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UMWELTLABOR/243: Auszeichnung für trendgerechte und paßförmige Forschung (SB)


Es gibt gute Filter und es gibt schlechte Filter

Forscher der Empa erhalten Preis für die herausragende Leistung, nichts Negatives nachgewiesen zu haben


Vor wenigen Tagen war es wieder soweit. Die Schweizerische Chemische Gesellschaft überreicht den renommierten Sandmeyer-Preis. Diesmal ging er an ein Forschungsteam der Empa, das die höchst kritischen Prozesse bei der Rußzersetzung in katalytischen Ruß- und Dieselpartikelfiltern untersuchte und ein beruhigendes Fazit aufbrachte: Es gibt gute und schlechte Filter. Gute Filter bauen Schadstoffe ab!

Ihrer Ansicht nach könnten viele Filtersysteme so betrieben werden, daß gemeinhin zu erwartende Risiken minimiert wären:

Mehr noch: katalytische Filtersysteme können das Erbgut schädigende Stoffe sogar abbauen. So werden nicht nur die Russpartikel aus dem Dieselabgas entfernt, sondern dieses wird auch wesentlich entgiftet.
(Informationsdienst Wissenschaft und Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Pressemitteilung vom 11. Februar 2009)

Und da die prämierten Untersuchungen in Zusammenarbeit (oder vielmehr unter der Regie) der Sponsoren, sprich: der Filter- und Katalysatorhersteller, erfolgte, versprechen diese nun, die Forschungsergebnisse der Empa direkt in ihre technologische Weiterentwicklung einfließen zu lassen und so in Zukunft noch effizientere Partikelfilter ganz "ohne Nebenwirkungen" herzustellen. Da kann man doch nur gratulieren!

Allerdings schränken schon die Begriffe "minimieren" und "wesentlich entgiftet" den Jubel ein und weisen darauf hin, daß völlig nebenwirkungsfreie Partikelfilter wohl doch nicht so schnell zu erwarten sind, während der vermutlich größte Teil an Dieselrußfiltern nach wie vor Schadstoffe abgibt.

Zwar sollen moderne Filter mehr als 99 Prozent der nanometerkleinen Rußpartikel aus dem Abgas von Personen- und Lastwagen, Lokomotiven, Traktoren, Schiffen und Baumaschinen abfangen und so die Feinstaubbelastung der Atmosphäre reduzieren, doch die gasförmigen und festen Verbindungen, die bei der Verbrennung entstehen, können mit der Katalysatoroberfläche des Filters reagieren. Ob die Schadstoffe dabei effizient abgebaut werden oder im Filter selbst sogar neue entstehen, ist durchaus eine Frage, die sich die Forscher der Empa selbst stellen müssen.

"Zu Beginn der Diskussion um Partikelfilter waren wir nicht sicher, ob wir diese Technologie wirklich fordern und fördern sollen", sagt Norbert Heeb [einer der ausgezeichneten Wissenschaftler des Empa- Teams, Anm. d. Schattenblick-Red.]. "Schliesslich können bei der Russzersetzung auch extrem bedenkliche Verbindungen bis hin zu Dioxinen oder toxischen Kohlenwasserstoffen entstehen."
(Informationsdienst Wissenschaft und Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Pressemitteilung vom 11. Februar 2009)

So sind abgesehen von Feinstaub und Dieselpartikeln auch flüchtige, aromatische Kohlenwasserstoffe im Dieselabgas enthalten, die schon von sich aus als Erbgut schädigend oder krebserregend gelten. Diese könnten mit dem Katalysator des Filtersystems zu noch brisanteren Verbindungen weiterreagieren. Doch weiter hieß es:

Inzwischen hätten die Forscher allerdings zahlreiche gut funktionierende Filtersysteme begutachten können, so dass sie "voll und ganz hinter dieser neuen Umwelttechnik stehen können."
(Informationsdienst Wissenschaft und Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Pressemitteilung vom 11. Februar 2009)

Dabei ist es bei chaotischen Systemen wie der Verbrennung und den Reaktionen eines Gasgemisches von unvorhersagbarer Zusammensetzung an Katalysatoren nicht auszuschließen, daß die umfassende Analyse mit der die verschiedenen Filtertechnologien von den Empa Chemikern, Biologen, Ingenieuren und Umweltwissenschaftlern überprüft werden sollten, gar nicht alle Schadstoffe erfassen kann, die tatsächlich an den Katalysatoren entstehen. Nach wie vor kann man nur etwas analytisch nachweisen, das man auch sucht, und so läßt die Genauigkeit des Nachweises bei ungewöhnlichen und bisher nie erwarteten Substanzen durchaus zu wünschen übrig.

Darüber hinaus schließt die Forschungsgruppe, die unter realistischen Arbeitsbedingungen die Luftfiltersysteme der Arbeitsmaschinen im Tunnel tief unter dem Schweizer Gotthard-Massiv untersuchte, selbst gar nicht aus, daß in den untersuchten Filtersystemen die Voraussetzung zur Bildung toxischer Substanzen gegeben ist:

Sie konnten nachweisen, dass je nach Katalysatormaterial eine Neubildung toxischer Sekundärschadstoffe grundsätzlich möglich ist. So entstehen in gewissen Filtersystemen in der Tat Nitroaromaten oder polychlorierte Dibenzodioxine und -furane (PCDD/F), wobei das katalytisch aktive Metall eine wesentliche Rolle spielt.
(Informationsdienst Wissenschaft und Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Pressemitteilung vom 11. Februar 2009)

Und dabei handelt es sich noch um durchaus erwartete Nebenprodukte...

Nicht erwähnt in der Pressemitteilung wurden allerdings die chemischen Voraussetzungen im Filtersystem selbst, die ebenfalls nicht ganz ohne sind. So wird seit einigen Jahren schon das seltene Erdenmetall "Cer" als katalytischer Treibstoffzusatz zum Einsatz gebracht, weil sein Oxid in der Lage sein soll, schon allein 90 Prozent der Rußteilchen aus den Dieselabgasen abzufangen.

Ursprünglich wurden Ruß- und Partikelemissionen in einem Keramikfilter aufgefangen und anschließend verbrannt. Doch bedeutete dies eine reichliche Verschwendung des begrenzten fossilen Gutes. Durch den französischen Chemikonzern Rhône-Poulenc - im übrigen zufällig auch der weltgrößte Produzent und Förderer von Cermetall - wurde dann ein Filtersystem in Umlauf gebracht, mit dem auf den ersten Blick eine wesentlich bessere Lösung angeboten werden konnte: Durch Zusatz nur geringer Mengen "Ceroxid" zum Kraftstoff wird die Verbrennung der Rußteilchen katalysiert, das heißt, die Abgase enthalten weniger oder gar keine Rußpartikel mehr.

Da das graue Metall selbst bisher wenig verwendet wird, weil es leicht anläuft, und schon durch Wasser, mit dem es ziemlich heftig unter Entwicklung von Wasserstoff reagiert, angegriffen wird und sich zudem bereits beim Ritzen mit einer Messerspitze entzündet (weshalb es in Spezialstählen und Lichtbogenkohle für Studio- und Flutlichtanlagen verwendet wird), bietet die Produktion von Ceroxid Rhône-Poulenc nun einen attraktiven neuen Absatzmarkt.

Dabei wird nur eine sehr geringe Menge als Zusatz benötigt: Etwa 50 Gramm Ceroxid auf eine Tonne Dieselkraftstoff (1400 Liter) reichen schon aus. Das bedeutet, daß ein Dieselauto während seiner gesamten Lebensdauer nur etwa 1,5 Kilogramm davon benötigt. Die Dieselmotoren müssen allerdings mit einer Ceroxid-Einspritzpatrone nachgerüstet werden, die zehn Jahre lang gebrauchsfähig bleibt und rund 300 Euro kostet.

Das rote Ceroxid wurde bisher nur zum Polieren von Glas verwendet. Auch in Wandverkleidungen selbstreinigender Backöfen kommt es vor, wobei das gleiche katalytische Prinzip für die Oxidation von Kohlenstoff ausgenutzt wird, hier allerdings in der Form von Koch- und Bratschmutz. Ce(4+)-Ionen gelten als ebenso stark oxidierend wie beispielsweise MnO4(-)-Ionen (Permanganat). Starke Oxidationsmittel haben sich in der Umwelt bisher immer als riskante und gesundheitsschädliche (oft cancerogene) Stoffe herausgestellt. Da erst in den letzten Jahren der Verbrauch von Cer angestiegen ist und damit auch seine Präsenz in der Umwelt, sind solche Erkenntnisse erst in der nächsten Zukunft zu erwarten.

Cer wurde 1803 von dem schwedischen Chemiker Jöns Jacob Berzelius und von Wilhelm Hirsinger entdeckt, die ihm den Namen in Anlehnung an einen damals gerade entdeckten Asteroiden, Ceres, gaben. Erst 70 Jahre später gelang es jedoch zwei amerikanischen Chemikern, William Hillebrand und Thomas Norton, das Metall in reiner Form darzustellen, was wegen der Ähnlichkeit zu anderen Lanthanoiden, anfangs sehr schwierig war. Bis heute kann man jedoch eine Verunreinigung mit anderen Lanthaniden, beispielsweise das radioaktive Promethium im Fertigprodukt, nicht völlig ausschließen, weshalb man die zusätzliche Verbreitung der Substanz über die Verbrennung von Dieselkraftstoffen, im Auge behalten sollte.

Doch wird dies alles nicht bei der Vermarktung des neuen Wundermittels erwähnt. Im Gegenteil gilt Cer nach wie vor als gesundheitlich besonders verträglich.

Da reines Cer als nicht toxisch gilt, werden seine Oxide und Sulfide in vielen verschiedenen Anwendungen, z.B. als Ersatz für giftige Farbpigmente wie Cadmium-, Quecksilber oder Bleiverbindungen, immer mehr verbreitet. Der Cerbedarf wird jedoch nicht nur durch den zunehmenden Einsatz von Kraftstoffadditiva und Farbstoffen steigen, auch Fernsehgeräte mit Flachbildschirmen, Energiesparlampen und magneto-optische CDs enthalten heute Cer.

Das bedeutet, daß die Nachfrage nach dieser "seltenen Erde" auf einige hundertausend Tonnen jährlich emporschnellen wird. Was gut ist für Rhône-Poulenc oder für China als dem Land mit einem der größten Vorkommen cerhaltiger Erze, ist aber möglicherweise nicht gut für die Menschheit: denn hier wird schon wieder eine Rohstoffressource ausgebeutet und in nanofeiner Verteilung in die Umwelt zerstäubt mit dem möglicherweise zweifelhaften Erfolg einer zumindest erhöhten radioaktiven Grundstrahlung.

Für die Preisverleihung ist das nicht relevant. Die Arbeit der Empa- Forschungsgruppe stieß allein schon deshalb auf große Beachtung, weil man nun offiziell einen international (auch von den Filterherstellern) akzeptierten, sogenannten "VERT-Eignungstests" für Partikelfiltersysteme (VERT = Verminderung der Emissionen von Real- Dieselmotoren im Tunnelbau) als Maßstab besitzt, und eine paßgerechte Norm (SNR 277205), welche die Grundlage für die Änderung der Schweizerischen Luftreinhalteverordnung (LRV) bildet, und nach der man also bewerten kann, ob ein Filtersystem gut ist oder nicht...

"Insofern ist unsere Forschung sehr praxisbezogen," sagt Heeb. "Vielleicht hat das die Jury mit bewogen, uns den Sandmeyer-Preis zuzuerkennen. Wir waren sehr überrascht und natürlich hoch erfreut über diese Würdigung."
(Informationsdienst Wissenschaft und Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Pressemitteilung vom 11. Februar 2009)

Und Hunderte von Arbeitern, von denen die dieselbetriebene Baumaschinen unter Tage bedient werden und die den Abgasen direkt ausgesetzt sind, müssen sich im Falle einer schweren Erkrankung die seltsame Frage gefallen lassen, auf welche Weise sie ihre Krankheit wohl selbst verschuldet haben, denn die gesundheitsrelevanten Normen täuschen Zugriff und Kontrolle vor, und schaffen somit die Grundlage dafür, Verantwortung in anderen Relationen zu betrachten.

13. Februar 2009