Schattenblick → INFOPOOL → NATURWISSENSCHAFTEN → CHEMIE


UMWELTLABOR/288: Seltene Erden - Schönrechnen innovativ ... (SB)


Seltene Erden - Wieviel Planet kostet der technische Fortschritt?

Über Aufwände, Verluste und irreversible Folgen ...


An 17 Elementen hängt der technische Fortschritt und vielleicht die Hoffnung dieser Welt. Sie heißen Scandium, Yttrium, Lanthan, Cer, Praseodym, Neodym, Promethium, Samarium, Europium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Holmium, Erbium, Thulium, Ytterbium, Lutetium, standen lange Zeit unbeachtet am Rande des Perdiodensystems der Elemente in der dritten Nebengruppe und stehen sich nicht nur durch diese schematische Einsortierung nahe. Sie kommen auch in der Natur fast immer gemeinsam in Mineralien und Erzen vor und bilden eine mit einfachen Mitteln und auch optisch kaum zu unterscheidende, graue Masse: Die Seltenen Erden (kurz: SE). [1] Ihre unverzichtbare Notwendigkeit für viele technische Funktionen und ihre unhinterfragte, selbstverständliche Förderung scheinen Grund genug, die damit vielleicht verbundenen Problematiken einmal eingehender zu betrachten und darüber aufzuklären.

Noch sagen den wenigsten Menschen diese unaussprechlichen Namen etwas, obwohl allein in Deutschland 46 Millionen Menschen täglich ihre Wangen an etwas drücken, das ohne SE nicht funktionieren würde, das Smartphone nämlich. Einige Milligramm bestimmter Seltenerdmetalle ermöglichen durch ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften, daß wir mit dem Telefon oder Handy heute auch im Internet surfen können. Das hatte man noch im Jahr 2000 für Science Fiction gehalten. Seltene Erden sind in der zunehmenden Miniaturisierung der Computertechnologie unentbehrlich: kein iPod, kein Handy, kein PC, kein Flachbildschirm, aber auch kein Hybridfahrzeug und kein Windrad, also Technologien, die in der aktuellen Klimadebatte im Zuge einer möglichen Dekarbonisierung diskutiert werden, kann ohne diese Stoffe hergestellt werden. [2] Sie sind der vermeintlich emissionsfreie Treibstoff der Moderne, für manche aber auch das Öl der Zukunft. Entsprechend wächst das weltweite Interesse für diese Rohstoffe kontinuierlich, wodurch sich bereits jetzt Konflikte anbahnen.

Doch während im Smartphone, in Computerchips oder Assistenzsystemen im Auto nur kleine Mengen oder gar Spuren vonnöten sind, können die eigentlichen Verschlinger der Seltenen Erden, nämlich von fossilen Energieträgern unabhängige Technologien, die eigentlich die Zukunft der Menschheit sichern und globale Probleme lösen helfen sollen, gar nicht genug davon bekommen. Das gilt beispielsweise auch für jene technischen Maßnahmen der alternativen oder erneuerbaren Energiegewinnung, mit denen fossile Energielieferanten wie Kohle, Öl und Gas eingespart werden sollen. Letztere macht man für 65 Prozent aller Treibhausgase in der Atmosphäre verantwortlich. Selten erwähnt wird, daß allein ein Hybrid-Fahrzeug zwanzig Kilogramm dieser spektakulären Rohstoffe verbraucht. Und nur eine einzige Windkraftanlage, das heißt, nur ein einziger "beflügelter Spargel" in der Landschaft mit einer Leistung von fünf Megawatt enthält 800 Kilogramm Neodym und 200 Kilogramm Dysprosium, zusammen mindestens eine Tonne Seltene Erden. Offshore-Anlagen mit höherer Leistung fressen mit mindestens vier Tonnen Seltenen Erden je nach Leistung noch entsprechend ein Vielfaches mehr. Und ein Upgrade der Technik bedeutet keine Einsparung, sondern oft noch mehr davon [3]. Dachte man doch bisher, daß es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Werkstoff- und Materialwissenschaften das Problem der Energiegewinnung mit einer an den Phantasietraum vom Perpetuum mobile erinnernden Lösung für die Ausnutzung von Naturkräften lösen könnten (neben Sonne und Wind werden auch Wasserkraft, Gezeitenkräfte oder sogar thermische Aufwindkraft diskutiert), mit dem sich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen ließen, nämlich den Energie- oder Wärmehunger der Menschheit stillen, ohne weitere, klimaschädliche Treibhausgase in die Atmosphäre zu blasen. [4] So könnte genau diese Abhängigkeit der Hochtechnologien von den Seltenen Erden die hieran geknüpften Hoffnungen, die doch eigentlich immer zuletzt sterben sollen, angesichts der damit verbundenen Aufwände, Verluste und irreversiblen Folgen und Schäden, nach denen bislang kaum einer fragte, schon bald begraben. Könnten sich die technologisch noch nicht völlig ausgeforschten und in ihren Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpften Seltenerdmetalle letztendlich im Stoffwechsel der Erde und dem durch Technik und Industrie geschürten Weltenbrand nur als kostenintensive Brandbeschleuniger erweisen?

Ohne Anspruch auf bessere Antworten oder Konzepte, aber auch ohne weitere Beschönigung soll in der folgenden Serie von bisher sechs geplanten Berichten auf die Widersprüche eingegangen werden, die sich im Verhältnis zum vermeintlichen Gewinn durch die in ihren Möglichkeiten noch völlig unausgeschöpften Hoffnungsträger für Umwelt, Klima oder Gesundheit ergeben: Nicht nur werden durch weitere Nachfrage mit dem dadurch intensivierten Bergbau immer mehr Löcher und Furchen in die geologisch schon stark herausgeforderte Erdkruste geschlagen, werden durch chemische und elektrochemische Gewinnung Umwelt und Lebewesen neuen Giften und toxischen Verhältnissen ausgesetzt, die sich bis jetzt noch nicht absehen lassen. Auch der Ausverkauf der Erde, hinter dem extrem gewalttätige und menschenverachtende Implikationen stecken, qualifiziert sich durch diese schwer zu beschaffenen und aufwendig zu extrahierenden Elemente.


Nur Kohle im Feuer

Mit den essentiell notwendigen Seltenerdmetallen, die Sonne und Wind in eine abgreifbare und nutzbare Form verwandeln sollen, endet der Traum von den frei verfügbaren Energieträgern der Natur, die nur noch technologisch abgegriffen werden müssen, endgültig. Vergleichbar mit dem klassischen Konzept der Energiebereitstellung, einem Holzfeuer, das Wärme spendet, aber ständig mit Brennstoff gefüttert werden muß, scheint der Verschleiß an Seltenen Erden bei den "erneuerbaren Energien" zunächst nur ein geringer Preis gegenüber dem immensen Nutzen. Dieser wird durch die Nutzungsdauer der jeweiligen Anlage bestimmt, in der die Seltenen Erden entsprechend in Solarpanels, den Magnetlegierungen der Elektromotoren oder in der hitzebeständigen Beschichtung im Inneren der Windkraftrotoren gebraucht werden.

Bei Windkraftanlagen beträgt diese in der Regel 20 Jahre, was im Vergleich zu anderen Kraftwerken keine besonders lange Einsatzzeit ist. Unter den wechselnden Wetterbedingungen sowie den verschiedenen lokalen Einflüssen des Standorts oder des Windregimes ist der Betrieb zudem so anspruchsvoll, daß die Anlage während dieser Zeit regelmäßig sorgfältig gewartet werden muß, um die 20 Jahre überhaupt zu erreichen. Ganz ähnlich sieht es mit Anlagen aus, die mit Photovoltaik- oder Solarthermie-Technik Strom oder Wärme bereitstellen sollen. Sie gehen in den Wirtschaftsbilanzen mit einer Gesamtbetriebslaufzeit von 20 Jahren ein, in der sie sich selbst tragen sollen, sind dabei aber bereits in der Anschaffung und Installation so kostspielig, daß sie sich erst nach 10 bis 15 Jahren amortisieren. [5] Dazu kommen Kosten für Wartung und Pflege, um die Betriebszeit überhaupt ausschöpfen zu können. Der eigentliche Aufwand, der somit indirekt auch mit diesen Metallen zu tun hat, ist nicht unbedingt offensichtlich. Und er ist nicht der einzige, unsichtbare Aufwand in diesem Zusammenhang, der zur Verschleierung der Widersprüche beträgt.

Ganz gleich, welche Seltenerdmetalle in den Anlagen verwendet wurden, nach 20 Jahren müssen sie gewissermaßen erneut beim Rückbau der Anlagen gewonnen werden, wenn sie nicht auf den Schrott- und Müllhaufen dieser Gesellschaft verloren gehen sollen. Und das ist, wie bereits eingangs erwähnt, eine recht große Menge, die im anderen Fall die Umwelt belastet. Die weit verbreitete Vorstellung, daß Seltene Erden immer nur in geringen Mengen zur Anwendung kommen, muß revidiert werden und betrifft auch den Umfang der Beschaffung. Reale Zahlen wie ein bis vier Tonnen, je nach Größe der Windenergieanlage, sprechen eine deutliche Sprache.


Fallbeispiel: Energiewende China

Wenn China seine Windenergieleistung wie geplant bis 2020 von 12 Gigawatt auf 100 Gigawatt beziehungsweise 100.000 Megawatt erhöhen will und, ausgehend von einer 5 Megawattanlage, etwa pro Megawatt 200 Kilogramm Seltene Erden benötigt werden, dann reicht ein einfacher Dreisatz, um einen Berg aus 20 Millionen Kilogramm Seltene Erden aufzutürmen. Doch das wäre nur das reine Element. Eine hochwertige Lagerstätte kommt im Schnitt nur auf Minerale, die etwa 10 Prozent Seltenerdoxide enthalten, die noch in Metall umgewandelt werden müssen. Und diese 10 Prozent enthalten wieder nur Bruchteile der verschiedenen Elemente, davon vielleicht nur vier verschiedene Leitelemente in für den Abbau lohnenden Mengen. Nicht immer sind diese vier oder fünf Substanzen auch die Stoffe, die industriell benötigt werden. Dysprosium, das beispielsweise in großen Mengen für den Umstieg auf Windkraft benötigt wird, ist am Aufbau der Erdkruste nur zu 0,00042 Gewichtsprozent beteiligt und in nur wenigen Mineralen enthalten, die derzeit für die industrielle Verwertung abgebaut werden. Laut einer Studie der TU Berlin kommt in Xenotimen, SE-haltigen Mineralen, im Höchstfall ein Prozent Dysprosium vor. (Und das ist nicht einmal sicher, denn in anderen Quellen wird Dysprosium als Inhaltstoff von Xenotimen gar nicht erwähnt). Geht man von dieser idealisierten Menge im beschriebenem Rechenbeispiel aus, würde sich der imaginäre Mineralhaufen für die chinesische Energiewende um den Faktor 100 bis 1000 erhöhen, wobei noch nicht die Menge an Gestein berücksichtigt ist, die ausgehoben werden müßte, um das reine Mineral zu gewinnen. Die energieaufwendige Hebung dieses Schatzes, der sich allein aus diesem Bild ergibt und die Menge an CO2, das hierfür in die Luft geblasen wird, relativieren das Bild von einer klimaschonenden Technologie.

Doch ist dies nur ein Teil des unsichtbaren Aufwands und des Verschleißes, durch den Seltenerdmetalle vergleichbar mit Kohle, Öl oder Gas zu endlichem "Brennstoff" werden, der bei ihrer Förderung, Abscheidung und Aufarbeitung stattfindet. Bis zur Nutzung sind weitere energieaufwendige Produktionsprozesse vonnöten, die mit einem gewaltigen und abzuführenden Auswurf an toxischen, gesundheits- und umweltschädlichen Abfallprodukten einhergehen, entsprechenden Emissionen, die in zahlreichen Verfahrensstufen und an energieaufwendig hergestellten Hochsicherheits-Produktionsstätten stattfinden. So daß man sich fragt: Wieviel Planet Erde kostet dieser Fortschritt, wieviel Planet muß mechanisch umgesetzt, das heißt abgebaut und bearbeitet werden und wieviel Erde läßt sich damit retten?


Die Anteile der Volksrepublik China (rot) und der USA (blau) sind hervorgehoben - Grafik: by USGS

Weltgesamtproduktion von Seltenen Erden im Zeitraum 1960 bis 2012
Grafik: by USGS

Zunächst einmal soll der Frage nachgegangen werden, warum Seltene Erden so aufwendig zu beschaffen sind.


Nomen est Omen?

Man könnte meinen, die Bezeichnung "Seltene Erden" stünde bereits für den Anteil dieser Stoffe in der Erdkruste und damit für den notwendigen Aufwand, sie daraus zu extrahieren und zu konzentrieren. Die Umschreibung als "selten" bezieht sich genaugenommen auf die geringe Anzahl abbauwürdiger Vorkommen in der Welt, also auf die konzentrierteren Ansammlungen der "Seltene Erden" enthaltenen Ressourcen in der Erdkruste, die sich wirtschaftlich fördern lassen. Der zweite Teil des Namens "Erden" erklärt, daß die Metalle in der Natur sämtlich als Oxide vorliegen, was man in der Chemie als "Erden" bezeichnet. [6]

Manche Seltenerdmetalle sind nicht einmal selten. Das Häufigste, Cer, nimmt mit 60 ppm (= Parts per million/ Teilchen pro Millionen) sogar Platz 25 auf einer imaginären Rankingliste der häufigsten Elemente in der Erdkruste ein. Es ist in einer größeren Menge über den gesamten Planeten verstreut zu finden als die schweren Metalle Blei (18 ppm) oder Gold (0,004 ppm) [7, 8]. Dennoch lohnt sich der Abbau dieser winzigen, quasi unter unseren Füßen vorkommenden Mengen nicht.

Das hängt nicht nur mit der aufwendigen Extraktion dieser geringfügigen Konzentrationen in der Erdkruste zusammen, sondern auch damit, daß diese Elemente, wie manche Chemiker sagen, wie Pech und Schwefel zusammenhalten. Insbesondere für die Gruppe der Lanthanoide gilt, daß sie alle fast identische chemische und physikalische Eigenschaften aufweisen. Das erschwert die ebenfalls auf chemischen und physikalischen Techniken basierenden Trennmethoden, wenn reine Metalle benötigt werden. Die Oxide der Seltenerdmetalle (Seltenerdoxide) kommen zudem stets vergesellschaftet, das heißt zusammen, in diversen natürlichen Mineralen vor. Es gibt somit kein Mineral, das für den Abbau eines bestimmten SE-Metalls prädestiniert wäre, nur leichte Unterschiede in der vielleicht lukrativen oder wirtschaftlichen Menge.

So sind für die industrielle Nutzung bislang vor allem die Elemente Neodym, Yttrium, Lanthan, Cer, Praseodym, Samarium, Europium und Gadolinium von Interesse. Das beschränkt den Abbau auf Mineralen wie Monazit und Bastnäsit, da diese zumindest relevante Mengen davon an Cer, Lanthan, Neodym und Praseodym enthalten. Würde sich das industrielle Interesse auf weitere SE-Metalle ausdehnen, die noch in Spuren im Mineral vorkommen können, erhöht sich bereits der technologische Aufwand, da der Abraum einer zusätzlichen Extraktion und Trennung unterzogen werden muß.

Ebenfalls berücksichtigt werden müssen dabei auch die chemisch und physikalisch ähnlichen, radioaktiven Elemente, etwa Thorium und Uran, die besondere Sicherheitsvorkehrungen erforderlich machen und die Ausbeute verringern. Daneben enthält ein Mineral auch noch ein Grundgerüst (kristalline Strukturen) aus anderen anorganischen Stoffen, so daß auch ein sehr ergiebiges Seltenerdmineral wie Xenotim oder Bastnäsit im Höchstfall aus 50 bis 55 Prozent Seltenerdoxiden besteht. Im Monazit lassen sich sogar "nur" 30 Prozent finden, was mit seinem besonders hohen Gehalt an den hier eingebauten, radioaktiven Stoffen zusammenhängt.

Diese immer noch äußerst idealen Werte von 30 bis 50 Prozent gelten nur für einige besonders reichhaltige chinesische Vorkommen und werden in den natürlichen Lagerstätten selten erreicht. Laut einer Recherche des Instituts für Technischen Umweltschutz der TU Berlin [9] kommt eine hochwertige Lagerstätte wie Mount Weld in Australien letztendlich auf einen Anteil von 10 bis höchstens 23 Prozent Seltenerdoxide, und das in einer Ressource von insgesamt nur einer Millionen Tonnen Erz, die sich daraus maximal fördern läßt. Die meisten Vorkommen enthalten jedoch weit weniger.

Je nach mineralischer Zusammensetzung wird zudem eine ganz spezifische Behandlung erforderlich, vor allem, wenn das Gestein radioaktiv belastet ist. Dazu kommt, daß die ebenfalls enthaltenen Spuren anderer SE-Metalloxide die chemische Trennung oder Abscheidung der von der Industrie gewünschten Stoffe behindern können.

Abgesehen vom technischen Aufwand sind die Hochtechnologien der meisten Industrieländer importabhängig. Entweder reichen die eigenen Reserven nicht oder existieren nicht in ausreichender Menge oder es sind andere als derzeit benötigt werden. Die sich dadurch ergebenen geostrategischen Überlegungen verlagern weitere Umstände auf die politische Ebene:

Ungefähr die Hälfte der bekannten Reserven abbauwürdiger Vorkommen liegen in der Volksrepublik China, das immer noch etwa 97 Prozent aller Seltenen Erden für den Weltmarkt stellt. Weitere größere Lagerstätten, die aber nur einen Bruchteil der chinesischen Vorräte beherbergen, befinden sich in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion (17 Prozent der weltweiten Reserven), vor allem in Rußland und Kasachstan. Erst an dritter Stelle mit 12 Prozent der weltweiten Reserven liegt das Staatsgebiet der USA. Außerdem gibt es vergleichsweise kleinere Vorkommen in Australien, Indien, Grönland, Kanada, Malaysia, Madagaskar, Südafrika, Thailand und Sri Lanka. Auf die sich daraus ergebenen geostrategischen Besonderheiten soll in den nächsten Folgen noch eingegangen werden. Nicht unerwähnt bleiben sollte im Zusammenhang mit den erforderlichen Aufwänden, daß auch kleinste Vorkommen wie das im sächsischen Storkwitz, Deutschland und andere mühevoll und unattraktiv zu erschließende Ressourcen in großen Erdtiefen oder im Meeresboden bereits erkundet werden, um von den potentiellen politischen Druckmitteln, die China durch seine Monopolstellung ausspielen könnte, unabhängig zu werden.

In Storkwitz sollen schätzungsweise 20.000 Tonnen [10] der kostbaren Metalle liegen. Historische Berechnungen der DDR-Geologen gingen sogar von einem Volumen von 40.000 Tonnen aus, wenn man bis zu 900 Meter Erdtiefe vordringt. Die Storkwitz AG befindet sich noch in der Explorationsphase, wofür sie die Lagerstätte bis 1.200 Meter anbohren will, um diese Zahlen zu bestätigen und bei besseren Preisen am Weltmarkt mit der Exploitation zu beginnen. Das fragliche Vorkommen befindet sich nur 500 Meter von der 153 Einwohner fassenden Ortschaft entfernt unter einer 1000 Quadratmeter großen Fläche. Inwieweit die Förderfirma tatsächlich wie versprochen im unterirdischen Bergbau das Vorkommen abbauen wird oder ob die dafür notwendigen Kosten letztlich doch zu groß sind, ist noch fraglich. Ein offener Tagebau würde der Landschaft den Ort kosten und nicht nur das.

Dennoch würde ein gesamter Abbau dieser Reserven nur 20 bis 40 Prozent der einmaligen chinesischen Jahresproduktion von 2013 abdecken. Der zu erwartende Seltenerdoxid-Gehalt im sächsischen Bastnäsit liegt zudem mit 0,48 Prozent noch weit unter den australischen Reserven in Mount Weld oder anderen Minen durchschnittlicher Förderung - zumal sich die industriell nutzbaren Elemente auf Bruchteile reduzieren werden. Dazu kommt, daß die sächsische Lagerstätte eine schwer zugängliche Form einnimmt. Wie eine Flasche zieht sich das Lager in große Tiefen. Das allein setzt den bergbautechnischen Aufwand in ein von manchen Geologen höflich als Herausforderung bezeichnetes Verhältnis zu einem Schatz, der nur mit gewaltigen, fossile Treibstoffe verschlingenden Maschinen und Bohrtechnik zu heben ist. Noch weniger offensichtlich sind die Aufwände an Material, Tewchnologie und Energie, die der weitere Weg vom Rohstoff bis zum Endprodukt erfordert.

Nach der Förderung des Erzes beginnt die mechanische Zerkleinerung, je nach Industriestandard des Abbaugebietes durch Menschenkraft oder in energiefressenden Gesteinsmühlen. Weitere Aufschlußverfahren erfordern den Einsatz von konzentrierter Schwefelsäure und Natronlauge, um die Seltenerdoxide von anderen Bestandteilen des Erzkörpers zu isolieren, wonach sie aber noch immer als Mischung vorliegen. Die mühselige Trennung der Seltenerdoxide untereinander und voneinander erfolgt dann durch zahlreiche Schritte in verschiedenen Prozessen und komplizierten Arbeitsgängen, mit Ionenaustauschern und Flüssig-flüssig-Extraktionen in Anlagen der chemischen Industrie.

Bei allen Prozessen werden durch die in den Mineralen gebundenen radioaktiven Schadstoffe, Schwermetalle oder andere Schadstoffe, die dabei entstehen oder freigesetzt werden, nicht nur die Umwelt und das unmittelbare Umfeld geschädigt, sondern auch immer wieder in die Produktion eingebundene Menschen wissentlich schwersten Belastungen ausgesetzt. Neben den sozialen Konflikten wird sich die kommende Folge den sich daraus ergebenen toxischen Konsequenzen und potentiellen Umweltschäden widmen.

Verglichen mit dem eingangs beschriebenen, wärmenden Feuer, dessen Hüter unentwegt Kohle oder andere Brennmaterialien nachschaufeln müssen, die an manchen Stellen der Erde Abraumhalden und bei ihrer Verbrennung klimaschädliches CO2 verursachen, wirken die Seltenen Erden und ihre Gewinnung tatsächlich wie Katalysatoren im zerstörerischen Gesamtaufwand. Katalysatoren zeichnen sich gemeinhin dadurch aus, Reaktionen zu fördern und selbst unversehrt daraus hervorzugehen. Und so scheint das Auftürmen der Berge an giftigem Schutt und Abraum sowie der für die Förderung jeweils notwendige Kohle-Tagebau oder die Ölförderung mit allen schmutzigen Begleiterscheinungen bei der Gewinnung von Seltenen Erden bereits jetzt einen exponentiellen Verlauf und neue globale Probleme mit sich zu bringen, gegen die sich die heutige Sorge um das Klima wie eine Frage nach dem Wetter ausnimmt.


Anmerkungen:

[1] Die Gruppe der Metalle der Seltenen Erden (auch: Seltenerdmetalle) umfaßt alle Elemente der dritten Nebengruppe, ausgenommen der Actinoide. Metalle der Seltenen Erden sind demnach die Elemente Scandium, Yttrium und die 15 Lanthanoide.

[2] dpa. Seltene Erden bleiben knapp. Handelsblatt, 2013.
http://www.handelsblatt.com/finanzen/rohstoffe-devisen/rohstoffe/hightech-metalle-seltene-erden-knapp/9252368.html
(abgerufen am 25.11.2015)

[3] Das Hybrid-Fahrzeug Typ "Prius" der Firma Toyota benötigte bereits 2009 etwa 10 bis 15 Kilogramm Lanthan für seine NiMH-Akkus. Dazu kommen noch ein Kilogramm Neodym. Um die Wirtschaftlichkeit des Kraftstoffverbrauchs zu steigern, plante die Firma die doppelte Menge davon für das Nachfolgemodell. Siehe auch:
Steve Gorman. As hybrid cars gobble rare metals.Reuters, 2009.
www.reuters.com/article/2009/08/31/us-mining-toyota-idUSTRE57U02B20090831
(abgerufen am 02.12.2015)

[4] einige Beispiele für ungewöhnlichere Ideen in diese Richtung, siehe:
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0090.html

[5] mehr dazu:
https://www.wind-energie.de/themen/technik/betrieb

[6] Beispiele dazu finden sich vor allem in umgangssprachlichen Bezeichnungen wie Kalkerde für Calciumoxid (gebrannter Kalk) oder andere Verbindungen der Erdalkalielemente (Elemente der 2. Hauptgruppe) usw.

[7] James B. Hedrick. Rare-Earth Metals. U.S. Geological Survey Minerals Yearbook, -:61.1, 1997.
oder
David R. Lide. CRC Handbook of Chemistry and Physics, chapter Geophysics, Astronomy and Acoustics, page 14. CRC Press, 2005.

[8] Cer wurde bereits 1803 entdeckt, seine Eignung für Zündsteine (es entzündet sich bereits bei 65 Grad Celsius) und als Leuchtstoff für die Dotierung von Glühstrümpfen in Gaslaternen aber erst 100 Jahre später erkannt. Auch heute wird es für mindestens 15 verschiedene, technische Anwendungen gebraucht, die allerdings allesamt für den fortgeschrittenen Lebensstandard der westlichen Industriestaaten kennzeichnend sind und damit für Verschleiß, CO2-belastende Verbrennung und Umweltverschmutzung. Industriell genutzt wird es als Mischmetallzusatz bei Eisenbasislegierungen in der Metallurgie, für Spezialeffekte (Erzeugung von Funkenregen), in Zündsteinen; und in isolierter Form:
- zur Stabilisierung des keramischen Katalysatorträgers aus Aluminiumoxid für Autoabgaskatalysatoren
- als UV-Absorber
- Enttrübungsmittel in der Glasherstellung
- zur Färbung und Entfärben von Glas und Emaille
- als Poliermittel in der Glasbearbeitung
- Dotierung von Fluoreszenz-Farbstoffe (Leuchtstoffe) in Bildröhren und weißen Leuchtdioden
- Dotierung in Glühstrümpfen
- in der Beschichtung von selbstreinigenden Backöfen
- als Oxidationsmittel in der Quantitativen Analyse (Cerimetrie)
- als Kontrastmittel bei Kernresonanz
- als Leuchtstoff in Gasentladungsröhren
- zur Regeneration von Rußpartikelfiltern
- als Teil von nichtedelmetallhaltigen Aufbrennlegierungen in der Zahntechnik (Keramik)
- als Oxidationsmittel für organische Synthesen
US-amerikanische Wissenschaftler forschen momentan daran, mit Hilfe von Cer (und Sonnenlicht) aus Wasser Benzin herzustellen.

Bei der Regeneration von Rußpartikelfiltern wird Cer dem Dieselkraftstoff beigemischt, damit die für die Regeneration notwendige Verbrennungstemperatur von über 500 Grad Celsius erreicht werden kann. Das ist zwar für die Schonung des Motors notwendig, aber im weitesten Sinne nicht besonders nachhaltig.

[9] Lücht, M.; Momsen, R.; Niemann, K.; Recherche zur Rohstoffgruppe der Seltenen Erden, 16. April 2014, Freie wissenschaftliche Arbeit im Fach Umweltmanagement an der Technischen Universität Berlin.
http://www.reuse-computer.org/fileadmin/user_upload/documents/Artikel/UM_Recherche_Seltenerdmetalle.pdf
(abgerufen am 1.12.2015)

[10] Christoph Böckmann, VDI-Nachrichten, "Was wurde aus den sächsischen Seltenen Erden" 7.2.2014
http://www.vdi-nachrichten.com/Technik-Wirtschaft/Was-saechsischen-Seltenen-Erden
(abgerufen am: 01.12.2015 )
und
Franz Nestler. Seltene Erden erstmals in Deutschland bestätigt. FAZ, -:-, 17. Januar 2013.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/rohstoffeseltene-erden-erstmals-in-deutschland-bestaetigt-12046040.html
(abgerufen am: 01.12.2015 )

6. Dezember 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang