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UMWELTLABOR/060: Akkumulationen (3) - Blei aus dem Akku


Akkumulationen (3) - Blei aus dem Akku


Trockenbatterien (siehe UMWELTLABOR/059) aber auch Quecksilberbatterien bzw. Knopfzellen (siehe (UMWELTLABOR/058) sind nach ihrer Entladung wertlos, und sollten zum Händler oder Sammelcontainer gebracht werden, damit ihre fachgerechte Entsorgung sichergestellt ist. In sogenannten Akkumulatoren dagegen lassen sich chemische Vorgänge, die bei der Entladung ablaufen, wieder rückgängig machen; Akkumulatoren (=Sammler) oder kurz: "Akkus" sind wiederaufladbar, indem die Flußrichtung der chemischen Vorgänge von außen umgekehrt wird. Der verbreitetste Akkumulatortyp ist der Bleiakku, der u.a. für Autobatterien verwendet wird. Er besteht aus einem Kunststoffgehäuse, das als Elektrolyt verdünnte Schwefelsäure von 1,28 Gramm/Kubikzentimeter Dichte (37 Gewichtsprozent H2SO4) enthält. Diese Konzentration ist für die Arbeit der Zelle optimal. Da die Batterie jedoch nicht ganz luftdicht verschlossen ist, verdunstet ein Teil des Wassers durch die Motorwärme oder an heißen Tagen, so daß die Säurekonzentration zunimmt. Deshalb und damit die Elektroden ausreichend und gleichmäßig mit Flüssigkeit umspült werden, muß man immer wieder destilliertes Wasser in die Autobatterie nachfüllen.

Die Elektroden besitzen eine große Oberfläche und liegen nahe beieinander, damit der Innenwiderstand möglichst klein ist. In der Batterie eines Kraftfahrzeugs werden in der Regel sechs galvanische Zellen in Reihe geschaltet, die jeweils nach dem folgenden Prinzip arbeiten. Die Elektroden bestehen gewöhnlich aus Gitterrahmen, von denen der eine mit locker gepacktem Blei (Bleischwamm), der andere mit Bleioxid beschickt wird. Es läuft folgende umkehrbare Gesamtreaktion ab:


PbO2 + Pb + 2 H2SO4


Entladung
−−−−−−−−−>
<−−−−−−−−−
Aufladung

2 PbSO4 + 2 H2O



Bei der Entladung des Akkus gibt die aus Bleischwamm bestehende Elektrode Elektronen ab (Anode/Minuspol). Diese wandern über den Verbraucher (z.B. Anlasser, Autoradio ect.) zum Pluspol (Kathode) bzw. der Bleidioxid-Elektrode. Dort werden die vierwertigen Bleiionen des Bleioxids (PbO2) in zweiwertige umgewandelt (Pb(4+) --> Pb(2+)) bzw. reduziert. Die an beiden Gitterrahmen freiwerdenden Pb(2+)-Ionen bilden mit den SO4(2-)-Ionen der in Wasser dissoziierten Schwefelsäure ein schwerlösliches Salz (Bleisulfat, PbSO4), das im vollständig entladenen Zustand die beiden Elektrodenplatten bedeckt.

Bleiakkumulator

Entladung:
Minuspol :

Pluspol :



Pb
Pb(2+) + H2SO4
PbO2 + 2e(-)
Pb(2+) + H2SO4
O(2-) + 2 H(+)







Pb (2+) + 2e(-)
PbSO4 + 2 H(+)
Pb(2+) + 2 O(2-)
PbSO4 + 2 H(+)
2 H2O

Oxidation

Reduktion


Gesamtreaktion:
PbO2 + Pb + 2 H2SO4

2 PbSO4 + 2 H2O

Eine Zelle liefert 2 Volt. In der 12-Volt-Batterie addieren sich die Voltzahlen der sechs in Reihe geschalteten Zellen. Beim Wiederaufladen eines Bleiakkumulators verläuft der Elektronenfluß umgekehrt: Der Minuspol des Aufladegeräts wird daher am Minuspol des Akkumulators angeschlossen. Die Kraftfahrzeugbatterie wird während der Fahrt ständig von der "Lichtmaschine", einem Generator, nachgeladen.

Der Nickel-Eisen-Akkumulator und der Silber-Zink-Sammler enthalten als Elektrolyte Kalilauge und funktionieren sonst nach dem gleichen Prinzip.


Tips zur Pflege der Autobatterie:

- Regelmäßig den Säurestand des Akkus prüfen. An heißen Tagen kann das Nachfüllen von destilliertem Wasser schon nach 1000 Kilometer nötig sein.

- Säubern Sie Polklemmen und Batteriepole. Der Schmutz fördert die Selbstentladung. Bei oxidierten oder losen Kabelschuhen kann nicht der volle Startstrom fließen. Reinigen Sie mit klarem Wasser und einer harten Bürste (keine Drahtbürste). Danach Pole und Kabelschuhe trockenreiben und mit Säureschutzfett bestreichen.

- Schalten Sie beim Starten - vor allem im Winter - alle anderen Stromverbraucher wie Scheinwerfer, Heizgebläse und Radio aus.


Das Gift aus der Autobatterie

Die Giftigkeit des Bleis haben wir an dieser Stelle schon vielfach erwähnt (siehe u.a. UMWELTLABOR/19: Blei beschwert die Luft (I) Antiklopfmittel sind out; UMWELTLABOR/20: Blei beschwert die Luft (II) Akkumulationen), und werden es vermutlich auch noch häufiger tun, denn es gibt unzählige Quellen, aus denen Blei in die Umwelt gelangt. Das Blei aus alten Autobatterien hat an der ubiquitären Bleiverschmutzung nur einen sehr geringen Anteil. Man kann beinahe die Regel aufstellen, daß - sobald eine Ursache der Bleivergiftung erkannt und beseitigt wurde, auch schon wieder eine neue auftaucht. So wurde 1994 in Ungarn rotes Bleioxid, ein Hunderte von Jahren über populäres Pigment (u.a. in Lacken und Anstrichfarben) zum Anfärben bzw. Verfälschen von Paprikapulver verwendet. Achtzehn Personen wurden festgenommen, aber die Anzahl der Vergiftungsfälle wird vielleicht niemals genau bekannt sein, denn in Ungarn würzt man zahlreiche Speisen wie Gulasch, Würste und Salami mit Paprika, das zudem ein Gewürz ist, das hier reichlich produziert und deshalb auch gern in andere Länder exportiert wird.

Schon im Altertum gelangte Blei in den Wein: im antiken Griechenland süßte man das Getränk mit Bleiverbindungen (Bleizucker), und obwohl Wein damals höchst populär war, sagte man ihm nach, Fehlgeburten auszulösen. Winzer im Mittelalter panschten Wein mit Blei, wodurch gelegentlich rätselhafte örtlich gehäufte Fälle von Magenkrämpfen, Verstopfung, Übelkeit, Müdigkeit, Anämie, Wahnsinn bis zu langsamem Dahinsiechen auftraten - alles Symptome einer Bleivergiftung. In der viktorianischen Zeit verschloß man sogar Dosen zur Aufbewahrung von Nahrungsmitteln mit dem einfach zu handhabenden Bleilot. Diese Gewohnheit führte zur schleichenden Vergiftung und einem allgemein schlechten Gesundheitszustand des Militärs, denn vor allem für die Versorgung der Armee war diese Konservierungsmethode erfunden worden.

Warum ist Blei so gesundheitsschädlich? Nur ein geringer Teil des Bleis, das wir mit der Nahrung aufnehmen, gelangt ins Blut, der Rest wird unverändert ausgeschieden. Blei bindet sich an Hämoglobin und macht dieses unwirksam. Das Resultat ist die Anreicherung eines Hämoglobin-Vorläufers, der Aminolävulinsäure, im Körper - diese verursacht die bekannten Vergiftungssymptome. Der Darm wird gelähmt, dadurch entstehen Magenkrämpfe, Verstopfungen und Ansammlungen von Flüssigkeit im Gehirn, die Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit auslösen. Auch das Fortpflanzungssystem wird beeinträchtigt: Es kommt zu Fehlgeburten oder Kindesmißbildungen. Anämie ist eine langfristige Wirkung bei chronischer Vergiftung.

Das größte Risiko einer Bleivergiftung haben aber gegenwärtig nach wie vor Großstadtkinder, denn obwohl das Antiklopfmittel Tretraethylblei fast ganz aus den Treibstoffen herausgenommen und Autoabgase mit Katalysatoren gefiltert werden, gibt es immer noch genügend mit altem bleihaltigem Kraftstoff betriebene Fahrzeuge. Darüber hinaus enthält selbst bleifreies Benzin noch geringe Mengen dieses Metalls, auf das man zum Schutz der Maschine selbst im Zeitalter des bleifreien Benzins nicht verzichten mag. Umweltmediziner machen aber auch heute noch das Blei der Autoabgase für die Zunahme von Lernschwierigkeiten und kriminellem Verhalten unter Kindern verantwortlich. In den USA stehen darüber hinaus die bleihaltigen Anstriche älterer Wohnhäuser in Verdacht, Blei an die Umwelt abzugeben; alle Stadtkinder, die in die Schule kommen, werden dort einem Bluttest auf Blei unterzogen.

Das Blei aus Autobatterien kann vor allem durch unsachgemäße Entsorgung oder bei schweren Unfällen in die Umwelt gelangen. Immerhin enthält eine Batterie ausreichend Flüssigkeit (Säure), um die bleihaltigen Stoffe der korrodierten Elektroden ins Erdreich zu spülen, von wo sie ins Grundwasser oder in tierische oder pflanzliche Nahrungsmittel gelangen können.

Die Gefahr, die aber auch nach Berücksichtigung aller Vorsichtsmaßnahmen allein durch den Gebrauch von bleihaltigen Batterien für die Umwelt besteht, sollte man nicht unterschätzen. 1994 fand der Geologe Ingemar Renberg der Universität Umeå in Schweden überraschend Belege für eine Verschmutzung der Atmosphäre mit Blei, lange Zeit vor dem Beginn der industriellen Revolution in Sedimenten am Grund von Seen.

Sein Fund wurde kurz darauf von Claude Boutron von der Universität Grenoble bestätigt, der in jahrtausendealtem grönländischem Gletschereis eine starke Bleikonzentration in bestimmten Schichten feststellte. Ihren Hochrechnungen nach und ausgehend von einem geschätzten Hintergrundwert von 0,5 ppt (Billionsteln), sollen im ersten Jahrhundert nach Christus die Werte einen Höhepunkt von 2 ppt erreicht haben. Schuld daran sei wohl das römische Reich gewesen, das damals seine Blütezeit erlebte und in dem Blei eine geschätzte, ja lebenswichtige Handelsware erkannt hatte. Allein der Abbau und die Verbreitung von Blei in einem Umfang von bis zu 80.000 Tonnen jährlich haben also zu dem zusätzlichen und nachweislichen Eintrag des Staubes in die Atmosphäre geführt.

Fortsetzung folgt ...

Erstveröffentlichung 2001