Effekt in Zukunft Ernährungsempfehlungen oder sogar genaue Diät-Vorschriften auch für gesunde Übergewichtige herausgegeben werden?

UW: Ja klar, das würde mich sogar sehr freuen. Diese Ernährungsweise kann man sicherlich bedenkenlos jedem stoffwechselgesunden Übergewichtigen nur empfehlen. Vor dem Begriff "Diät" schrecke ich allerdings immer ein wenig zurück. Ich sage einfach, es handelt sich um eine andere kalorienreduzierte Ernährungweise, die erstmal beim Abnehmen hilft. Danach kann man die Kalorien wieder ein bißchen aufstocken und setzt dann letztendlich eine sehr gesunde Ernährungsweise fort. Mehr ist es eigentlich nicht. Das ist keine Turbo-Diät, die man vier Wochen durchhalten muß und dann ist gut. Unser Ziel ist, daß man sich langfristig vernünftig ernährt.

SB: Wie wäre das durchsetzbar? Gibt es hierzu schon Überlegungen im Gesundheitswesen?

UW: Das ist immer ein langwieriger Prozeß. Es gibt bereits einen Trend hin zu krankheitsspezifischen Ernährungsempfehlungen. Hierzulande ist das noch nicht so offiziell und unsere Studie ist nur ein sehr kleiner Anfang, der sich diesbezüglich noch nicht auswirken wird. Aber es gibt bereits amerikanische Richtlinien, die deutlich machen, daß man dort in Zukunft strikter spezielle Lebensmittel bei bestimmten Krankheitsbildern erlauben oder verbieten und gewissermaßen richtige Lebensmittelmuster erstellen wird. Ich denke, das dauert hier immer noch eine Weile, aber wir sind bereits auf dem Weg dahin.

SB: Womit ließe sich das grundsätzliche Mißtrauen eines diätgeschädigten Menschen gegen Essvorschriften oder empfohlene Ernährungsweisen ausräumen, also umgekehrt das nötige Vertrauen zu dieser Nahrungsumstellung gewinnen?

UW: Das ist natürlich schwierig. Ich würde sagen, man sollte zunächst darüber aufklären, daß es keine Diät ist, sondern eine vernünftige Ernährungsumstellung, die eine gesündere Ernährung gewährleistet, die einem gegebenenfalls beim Abnehmen hilft, einen aber auch langfristig gesund erhält. Außerdem würde ich klar stellen, daß im Grunde alles an gewohnten Lebensmitteln erlaubt ist, abgesehen von manchen süßen Sachen und den vielen versteckten Fetten. Es ist also nichts Sensationelles. Es gibt überhaupt keine strikten Verbote. Die neue Ernährung läßt nach einzelnen Vorlieben ganz flexibel gestalten. So kann der eine, der lieber Brote ißt, das tun, während ein anderer vielleicht lieber mehr Magerjoghurts ißt. Es gibt sehr viel individuellen Spielraum. Das ist eine sehr entscheidende vertrauenschaffende Voraussetzung.

Die meisten Diäten zeichnen sich ja durch strikte Vorschriften aus, was man genau zu welchem Zeitpunkt essen oder nicht essen darf. Das hält natürlich niemand auf Dauer durch. Und das macht auch keinen Spaß. Nach vier Wochen hat man dann vielleicht fünf Kilo abgenommen, weiß aber nicht, wie man sich weiter verhalten soll, fällt dann wieder in die alten Ernährungsweisen zurück und schwupps, kommt der Jojo-Effekt und man hat wieder sieben Kilo zugelegt ...

Keine Frage, abnehmen ist gewöhnlich ein sehr mühseliges, freudloses Geschäft. Da sollte man sich zu Recht ganz genau überlegen, macht man das mit, will man das überhaupt? Aber ohne eine generelle, langfristige Ernährungsumstellung wird es nie wirklich von Erfolg gekrönt sein.

SB: Vielen Dank Frau Professor Wahrburg.

© 2006 by Tilo Hauke (mit CC-Lizens über Wikimedia commons zur Verbreitung freigegeben)

Blühender Raps
Foto: © 2006 by Tilo Hauke
(mit CC-Lizens über Wikimedia commons zur Verbreitung freigegeben)

Anmerkungen:
[1] siehe auch Pressemitteilung der Helmholtz-Gemeinschaft 5. April 2012: http://www.schattenblick.de/infopool/medizin/krankhei/m4fo0168.html

[2] Eine der oben genannten meßbaren Risikofaktoren des Metabolischen Syndroms neben dem Bauchumfang/Taillenumfang bei Männern von 94 cm, bei Frauen von 80 cm (die definitionsgemäß Adipositas anzeigen) sind von der Norm abweichende Blutfettwerte, die analytisch bestimmt werden. Laut Definition müssen zwei der folgenden Werte zutreffen, damit ein Metabolisches Syndrom vorliegt:

- Erhöhter Serumtriglyzeridgehalt: > 150 mg/dl

- Niedriges HDL-Cholesterin: < 40 mg/dl (Männer) bzw. < 50 mg/dl (Frauen)

- Bluthochdruck: Systolisch > 130 mmHg / Diastolisch: < 85 mmHg

- erhöhter Blutzuckergehalt: > 100 mg/dl oder Typ 2 Diabetes mellitus

[3] Das in Öl enthaltene Fettmolekül besteht aus dreifach verestertem Glycerin mit unterschiedlichen Fettsäuren. Die Kombination dieser Fettsäuren ist entscheidend darüber, ob ein Fett dünnflüssig oder sogar streichfähig ist. Fettsäuren unterscheiden sich durch die Anzahl der C-Atome (Kettenlänge) sowie der möglichen Anzahl und Position von Doppelbindungen, die in natürlichen Ölen und Fetten normalerweise eine sogenannte Cis-Konfiguration besitzen. Man kann Fettsäuren aufgrund ihrer Kettenlängen in niedere (bis sieben C-Atome), mittlere (acht bis zwölf C-Atome) und höhere (mehr als zwölf C-Atome) Fettsäuren einteilen. Gesättigte Fettsäuren enthalten keine Doppelbindungen und sind daher zum einen zäher, zum anderen weniger gegen Oxidation anfällig. Die Sättigung von Fettsäuren wird in der Fettherstellung oft durch eine katalysierte Hydrierung (Besetzen der freien Bindungsstellen der Doppelbindungen mit Wasserstoffatomen) erzwungen. Diese künstlich gehärteten Fette stehen in Verdacht, nicht so bekömmlich zu sein.

Neben ungesättigten Fettsäuren in der Cis-Konfiguration kommen in der Natur auch Fettsäuren mit trans-konfigurierten Doppelbindungen vor, sogenannte Trans-Fettsäuren. Trans-Fettsäuren fallen auch als Nebenprodukt bei der Margarineherstellung an und stehen unter Verdacht, gesundheitsschädliche Eigenschaften zu haben. Ungesättigte Trans-Fettsäuren wirken sich ungünstig auf den Cholesterinspiegel aus. Insbesondere durch die Senkung des HDL-Cholesterol-Spiegels bei gleichzeitiger Erhöhung des LDL-Cholesterol-Lipoprotein(a)-Spiegels sowie proinflammatorische Effekte kommt es zu einen negativen Einfluß auf die endotheliale Funktion der Arterienwände.

[4] Ein hoher Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren, zusammen mit einem niedrigen Anteil gesättigter Fettsäuren, soll laut DGE (der Deutschen Gesellschaft für Ernährung) das Risiko für koronare Herzkrankheiten (z.B. Herzinfarkt) senken.

[5] Bereits in den Anhängen II und III der EU-Rückstandsverordnung Nr. 396/2005 werden in einigen Lebensmitteln und hier beispielsweise Raps besonders große sogenannte "Rückstandhöchstgehalte" erlaubt. Für Glyphosat, bei dem z.B. für Beeren die unterste Bestimmungsgrenze als Grenzwert gilt (0,1 mg/kg), ist bei Raps, Roggen und Weizen der Rückstandhöchstgehalt offiziell auf 10 mg/kg festgelegt.

Eine ausführliche Recherche zum Thema Sikkation, in der dieses Thema erörtert wird, finden Sie in Umwelt → Redaktion unter dem Titel
FOKUS/005: Sikkation - Ein Grund zu fragen (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umko0005.html

[6] Statt der Bezeichnung mehrfach ungesättigte Fettsäuren findet man in der Literatur heute oft den Begriff PUFAs (für den englischen Begriff: Polyunsaturated fatty acids). Neben Omega-3-Fettsäuren oder Omega-6-Fettsäuren werden sie auch n-3- oder n-6-Fettsäuren genannt. Chemisch gesehen sind das langkettige Fettsäuren mit mehreren Doppelbindungen, eine davon am 3. oder 6. Kohlenstoffatom. Wichtigste Vertreter der Omega-3-Fettsäuren sind: Alpha-Linolensäure und die im Fischöl enthaltenen Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA).

[7] Ein Rezeptvorschlag der UFOP, wie sich Rapsöl schmackhaft zubereiten läßt:

Roastbeef vom Kalb mit Koriander-Remoulade,
Limetten-Gurkensalat und scharfen Kartoffeln

Zutaten für 4 Portionen:

Roastbeef
je 1 EL schwarzer und weißer Pfeffer
700 g Kalbsrücken, ohne Fett und Sehnen
Meersalz
2 EL Rapsöl

Remoulade
1 TL Korianderssamen
1 Eigelb
1 TL süßer Senf
120 ml Rapsöl, kaltgepresst
100 g Honiggurken
1 Bund Koriander
100 g stichfeste Saure Sahne
frisch gemahlener weißer Pfeffer

Salat
6 Mini-Salatgurken, ersatzweise 2 "normale" Salatgurken
Zucker
2 EL geschälter Sesam
1 Limette
1 Bund feine Lauchzwiebeln
½ Kopf Frisée-Salat
Rapsöl, kaltgepresst
frisch gemahlener weißer Pfeffer

Kartoffeln
2 rote Chilischoten
700 g kleine Kartoffeln, vorwiegend fest kochend
1 EL Rapsöl
2 TL Butter

Und so geht's:
Roastbeef: Den Backofen auf 80°C vorheizen.
Die Pfefferkörner in einem Mörser zerstoßen und vermischen.
Das Roastbeef rund herum in die Pfeffermischung drücken, salzen und in einer Pfanne in Rapsöl von allen Seiten kurz anbraten. Anschließend das Fleisch mit einem Stück Alufolie auf dem Rost in den Ofen geben und etwa 60 bis 80 Minuten rosa garen. Anschließend in Scheiben schneiden und nochmals nachsalzen.

Remoulade: Koriandersamen in einer Pfanne ohne Fett rösten, dann in einem Mörser zerstoßen. Das Eigelb (zimmerwarm) mit dem Senf verrühren. Erst tropfenweise, dann in einem dünnen Strahl das kaltgepresste Rapsöl einrühren und alles zur Majonäse aufarbeiten. Die Honiggurken fein würfeln. Den Koriander von den Stielen zupfen, fein schneiden und mit der sauren Sahne in die Mayonnaise rühren. Die Gurken untermengen und alles mit den Koriandersamen, etwas Gurkenwasser, Salz sowie Pfeffer abschmecken.

Salat: Gurken waschen und mit Hilfe eines Sparschälers längs in dünne Scheiben schneiden. Die Gurkenscheiben salzen sowie leicht zuckern und etwa 10 Minuten ziehen lassen. Inzwischen den Sesam in einer Pfanne ohne Fett goldbraun rösten, dann abkühlen lassen. Die Limette heiß waschen, dann trocknen, die Schale fein reiben und den Saft auspressen. Die Lauchzwiebeln putzen und fein schneiden. Den Frisée putzen, waschen, trocken schleudern und mundgerecht zupfen. Die marinierten Gurken leicht trocken drücken und mit Sesam, Lauchzwiebeln sowie Frisée vermischen, mit Limettenschale, -saft, kaltgepresstem Rapsöl, Pfeffer und Salz abschmecken.

Kartoffeln: Chilischoten fein schneiden, dabei entkernen. Die Kartoffeln in kochendem Salzwasser garen, dann abgießen, pellen und kurz vor dem Servieren in einer Pfanne in Rapsöl rundherum goldbraun anbraten. Zum Schluss Chili sowie Butter dazugeben, kurz bräunen und alles mit Salz abschmecken. Zusammen mit dem Roastbeef, Remoulade sowie Gurkensalat anrichten und mit dem restlichen Koriander garnieren. (Copyright: UFOP)

1. Oktober 2012