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UMWELTLABOR/212: Sauerstoff, eine begrenzte Ressource (SB)


Wie lange reicht der Sauerstoff noch?


Die Reinheit und Unbedenklichkeit der "Luft" in der Atmosphäre wird meistens über den Grad ihrer Verschmutzung definiert. Sauerstoff, ein Bestandteil der natürlichen Gaszusammensetzung, sollte es nach herkömmlicher Auffassung nach wie vor in ausreichender Menge geben, abgesehen davon, daß seine Aufnahme, kurz gesagt "das Einatmen", durch Schadstoffe in der Luft erschwert werden kann.

Um die Qualität der Luft unserer Umwelt wirklich beurteilen zu können, sollte man jedoch mehr über sie wissen, als ihren Schadstoffgehalt.

Wem die Luft nämlich sprichwörtlich wegbleibt oder wer in Atemnot gerät, was in Ballungsgebieten auch heutzutage immer häufiger vorkommt, fragt sich unmittelbar, ob überhaupt noch ausreichend saubere Luft zum Füllen der Lungen vorhanden ist oder ob der für unseren Stoffwechsel so wichtige Sauerstoff schon langsam knapp wird.


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Die Erde besteht zu 60% (Atomprozent) aus Sauerstoff in Kombination mit Silicium und verschiedenen Metallen. Das bedeutet eine enorme lokale Sauerstoffanreicherung, denn das gesamte Universum enthält nur 0,05% Sauerstoff. Lebende Organismen enthalten 26% Sauerstoff, hauptsächlich in Kombination mit H, C und N. Diese Zahlen betreffen jedoch nur den gebundenen Sauerstoff, der nicht mehr zur Verfügung steht. Verfügbar ist nur der gasförmige Sauerstoff aus der Luft.

Die Erde ist von einer Lufthülle umgeben. Die Zusammensetzung dieser Lufthülle ermöglicht Leben auf unserem Planeten. Das Gewicht der Luft erzeugt den Luftdruck. In unseren Breiten entspricht der Normaldruck 1 atm (10.330 kp/m²), was in etwa 45 Kilogramm auf der Fläche unserer Hand verteilt entspricht. Er ist über dem Meeresspiegel am größten und nimmt mit steigender Höhe über der Erde ab - die Luft wird also zum Weltraum hin immer "dünner".

Luft ist ein Gasgemisch. Den größten Anteil daran hat Stickstoff. Das "Distickstoff-Gas" (N2 kommt im "Reinzustand" in der Natur wie Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) nur als zweiatomiges Molekül vor) ist mit fast 80 Prozent Hauptbestandteil der Erdatmosphäre. Aus dem ebenfalls zweiatomigen Sauerstoff (O2) bestehen die restlichen 20 Prozent der Atmosphäre unseres Planeten. Neben den Hauptbestandteilen Stickstoff und Sauerstoff enthält Luft Kohlenstoffdioxid sowie die Edelgase Helium, Neon, Argon, Krypton und Xenon.

Das macht auf einen Liter reine, trockene Luft etwa 781 ml Stickstoff, 210 ml Sauerstoff und 9 ml Edelgase (gemischt). Außerdem etwas Kohlendioxid.


0,03%
1,00%
21,00%
78,99%
Kohlendioxid
Edelgase (Xenon)
Sauerstoff
Stickstoff
Siedepunkt: −78°C
Siedepunkt: −108°C
Siedepunkt: −183°C
Siedepunkt: −195°C

Außer den unschädlichen natürlichen Grundbestandteilen, enthält die Atmosphäre auch natürliche wie künstlich erzeugte Schadstoffe. So kann man z.B. in der Nähe von Vulkanen zu einem gewissen Teil auch Ammoniak (NH3) finden, sowie weitere fremde Moleküle, die zum Teil aus natürlichen, zum Teil aus zivilisationsbedingten Quellen stammen. Für flüchtige Abfälle stellt der Himmel kurz gesagt ein großes Sammelbecken dar, doch dieses Problem soll hier weiter nicht thematisiert werden.

Sauerstoff, ein lebensgefährliches Agens

Sauerstoff ist aus diesem Gasgemisch das einzige bekanntermaßen lebenswichtige Gas, das alle Lebewesen zur Atmung brauchen aber auch verbrauchen. Sauerstoff vereinigt sich leicht mit Kohlenstoff- Verbindungen und bei diesem Vorgang werden große Wärmemengen freigesetzt.

Die gleiche Eigenschaft des Sauerstoffs, nämlich zu verbrennen, nutzt der Mensch täglich bei der Umsetzung von Öl, Benzin, Kohle und Holz in Wärme und Arbeit. Sauerstoff wird dabei ständig nur verbraucht.

Weniger bewußt ist wohl den meisten, daß sich dieselben Verbrennungsprozesse auch in unserem Körper zutragen, da sich die Verbrennung von Sauerstoff als wichtigste Wärmequelle für die Prozesse des Stoffwechsels bei fast allen Lebewesen während der Evolution herausselektiert hat. Die Verbrennung wird mit Hilfe von Enzymen und Biokatalysatoren so gesteuert, daß kein Organismus während dieser Prozesse in lodernden Flammen stehen muß und das Endprodukt ist doch immer das gleiche: Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasser (H2O).

Jede organische Verbindung ist somit in einer Sauerstoff-Atmosphäre instabil und oxidierbar.

Aus geologischen Funden in alten Minerallagern meinen Wissenschaftler, die sich mit dem Ursprung des Lebens befassen, herauslesen zu können, daß die ersten organischen Verbindungen in Kontakt mit einer reduzierenden Atmosphäre entstanden sein müssen, denn sie hätten in einer sauerstoffreichen Umgebung nicht lange genug existiert, um Leben hervorzubringen.

Heute entsteht organische Materie nur durch lebende Organismen auf natürlichem Weg oder durch den Menschen durch synthetische Prozesse. Würden alle Stoffwechselprozesse aller lebenden Organismen auf einmal aufhören, d.h. plötzlich alles Leben zuende sein, würde der Sauerstoff mit seinen oxidierenden, zerstörerischen Prozessen die Regie übernehmen und so lange Kohlenstoffe oxidieren, bis kein freier Sauerstoff mehr vorhanden wäre. Es ist geradezu paradox, daß das Leben von einem derart lebensfeindlichen Stoff abhängig ist.

Da der Wärmebedarf in unserer zivilisierten Welt fortwährend steigt (und somit der Sauerstoff-Verbrauch) und darüber hinaus jährlich etwa die Urwaldfläche von der Größe der Bundesrepublik durch Brandrodung vernichtet wird (Sauerstoff-Verbrauch), sinkt der Sauerstoff- Anteil der Luft, während die Menge des Gases wächst, das bei der Verbrennung entsteht: Kohlenstoffdioxid.

Sauerstoffverbrauch

ein Auto verbraucht
−−−−−−−−−−−−−−−−>
für eine Strecke von 10 km


ein Mensch verbraucht
−−−−−−−−−−−−−−−−>
für eine Strecke von 10 km

etwa 1 l Benzin und 2000 l Sauerstoff




etwa 200 l Sauerstoff

Lange Zeit glaubte man, daß aus Kohlendioxid und Wasser ganz einfach bei der Photosynthese der Pflanzen und Produktion von Biomasse (Kohlenwasserstoffverbindungen, Zucker usw.) quasi als Abfallprodukt neuer Sauerstoff generiert würde. Tatsächlich gilt die Photosynthese grüner Pflanzen auch heute noch als die Hauptquelle für die Sauerstoffgewinnung in der Atmosphäre, auch wenn die biochemischen Vorgänge im einzelnen bei genauerer Betrachtung Ungereimtheiten und Lücken aufweisen.

Die Zerstörung der Vegetation durch Rodung, das Abholzen von Wäldern und die zivilisatorisch bedingte Schadstoffanreicherung in der Luft, die beispielsweise durch sauren Regen in den Entwicklungsländern oft sogar direkt Pflanzen vernichtet, schränken die Leistungsfähigkeit dieser "natürlichen" Sauerstoff-Quellen beträchtlich ein.

Dazu kommt, daß Pflanzen in den Dunkelphasen ohne Sonnenlichtzufuhr "atmen", um ihren Stoffwechsel in Gang zu halten. Das heißt ein Teil des durch Photosynthese erzeugten Sauerstoffs wird bei der Atmung wieder verbraucht und geht verloren.

Unverbrauchter Sauerstoff wandert in die oberen Schichten der Atmosphäre und geht ebenfalls der Atemluft verloren.

All dies und die Tatsache, daß Verbrennungsprozesse immer schneller ablaufen als der Aufbau organischer Substanz, müßte schon rein rechnerisch dazu führen, daß der Sauerstoffanteil in der Atmosphäre zusehends immer weniger wird.

Dieser "natürliche" Sauerstoffschwund ist unter Chemikern und Naturwissenschaftlern offenbar kein Geheimnis. So konnte man seinerzeit schon durchaus im "Kleingedruckten" eines gewöhnlichen Lehrbuchs der allgemeinen anorganischen Chemie (von H.R. Christen) unter dem Kapitel Sauerstoff lesen:

Bis vor kurzem wurden keine meßbaren Schwankungen im Sauerstoffgehalt der Atmosphäre beobachtet [es wurden allerdings auch kaum Messungen in dieser Richtung durchgeführt, Anm. d. Schattenblick-Redaktion]; in den letzten Jahren scheint jedoch der Sauerstoffgehalt mindestens in Industriegebieten deutlich abzunehmen, und es ist wahrscheinlich, daß als Folge des allzu starken Wachstums der Erdbevölkerung und der damit verbundenen weltweiten Industrialisierung die Sauerstoffbilanz der Atmosphäre immer ungünstiger wird.
(Christen, Lehrbuch der allgemeinen anorganischen Chemie)

Daß diese Entwicklung neben anderen Umweltproblemen nie thematisiert oder als Teil der aktuellen Umweltdaten veröffentlicht wird und somit verfolgbar ist, und auch daß ähnliche Äußerungen wie das obige Zitat inzwischen kaum noch laut werden, läßt eigentlich nur das schlimmste vermuten, d.h. daß die unwiederbringliche Abnahme des O2- Gehalts der Atmosphäre durch Verbrauch oder Entweichen von Sauerstoff verschleiert werden soll.

Sauerstoffsituation vor Ort verfolgen?

Für den interessierten Laien gibt es, von der eigenen Atemnot einmal abgesehen, kaum nachvollziehbare praktische Methoden, den Sauerstoffgehalt der Luft quantitativ zu überprüfen. Auch der folgende Vorschlag eignet sich nicht wirklich als genaue Bemessungsgrundlage, denn es gibt zu viele unbekannte Faktoren, z.B. die Wärme, die bei den meisten chemischen Redaktionen die Ausbeute erhöht, oder der Luftdruck, die dabei nicht berücksichtigt werden.

Dennoch kann man sich damit bei möglichst gleichbleibenden Versuchsbedingungen einen zumindest optischen Vergleich bzw. Anhaltspunkt über die Entwicklung des Sauerstoff-Zustands in der eigenen Umgebung verschaffen:

Nachweis des Sauerstoffs in der Luft:

Man braucht dazu einen Meßzylinder, eine Wanne mit Wasser und etwas Eisenpulver.

Zunächst feuchtet man die Wände eines Meßzylinders mit Wasser an. Dann wird Eisenpulver in den Zylinder geschüttet, so daß es an den feuchten Wänden hängen bleibt. Das Glasgefäß wird mit der Öffnung nach unten in eine Wanne mit Wasser gestellt. Dann wird nach einem bestimmten, selbstgewählten Zeitraum, mindestens jedoch erst nach 24 Stunden, nachgesehen, ob sich etwas verändert hat.

Das Eisen an der Gefäßwand rostet und verbraucht dabei Sauerstoff von dem Vorrat an eingeschlossener Luft in der nach oben geschlossenen Zylinderröhre.

Sobald der Sauerstoffgehalt und damit auch der Druck in der Röhre sinkt, steigt Wasser nach oben. Befindet sich im Meßzylinder eine Skala, kann man sogar ablesen und vergleichen, wieviel ml Luft bzw. Sauerstoff verbraucht worden sind.

Je sauerstoffhaltiger die Luft ist, um so höher steigt in dem gleichen Zeitraum die Wassersäule. Auf diese Weise läßt sich - regelmäßige Prüfung vorausgesetzt - die Sauerstoffsituation vor Ort verfolgen.

12. Februar 2008