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UMWELTLABOR/202: Immissionen, zwei Buchstaben sind ein Standpunkt (SB)


Wie man mittels zweier Buchstaben alles wieder in Ordnung bringt...


Luftverschmutzung ist ein allgemein gebräuchlicher, für jeden verständlicher Begriff, der den von Menschen verursachten Beitrag an Abgasen zur Luftzusammensetzung beschreibt. Nichts, was an Gasen oder Chemikalien in die Luft entlassen wird, gehört zur natürlichen Lufthülle und stellt somit eine Verschmutzung oder Belastung dar. Was den Auspuff des Kraftwagens oder die Industrieschlöte betrifft, gibt es eigentlich keinen Zweifel, denn der graue oder weiße Dampf oder Rauch, der abgelassen oder "emittiert" wird, ist ganz einfach Schmutz bzw. gasförmiger Müll.

Das scheinen manche jedoch anders zu sehen. Sowohl das Bundesumweltamt als auch die einzelnen Landesämter, die für die Überwachung der "Luftverschmutzung" bzw. der Emissionen in die Luft verantwortlich sind, mögen diese Tatsache nicht so gern bei ihrem wirklichen Namen nennen. Statt dessen sprechen sie z.B. bei der Ausgabe des aktuellen Luftzustandes bzw. der aktuellen Luftbelastungswerte im Norden dieses Landes, d.h. in Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg- Vorpommern von sogenannten "Luftgütedaten" oder fassen diese in einem "Lufthygienischen Tagesbericht" zusammen.

Das saarländische Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz spricht indes von einem "Lufthygienischen Situationsbericht", und dieser wird vom Immissionsmeßnetz Saar (IMMESA) zusammengefaßt. Man beachte, daß explizit von einem Immissionsmeßnetz gesprochen wird, nicht: Emissionsmeßnetz, obwohl hier doch immerhin "Schadstoff- Konzentrationen" (und das sind letztlich Emissionen) erfaßt werden sollen.

In den Fußnoten lesen wir dann z.B. in Hamburg, daß NO und CO der "maximalen Immissionskonzentration" nach der VDI 2310 entsprechen, wobei sich die "maximale Immissionskonzentration" auf die Bewertung der Luftbelastung bezieht. Spricht man darin von einer niedrigen NO- Belastung heißt das beispielsweise, daß die 24-Stunden-Mittelwerte niedriger als 100 Mikrogramm pro Kubikmeter gewesen sind. "Hoch" sind sie nach dieser Tabelle dann bei Werten von über 500 Mikrogramm.

Die Tatsache, daß aber auch schon niedrige Werte zusätzliche Einträge in die Lufthülle bedeuten, die von irgendwoher "emittiert" wurden, wird dabei völlig außer acht gelassen.

So manch einer könnte meinen, daß hier Emission und Immission vielleicht synonym verwendet werden und miteinander austauschbar sind. Doch spätestens im Umgang mit den Umweltämtern kommt man dahinter, daß die hier aufgezählten Begriffe sehr gezielt verwendet werden, denn gerade die Behörden und Ämter legen großen Wert darauf, daß die gemessenen Immissionen auf keinen Fall mit Emissionen verwechselt werden.

Warum?

Betrachtet man einmal die lateinischen Begriffe genauer, kommt man schon eher dahinter, daß es sich bei der "Immission" um ein Wort handelt, das die Funktion hat zu verschleiern. Das gleiche gilt für die wesentlich deutlicheren Versuche, mit "Lufthygiene" und "-güte" die Wahrheit schön zu reden.

Emission, "Ausstrahlung", kommt von lateinisch "emittere", d.h. etwas aussenden, herausschicken, ablassen. Emission ist der klassische technische Begriff für das Ablassen von Gasen, Schadstoffen, Ruß u.ä. in die Luft. Mehr noch umfaßt "Emission" selbst elektromagnetische Strahlen oder Teilchen, allgemein Strahlung oder sogar schädliche Energien.

Einen Emissionsschutz, d.h. den Schutz der Bevölkerung vor schädlichen Emissionen gibt es zwar im Lexikon, in der Praxis sprechen die zuständigen Experten jedoch lieber von Immissionsschutz, den Schutz vor der schädlichen Auswirkung. Und das ist etwas ganz anderes:

Immittere, d.h. lateinisch: hineingehen lassen, impliziert, daß es eine verträgliche und festgelegte Menge an Schadstoffeinleitung gibt, die hineingelassen werden darf.

Immission wird daher genaugenommen als das "Einwirken von Verunreinigungen, Lärm, Strahlen oder Ähnlichem auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Gebäude usw." verstanden. Immissionswerte bzw. Immissionsgrenzwerte, geben die Menge an Schadstoffen oder Strahlen an, die für unschädlich gehalten bzw. als zumutbar definiert werden. Wenn es heißt, daß die Bevölkerung vor Immissionen geschützt werden müsse, dann heißt das nur, man schützt sie vor allen Emissionen, die über die Immissionswerte hinausgehen.

In dem Sinne ist ein Immissionsmeßnetz wie IMMESA eine Institution, die letztlich nur die Einhaltung der Verordnung über Immissionswerte zu überprüfen hat. Sie ist daher nicht unbedingt verpflichtet, den genauen Ist-Wert preiszugeben. Der Begriff Immission rechtfertigt somit den gegenwärtigen und maximal tolerierbaren Zustand. Und wer von Immissionen spricht, nimmt automatisch den Standpunkt ein, daß die Welt mit ihren Umweltwerten, Hygieneberichten und Luftgütedaten schon ganz in Ordnung ist. Sollten sich allerdings beunruhigende Überschreitungen der Immissionen häufen, ohne daß sich das deutlich im Gesundheitszustand der Bevölkerung widerspiegelt, so lassen sich die realen Emissions- bzw. Belastungswerte auch sehr schnell mittels Austausch von einem und Verdopplung eines anderen Buchstabens zu Immissionswerten umerklären und alles ist wieder in bester die Ordnung.

10. Oktober 2007