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UMWELTLABOR/274: Air Quality Index oder das Spiel mit der Reinheit (SB)


Was steckt hinter dem AQI

Vereinfachende Konzepte können tödlich enden



Soweit die eigene Nase reicht

Es scheint doch so einfach, die Güte der Luft festzustellen. Man muß nur mal seine Nase hineinhalten: Schlechte, d.h. mit Schwefel- oder Stickstoffoxiden, Rauch, Staub, Ruß, Aerosolen, Dämpfen und Geruchsstoffen unterschiedlichster chemischer Zusammensetzungen geschwängerte Luft, auch Ozon oder andere organische Komponenten, die nicht hinein gehören, machen sich in der Regel mit zumeist sofort reizender Wirkung auf Nase und Bronchien als Verschmutzungsanteile bemerkbar. Zudem fühlt sich der Konsument einer solchen chemisch kontaminierten Gasmischung müde, schlapp und antriebsarm, da die Schadstoffe den lebenswichtigen Sauerstoff verdrängen, ersetzen oder binden. Gute Luft dagegen läßt sich schmerzfrei einatmen, belebt und wirkt sich positiv auf das Allgemeinbefinden aus. So einfach ist das.

Smog über Peking - Foto: 2012 by snucklepuff, freigegeben via Geolocation als Creative Commons License (CC BY-ND-3.0 unported)

Bei hohen Smogwerten versagt das Umrechnungsprogramm für den AQI
Foto: 2012 by snucklepuff, freigegeben via Geolocation als Creative Commons License (CC BY-ND-3.0 unported)

Oder nicht? Da der sensible Nasensensor nur auf reizende Gase anspricht, sie aber nicht qualitativ und quantitativ zuordnen kann, geruchlose, tödliche Gase wie Kohlenmonoxid aber beispielsweise überhaupt nicht wahrnimmt und manche organische Substanzen bereits in geringsten nicht wahrnehmbaren Dosen toxisch sind, scheinen die zur Überwachung der Luftqualität zuständigen Meßnetze und -stationen, die an unterschiedlichen Positionen in den Bundesländern mit entsprechend hochsensiblen Meßgeräten die Zusammensetzung der Luft auf Schadstoffe überprüfen, doch eine sinnvolle und notwendige Einrichtung zu sein, um Veränderungen in der Luftqualität nachvollziehbar zu dokumentieren. Mehr aber auch nicht.

Denn um die Luftqualität tatsächlich zu verbessern, müßten genau genommen alle Einträge in die Atmosphäre am Entstehungsort verhindert, abgefangen und entsorgt werden. Ohne Frage sind eigentlich sämtliche Stoffe, die Fabrikschlote oder Auspuffrohre verlassen und nicht zu den natürlichen Atmosphärengasen [1] gehören, schädliche "Emissionen", und damit als Verschmutzung oder Luftbelastung anzusehen. Diese Sicht würde allerdings radikale Konsequenzen für Wirtschaft und Industrie nach sich ziehen, weshalb fraglich bleibt, ob Luftüberwachungsbehörden, die generell nur von Immissionen [2] sprechen, d.h. - den Begriff aufs wesentliche verkürzt - zwischen "guten" und "schlechten" Emissionen unterscheiden, überhaupt eine Verbesserung der Luftqualität anstreben. Da sich die Luftüberwachung auf nur noch fünf bis sechs "besonders beeinträchtigende oder spürbar schädliche" Schadstoffe beschränkt, Ozon, Feinstaub, Schwefeldioxid (SO2), Stickoxide (NOx) und Benzol, und sich damit eigentlich nur auf jene eingangs erwähnten Stoffe konzentriert, die ohnehin an Nase und Bronchien nicht unbemerkt vorbeikommen, scheint vor allem Wert darauf gelegt zu werden, daß Menschen vor Ort möglichst wenig von der ihnen zugemuteten Belastung erfahren.


Vereinfachen ...

Unter dem Vorwand, alles zu überwachen sei viel zu kompliziert und auch überflüssig und für den Verbraucher gar nicht mehr überschaubar, werden solche Einschränkungen in der Qualitätsabschätzung mit dem fadenscheinigen Argument "Vereinfachung" gerechtfertigt. Gleichwohl geben selbst die verfügbaren Dokumentationen der Überwachungsstationen nur demjenigen ein Bild über die Schadstoffkonzentrationen in der Luft, der die Zeit aufbringt, sich intensiv in die dort aufgeführten Meßwerte einzudenken. Und das ist bei den zumeist langen Zahlenkolonnen, den 8-Stunden Gleitwerten, Stundenwerten, Tages- oder Jahresmitteln, Höchst- und Grenzwerten, von denen dort die Rede ist, nicht wenig abschreckend. Was die Annäherung an toxikologische Grenzwerte über die eigene Gesundheitsgefährdung aussagt, läßt sich daran kaum nachvollziehen und über die Luftqualität sagt all das (aufgrund der vielen Auslassungen) schon gar nichts aus.

Beispielhaft für die vielleicht sogar gezielte Unübersichtlichkeit, um allzu intensives Bemühen gleich im Keim zu ersticken, sind die scheinbar überhaupt nicht miteinander vergleichbaren Grenzwerte für gleiche Schadstoffe. So sollen laut 23. Bundes-Immissionsschutzverordnung (23. BImSchV) die Werte für NO2 (Stickstoffdioxid) 160 µg/Kubikmeter Luft (mit einem 98-Perzentil [3]) nicht überschreiten. Der gleiche Schadstoff soll laut der EU Luftqualitätsrichtlinien 1999/30/EG und 2000/69/EG (ohne Toleranzmargen) den Wert von 40 µg/Kubikmeter im Jahresmittel, aber den Wert von 200 µg/Kubikmeter im Stundenmittel nicht überschreiten. Warum das Sinn macht, können zwar Luftexperten durchaus erklären, doch aus den Werten selbst läßt sich das nicht herauslesen. Noch verwirrender wird es, wenn der als gesundheitsschädlich geltende Grenzwert einer Substanz mit dem anderer Stoffe verglichen wird, wenn also 5 µg/Kubikmeter Benzol ebenso gesundheitsschädlich wie 40 µg/Kubikmeter NO2 und 40 µg/Kubikmeter Feinstaub im Jahresmittel sein sollen. [4] Auch das ließe sich vielleicht über die unterschiedliche toxische Wirkweise oder über die unterschiedlichen Angriffspunkte der Giftstoffe im Organismus erklären, doch darüber geben Zahlen und Grenzwerte allein keine Auskunft.

Vor diesem Hintergrund scheint der Ruf nach einem vereinheitlichenden, übersichtlicheren und vor allem aussageeindeutigeren System verständlich. Fraglich bleibt allerdings, was bei einer weiteren, alles umfassenden Vereinheitlichung dieser Vereinfachungen, die man sich beispielsweise von dem inzwischen international und EU-weit eingeführten sogenannten Luftqualität- bzw. Air Quality Index (AQI) verspricht, an wichtigen Informationen auf der Strecke bleibt. Und das ist nicht wenig.

Wenn heute von Luftqualität oder Luftbelastung gesprochen wird, werden nämlich immer seltener direkte Meßergebnisse, sondern einheitslose Kennzahlen angegeben, welche die Güte der Luft einer Art Schulnotensystem mit 6 oder auch 10 Gütekategorien bzw. Gefahrenstufen und entsprechend dramatischer Farbskalierung zuordnen. Tatsächlich ist man sich bezüglich der Indizes der Gruppenanzahl und der Farbwerte weltweit noch nicht wirklich einig. Kanada und die USA haben einen Air Quality Index (AQI), China hingegen einen Air Pollution Index (API) während in Europa vom Common Air Quality Index (CAQI) gesprochen wird. Dabei unterscheidet sich die Aufteilung des Indexsystems bereits in diesen vier Gruppen vor allem in den höheren Gefährdungsbereichen wesentlich voneinander, daß Angaben nicht mehr vergleichbar sind und umso mehr verwirren, je höher die Luftverschmutzung klassifiziert wird. Während die Kategorie der besten Luft immer bei 0 anfängt und meist blau oder grün auf der Farbskala markiert ist, kann die unterschiedliche Farbwahl bei der oberen Gefahreneinstufung (schwarz, dunkellila oder rot) im Ernstfall durchaus zu einer falschen Einschätzung der Gefahr führen. Soviel zur alles umfassenden Vereinheitlichung.

Im Prinzip gehen alle einzelnen Indizesberechnungen von der gleichen Formel aus, mit der immer eine Beziehung zwischen dem Meßwert je Schadstoff und dem dazugehörigen Grenzwert hergestellt wird. Je näher die beiden Werte zusammenliegen, bzw. je mehr der Meßwert den Grenzwert übersteigt, um so schlechter die Luftqualität. Das ist eigentlich nichts Neues. Letztlich wird jede gemessene Schadstoffkonzentration durch die Umrechnungsformel in eine ab- oder aufgerundete Kennzahl konvertiert, die dann - je nach Größe - den bereits durch einen oberen und unteren Indexwert festgelegten Verschmutzungsklassen zugeordnet wird. Eine Zahl von 50 wird, wie jede weitere darunter, somit beispielsweise der zweitbesten Klasse zugeordnet, obwohl 50 auch schon den unteren Grenzbereich der mittleren, also schlechteren Güteklasse kennzeichnet. Dieses Verfahren wird bei der Indexberechnung für alle ausgewählten Luftschadstoffe gemeinsam durchgeführt und damit dann auch Unvergleichbares wie 5 µg Benzol und 40 µg NO2 in die gleiche Verschmutzungs-Kennzahl umgewandelt.

Im Grunde bleibt es auch hier dabei: Je höher die Schadstoffkonzentration, um so höher wird der AQI und um so größer ist weiterhin auch die Gefährdung, die von dem Stoff ausgeht. Warum man nicht die Meßwerte direkt nimmt, sondern eine komplizierte Berechnung dazwischenschaltet, scheint somit wenig einsichtig. Das wird erst klar, wenn man das Gesamtprinzip verstanden hat.

Berechnungsformel für den AQI (Air Quality Index = Luftqualitätsindex) nach U.S. Environmental Protection Agency (EPA), EPA-454/B-09-001 2009 und Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, 2000, Werkvertrag B.-Nr. 7608/33 - Grafik: © 2013 by Schattenblick

Mit dieser Formel wird alles berechenbar, wenn man die entsprechenden Daten einliest. Doch was ist, wenn der Indexbereich nach oben offen bleibt...?
Grafik: © 2013 by Schattenblick

Da, wie gehabt, nur die prominenten Konzentrationen der unangenehmsten Schadstoffkomponenten betrachtet und in einen AQI umgerechnet werden, schafft die Formel etwas, das im alltäglichen Leben als unmöglich angesehen wird, nämlich verschiedene Schadstoffe unterschiedlicher Toxizität und Wirkweise, wie 5 µg/Kubikmeter Benzol und 40 µg/Kubikmeter NO2 in die gleiche Verschmutzungs-Kennzahl umzuwandeln und miteinander vergleichbar zu machen: also gewissermaßen Äpfel mit Pflaumen, Hunde mit Katzen, Längen mit Gewichten. Für alle Schadstoffe gilt dann bei einem AQI
von 0 bis 25 (sehr niedrige Luftverschmutzung = dunkelgrün auf der Farbskala),
von 25 bis 50 (niedrige Luftverschmutzung = hellgrün)
von 50 bis 75 (mittlere Luftverschmutzung = gelb)
von 75 bis 100 (hohe Luftverschmutzung = dunkelorange)
größer als 100 (sehr hohe Luftverschmutzung = rot).

Dafür wird die ursprünglich beobachtete, geringe Menge von sechs Schadstoffen nochmal zusammengestrichen, so daß nur AQIs für Stickstoffdioxid (NO2), Ozon (O3) und Feinstaub (PM 10 und PM 2,5) [5] berechnet werden und diese somit maßgebend für die Luftgüte sind.

Sowohl flüchtige, organische Komponenten (VOCs), Benzol, Blei und Schwermetalle oder toxische organische Mikroschadstoffe [7], aber auch weitere Stickoxide wie NO werden fernerhin nicht mehr bei Luftqualitätseinschätzungen berücksichtigt, was aber durch den Einheitswert nicht mehr zu erkennen ist. Zusätzliche Schadstoffe wie Kohlenmonoxid (CO) oder Schwefeldioxid (SO2) können nach belieben mit in die Qualitätsbeurteilung einbezogen werden, sofern Daten vorhanden sind, müssen aber nicht. [6]

Eine weitere Vereinfachung besteht darin, daß nur der Schadstoff mit dem höchsten AQI (bzw. CAQI) den Leitwert und somit die Luftgüte abbildet. Zwar wurden auch Berechnungsformeln für Indizes diskutiert, in denen man alle AQIs zu einem Gesamt-AQI aufsummieren wollte. Der Vereinfachung zuliebe wurde jedoch von diesem Konzept beim CAQI und auch den internationalen AQIs Abstand genommen. Das heißt, ein bereits für empfindliche Menschen gesundheitsrelevanter AQI von 85 kann von nun an entweder allein auf Ozon zurückgehen, auch wenn gleichzeitig noch weitere hohe Luftverschmutzungswerte für Feinstaub enthalten sind, er kann aber auch nur von NO2 stammen, auf das der Ozonempfindliche vielleicht nicht einmal reagiert.

Man stelle sich dieses System einmal auf eine andere Alltagssituation übertragen vor: Bei der vorgeschriebenen Kennzeichnung der Begleitstoffe von Lebensmitteln, die bereits laut entsprechender EU-Richtlinien, um die einschüchternd klingenden chemischen Namen abzumildern, auf die Aufzählung sogenannter E-Nummern reduziert wurde, würde man nun zwecks besserer Übersichtlichkeit nur noch den prominentesten Inhaltsstoff aufführen. Oder: Die offensichtlichste Zutat "Sahne" (Fett), zum Kalorien-Kennzeichen einer Torte genommen, würde dann aber die Anteile von Zucker und Stärke zurückdrängen, deren Angaben für Diabetiker vielleicht lebensnotwendig werden könnten.

Vergleichbar wäre dies auch mit toxischen oder krebserregenden Umweltgiften, die in einem vom Markt zurückgerufenen Lebensmittel gefunden wurden, von denen der Vereinfachung zuliebe (oder um Konsumenten dieser Produkte nicht nachträglich in Panik zu versetzen) nur ein Stoff genannt wird, obwohl die anderen Komponenten möglicherweise miteinander wechselwirken und sich sogar gegenseitig verstärken könnten.

Auch die Erfahrung, daß die in Frage kommenden vier Leitsubstanzen selten gemeinsam hohe Konzentrationen erreichen, weil beispielsweise Ozon von NO2 abgebaut wird, ist keine hinreichende Begründung für die Vereinfachung, da beispielsweise das gemeinsame Auftreten beider "Immissionen" ein Hinweis für solche Wechselwirkungen in der Atemluft ist. Diese gehen aber mit für Lebewesen nicht unerheblichen Reaktionsabläufen und Zwischenprodukten einher, wie eine kurzfristige, hochreaktive Radikalenbildung, die sich z.B. bei Inhalation auch in der Lunge abspielen kann.

Daß dieser Index weder eine Verbesserung der Luftqualität vorantreibt noch wirklich helfen kann, die Luft nach gesundheitsrelevanten Aspekten zu beurteilen, weil hierfür viel zu viele Angaben fehlen, liegt auf der Hand. Doch wozu ist er dann eigentlich noch gut?


Verschleiern ...

Mit ihm läßt sich letztlich so wunderbar einfach bestätigen, wie gut die Luft hierzulande doch ist, auch wenn die Nase hin und wieder etwas anderes sagt. So kann man z.B. auf der Webseite des Projekts "Common Information to European Air (CITEAIR und CITEAIR II) [8] trotz sichtbarer, unaufhaltsamer und meist auch spürbarer Emissionen von Verkehr und Industrie lesen, daß eben diese "sichtbare und wahrnehmbare Luftverschmutzung (Smog, Rauch oder Dunst) in den meisten Industrieländern in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen ist." Aufgrund gesetzlicher Vorgaben zur Luftreinhaltung sowie lokalen, nationalen und europäischen Initiativen - so liest man hier weiter - soll die Luftqualität hierzulande im sprichwörtlich grünen Bereich liegen. Und das unterstreicht die CAQI-Farbskala mit grünen Feldern oder Fähnchen. Verpestete Luft, Atemmasken...? Das gibt es nur noch in jüngeren Industrieländern mit niedrigen Umweltstandards wie China, das Anfang des Jahres mit Rekordsmogwerten in Peking von sich Reden machte [9]. Tatsächlich?

Die vermeintlich beste Luftqualität über Europa, wo die überwachten Zonen mit grünen Fähnchen winken, während riesige Gebiete ohne Fähnchen vermutlich gar nicht überwacht werden, wird aber bereits mit Meldungen z.B. der WHO ad absurdum geführt, die deutlich machen, daß schlechte Luft oder Schadstoffepisoden nicht allein auf China oder andere "bösartige Schadstoffemittenten" begrenzt bleiben: "Wer an stark befahrenen Straßen lebt", warnte die WHO vor kurzem, "lebt lebensgefährlich." Verbrennungsrückstände von Autoabgasen seien gefährlicher einzustufen als das Passivrauchen. Jährlich sterben laut WHO alleine in Deutschland bis zu 70.000 Menschen an schlechter Luft. [10]

Kurzum, die Luftqualität, immer noch in vielen Städten weltweit an der Tagesordnung und daher an vielen Orten rund um die Uhr gemessen, bleibt ein Problem, das zwar durchaus mit Sinnesorganen wahrgenommen und mit zunehmenden Krankheitsstatistiken belegt werden kann, durch den Air Quality Index jedoch zunehmend verdeckt und verschleiert wird.


Verenden ...

Lebensgefährliche Ausmaße erreicht das vermeintlich harmlose Vereinfachungsspiel allerdings vor allem im akuten Fall. In dem zuvor erwähnten Problemgebiet China wurde im Januar dieses Jahres nach Angaben des ChinaObserver vom 13.01.13 der Rekordwert von 630,6 µg/Kubikmeter als der bislang höchste 24-Stunden Wert für den extrem gesundheitsgefährdenden Feinstaubanteil PM 2.5 gemessen. Der absolute Spitzenwert wurde mit 886 µg/Kubikmeter am 12.01.2013 um 20 Uhr gemessen. Zwar liegt der gesundheitlich noch unbedenkliche Grenzwert (hierzulande 50 µg/Kubikmeter) in China mit 75 µg/Kubikmeter bereits wesentlich höher, so daß die chinesischen AQIs ebenfalls anders eingestuft werden, für Spitzenwerte wie diese gibt es jedoch keine Berechnungsgrundlage mehr. In Deutschland und Europa, wird ein PM 2.5 Wert über 70 µg bereits als gesundheitsgefährdend (hoher Luftverschmutzungsgrad) der CAQI Gruppe zwischen 75 und 100 zugeordnet, die Gruppe für den sehr hohen Verschmutzungsgrad endet bereits bei der Kennzahl größer als 100. Doch auch der mit wesentlich größeren Kennzahlen arbeitende chinesische API hat eine nach oben hin offene Obergrenze bei 300.

Das nach oben hin nicht abgeschlossene Intervall für die letzte Verschmutzungskategorie macht die Anwendung der Formel (siehe Abbildung) unmöglich und verhindert damit die Konvertierung in entsprechend hohe AQIs. Auf der Webseite der amerikanischen Umweltbehörde EPA [11] kann man versuchsweise einmal die genannten hohen Werte in das dafür vorgesehene Umrechnungsprogramm einlesen. Mit der Einblendung eines PopUp-Fensters "diese Angabe könne nicht stimmen", bzw. "The concentration number you have entered is out of range for this pollutant", wird man höflich darauf hingewiesen, daß dieser Meßwert den Grenzbereich verläßt, und somit nicht zu berechnen ist.

Zwar lassen sich durch einen Kunstgriff (nämlich den Grenzbereich der vorhergehenden abgeschlossenen Stufe alternativ zu verwenden) per Hand doch entsprechende Indexwerte zuordnen, die dann aber entsprechend gigantisch sind und in dem obigen Beispiel bis zu einen AQI von 900 gehen. Man sieht daran, daß das Konzept nicht für solche Ernstfälle geschaffen wurde und es im Zweifelsfall wichtig ist, auch weiterhin die aktuellen Schadstoffwerte der einzelnen Schadstoffe zu dokumentieren.

Eine internationale vereinheitlichende Vereinfachung könnte dann durchaus mit dem tragischen Ableben all jener enden, die die Alarmstufe rot oder lila bei einem AQI von 755 beispielsweise auf der Straße erwischt. Zwar würde diese alle Betroffenen im Einzugsbereich in ihre Häuser beordern - mit der Empfehlung Türen und Fenster zu verschließen wie bei einem Chemieunglück -, doch käme, falls man auf offener Straße vom "Smog" erwischt wird, ohne nähere Angaben zu den Gefahrstoffen (und darüber sagen die vier möglichen Leitsubstanzen für 755 rein gar nichts) möglicherweise jede Hilfe zu spät, bis man in alten Tabellen mögliche Zuordnungen herausgesucht und entsprechende Gegenmittel besorgt hat. Trotz immer feinerer Analyse und Meßgeräte bleibt offenbar nur noch die Nase oder prophylaktisches Stubenhocken, wenn man nicht selbst trotz einer generell einfachen Zahl zur aktuellen Luftqualität mit der Nase auf diese reizenden oder tödlichen (Luft-)Verhältnisse gestoßen werden will.

Anmerkungen:
[1] Die Lufthülle der Erde enthält etwa 78% Stickstoff (N2) und 21% Sauerstoff (O2). Das Edelgas Argon hat mit 0,93% einen höheren Anteil als Kohlenstoffdioxid (0,04% CO2). Wasserdampf ist je nach Trockenheit der Luft in veränderlichen Mengen enthalten. Alle anderen Stoffe, Edelgase (wie Neon, Helium, Krypton, Xenon) oder weitere durch natürliche oder durch anthropogene (durch menschliche Aktivitäten) bedingte Einträge in die Luft (Methan CH4, Wasserstoff H2, Lachgas N2O, Kohlenstoffmonoxid CO, flüchtige organische Verbindungen) kommen ebenso wie die aus Industriellen Emissionen stammenden Halogenkohlenwasserstoffe und andere Treibhausgase nur noch in geringen Spuren vor. Letztere mit großer Wirkung für die Klimaentwicklung. All das wird nicht als Verschmutzung gewertet.
[2] Eine genauere Begriffsbestimmung zu Emissionen und Immissionen findet sich im UMWELTLABOR/202:
http://www.schattenblick.de/infopool/natur/chemie/chula273.html
[3] Ein 98-Perzentil-Wert bedeutet, daß höchstens zwei Prozent der Meßwerte darüber liegen dürfen.
Doch was sagt eine solche Karte noch aus?
http://www.pollution-info.de/index.php?option=com_content&view=article&id=80&Itemid=90
[4] Beispiele sind dem Jahresbericht 2002 von Nordrhein-Westfalen entnommen
[5] PM kommt von Particulate Matter (kurz als PM-Standard bezeichnet), der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA (Environmental Protection Agency). PM 10 ist beispielsweise eine Kategorie für Teilchen, deren aerodynamischer Durchmesser weniger als 10 Mikrometer (10 µm) beträgt. Entsprechend beträgt der Durchmesser für Teilchen von PM 2,5 weniger als 2,5 Mikrometer. Letztere gelten als besonders gefährlich, da sie über die Lunge ins Blut gelangen können und sowohl für Herz-Kreislauf- wie auch für verschiedene Krebserkrankungen verantwortlich gemacht werden.
[6] siehe auch:
http://www.airqualitynow.eu/de/comparing_home.php
und:
http://www.airqualitynow.eu/de/about_indices_definition.php
[7] Toxische organische Mikroschadstoffe oder sogenannte TOMPs entstehen bei der unvollständigen Verbrennung von Treibstoffen oder Abfall. Sie umfassen einen komplexen Bereich von Chemikalien, von denen einige, obwohl in sehr kleinen Mengen emittiert, hoch toxisch und krebserzeugend sind. Komponenten in dieser Gruppe sind unter anderem PAK (Poly Aromatische Kohlenwasserstoffe), PCBs (Polychlorierte Biphenyle), Dioxine etc. Diese Stoffe können eine Vielzahl von Wirkungen wie Krebs, eine Anfälligkeit zu Störungen des Nervensystems und Einfluß auf die Entwicklung von Kindern haben. Für diese Stoffe gibt es keine Grenzwerte, bereits kleinste Dosen können Schäden verursachen.
[8] CITEAIR arbeitet mit Städten, auch solchen die nicht Projektpartner sind, mit der Europäischen Union (Generaldirektion für Umwelt), der Europäischen Umweltagentur (EEA) zusammen. Siehe auch:
http://www.citeair.eu
und:
http://www.airqualitynow.eu/de/pollution_home.php
[9] siehe hierzu auch:
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umkl-514.html
und
http://www.china-observer.de/index.php/2013/01/13/smog-in-chinas-hauptstadt-peking-erreicht-seit-tagen-alarmierende-hochstwerte/
[10] siehe auch:
http://www.pollution-info.de/index.php?option=com_jnews&act=mailing&task=view&listid=4&mailingid=4&listype=1&Itemid=999
[11] siehe auch EPA-Webseite:
http://airnow.gov/index.cfm?action=aqibasics.aqi
Umrechnungsprogramm:
http://airnow.gov/index.cfm?action=resources.conc_aqi_calc

6. Februar 2013