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UMWELTLABOR/299: Kohlenasche - Kontamination stärker als erkannt ... (SB)



Jedes Jahr produzieren Kraftwerke nicht nur Strom und Wärme, sondern auch immense Mengen an Müll. Die Lagerung und Entsorgung dieser Hinterlassenschaften stellen allerdings weltweit ein Problem dar, für das es nur wenige, meistenteils sehr schlechte Lösungen gibt. Doch während zumindest hin und wieder die Risiken durch radioaktive Abfälle, die beim Betrieb von Atomkraftwerken anfallen, diskutiert werden, hat man bei anderen Energieträgern, wie die wegen des Ausstoßes an klimarelevantem CO₂ in Verruf geratenen "Fossilen" (Kohle, Erdgas oder Öl), mögliche weitere Gefahren für Umwelt und Gesundheit weniger im Blick. Doch die sind bei mehr als 800 Milliarden Tonnen an Kohlenasche, die dabei jährlich anfallen, wesentlich größer als bisher vermutet. Laut einem Vergleich, den der Deutschlandfunkjournalist Volker Mrasek in einer Sendung vor drei Jahren anstellte [1], würde allein diese Abfallmenge ausreichen, um 100 Fußballfelder unter einer einen Kilometer dicken Kruste aus Kohlenasche verschwinden zu lassen. Und tatsächlich werden auf diese Weise die Abfälle der Energiegewinnung unaufwendig zu Hügeln oder Halden auf dem Gelände ihrer Anlage bis zu 30 Meter hoch aufgetürmt, so daß man kein Fachmann sein muß, um zu erkennen, daß diese Art der Billigstentsorgung zumindest rutschgefährdet ist. Da alle Kraftwerke viel Wasser brauchen und vorzugsweise in der Nähe von Wasserläufen errichtet werden, wird die nächste Umweltkatastrophe auf diese Weise schon vorprogrammiert. Allerdings scheinen die Berge noch immer nicht bedrohlich genug zu sein, um den Verantwortlichen als potentielle Gefahr ins Auge zu springen. Der Umgang mit der Asche wird nach wie vor "lax" gehandhabt, trotz zahlreicher umweltgefährdender Unglücke in der Vergangenheit.


Die Nähe der Ascheberge zum Fluß Dan und die problematische Drainageführung wurde bereits 2013 schematisch anhand einer Luftaufnahme des Geländes dargestellt. - Foto: 2013 U.S. Environmental Protection Agency (EPA), Atlanta, GA. / Eden NC Coal Ash Spill. (gemeinfrei)

Gefahr erkannt, aber nicht gebannt.
Foto: U.S. Environmental Protection Agency (EPA), Atlanta, GA. / Eden NC Coal Ash Spill. (gemeinfrei)


Blick auf das eingestürzte Kohlenaschebecken und das geschlossene Kraftwerk der Dan River Steam Station (Duke Energy), Eden, North Carolina. - Foto: 2014 by Waterkeeper Alliance/Rick Dove CC-BY-NC-2.0 [creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/] via Flickr

Am 2. Februar 2014 vergifteten 82.000 Tonnen Kohlenasche durch den Bruch einer Entwässerungsleitung den Dan.
Foto: 2014 by Waterkeeper Alliance/Rick Dove CC-BY-NC-2.0 [creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/] via Flickr


Begleiterscheinung des Klimawandels: Rutschende Aschehalden?

Die problematischen Zusammenhänge hätten bereits 1998 erkannt werden können, als ein gewaltiger Aschekoloß im Bundesstaat Tennessee kollabierte und vier Millionen Kubikmeter Ascheschlamm den einfachen Erddamm, der den Müll zurückhalten sollte, durchbrachen. Der Aschestrom richtete große Schäden in einem Tal an, zerstörte Häuser und löste in den Wasserläufen der Region ein beispielloses Fischsterben aus. Denn Kohlenaschen sind nicht nur schmutzig, sie enthalten jede Menge an toxische Substanzen. Je nach Abbaugebiet können das Arsen, Beryllium, Bor, Blei, Cadmium, Chrom, Fluor, Kobalt, Kupfer, Lithium, Mangan, Molybdän, Nickel, Quecksilber, Selen, Sulfat aber auch Thallium, Vanadium oder Zink sein. Die Verbindungen sammeln sich in wahlloser Zusammensetzung und Konzentration bei der Verbrennung von Kohle in jeder Form der unter dem Oberbegriff "Kohlenaschen" zusammengefaßten Verbrennungsrückstände, wie die dabei entstehende Schlacke, die pulverartige Flugasche, die in Kaminen zu finden ist, sowie den synthetischen Gips, ein Nebenprodukt aus den Abgasen der Kraftwerke. Diese Materialen lagern jahrzehntelang in Deponien über oder unter der Erde und das auch noch, wenn die Kraftwerke für die Energiewende oder aus klimapolitischen Gründen längst geschlossen wurden. US-weit gibt es mehr als 1100 davon.

Rutschende Aschehalden und andere Unfälle auf Aschedponien, bei denen Schadstoffe in Grund- und Fließgewässer eingetragen werden, sind in den Vereinigten Staaten kein Einzelfall. Seit 12 Jahren wurden mindestens 50 Vorfälle dieser Art registriert, zuletzt 2018 in North Carolina durch die Hochwasserkatastrophe in Folge des Tropensturms "Florence" [2]. Sie entstehen auch, wenn bei einer Routine-Inspektion etwas übersehen wird - etwa Anzeichen von Erosion oder Aussickern - oder wenn die Ascheansammlungen im Freien zu feucht werden. Das Material liegt dann nicht mehr fest vor und gibt der Schwerkraft nach. Und: "Wenn zu viel Regen auf einen Schlag fällt, werden die Dämme sehr leicht durchlässig", erklärte Dr. Rebecca Lordan-Perret (Universität Basel) vor drei Jahren im Deutschlandfunk. [1]

Umweltkatastrophen dieser Art werden demzufolge vor dem Hintergrund der Klimaveränderungen eine weitere Dimension erhalten, denn sie könnten bei der sich abzeichnenden, krassen Zunahme von Häufigkeit und Intensität der Wetterphänomene - von Starkregenereignissen bis zu Hurrikans (s.o.) - weltweit anwachsen, wenn sich die Praktiken der Aschelagerung und -entsorgung nicht ändern. An dieser Stelle soll sich jedoch vor allem mit der permanent stattfindenden schleichenden Kontamination der Umwelt und vor allem des Grundwassers befaßt werden, die in besorgniserregenden Ausmaß alle aktiven wie stillgelegten Deponien betrifft.


Einbruch des Schutzwalls auf dem Gelände der Duke Energy Station. - Foto: 2014 U.S. Environmental Protection Agency (EPA) / Eden NC Coal Ash Spill. (gemeinfrei)

Dammbrüche sind kein Einzelfall.
Foto: U.S. Environmental Protection Agency (EPA), Atlanta, GA. / Eden NC Coal Ash Spill. (gemeinfrei)

Zu diesem Ergebnis kam eine bis heute wenig beachtete Studie, die gemeinsam von einer Vielzahl an US-Umweltorganisationen wie Environmental Integrity Project, Earthjustice, Prairie Rivers Network und Sierra Club zur Verschmutzung des Grundwassers durch Kohlenaschedeponien durchgeführt wurde und bereits im Herbst letzten Jahres erschien. Nach Durchsicht und Analyse der von Kraftwerkbetreibern zur Verfügung gestellten Monitoring Daten wurden im Umkreis von 242 von insgesamt 265 Kohlekraftwerken der Vereinigten Staaten etwa 20 verschiedene toxische Chemikalien in unterschiedlichen Kombinationen in umliegende Gewässer freigesetzt. Kritische Werte wurden dabei beispielsweise für Selen, Quecksilber, Cadmium und Arsen festgestellt, die laut EPA entweder krebserregend oder mit anderen schwerwiegenden gesundheitlichen Auswirkungen verbunden sind. Bei 60 Prozent der Anlagen wurden zudem erhöhte Lithiumkonzentrationen nachgewiesen, die u.a. neurologische Schäden verursachen.

Schlußendlich kontaminieren mindestens 91 Prozent aller US-Kraftwerke Grundwasser mit toxischen Stoffen in bedenklichen Mengen. Vielfach hätten die ins Grundwasser gelangten giftigen Verunreinigungen die Grenzwerte der Environmental Protection Agency (EPA) um ein Vielfaches überschritten, hieß es weiter. So enthielt beispielsweise Grundwasser aus dem Boden des inzwischen stillgelegten Allen Fossil Kraftwerks, das zu den zehn schlimmsten Grundwasserverschmutzern der Untersuchung gehört, eine 350fache Konzentration der Arsenmenge, die als Grenzwert gilt. [3] Dieser wurde z.B. für Trinkwasser sowohl von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der amerikanischen EPA (US Environmental Protection Agency) als auch durch die Trinkwasserverordnung mit 10 µg Arsen pro Liter festgelegt. Die 350fache Menge ergibt 3500 µg Arsen pro Liter oder 3,5 mg pro Liter. Danach könnten schon 15 Liter des Grundwassers in der Nähe des Kraftwerks ein sieben- oder achtjähriges Kind töten. [4]


Jahrzehntelanger Gifteintrag mit stillschweigender Duldung der obersten US-Umweltbehörde?

Die aktuelle Studie stützt sich auf Branchendaten, die aufgrund der noch unter der Obama Administration erlassenen, nationalen Vorschrift der U.S. Environmental Protection Agency (EPA) von 2015, die "Federal Coal Ash Rule", öffentlich zugänglich gemacht wurden. Sie umfassen Analysen und Berichte aus mehr als 550 Kohlenascheteichen und Deponien, sowie aus über 4.600 Grundwasserüberwachungsbohrungen. Allerdings fehlen die Meßwerte von über einem Viertel der Kohlekraftwerke, die keine Daten erhoben haben. Sie konnten sich der Verpflichtung entziehen, weil sie entweder ihre Aschelager bereits vor Inkrafttreten der Verordnung geschlossen oder eine Freistellung oder Verlängerung der Berichtsfristen bzw. andere Ausnahmeregelungen erhalten hatten. [5] Wobei das Schließen einer Deponie nur ein symbolischer Akt ist. Das Risiko der Aschelagerung ist damit nicht aufgehoben.

Lisa Evans, Anwältin bei Earthjustice, bezeichnet das Ergebnis der gemeinsamen Studie als Weckruf, der ernst genommen werden sollte. "Anhand industrieeigener Offenlegungen zeigt unser Bericht, daß Kohlekraftwerke überall dort, wo sie in Betrieb sind, das Grundwasser relevant vergiften. Die Trump Administration setzt mit ihrem Vorhaben, staatliche Schutzmaßnahmen wieder rückgängig zu machen, vorsätzlich die Gesundheit von Menschen und Gemeinden aufs Spiel. Sie verschlimmert damit die ohnehin schon katastrophale Situation um ein Vielfaches", meinte sie. [6]

Die Analyse ergab zudem, daß die wenigsten Kohlenascheteiche (etwa 5 Prozent) über wasserdichte Auskleidungen verfügen, so daß Schadstoffe ungehindert ins Erdreich und von dort aus permanent ins Grundwasser gelangen. Zudem liegen mehr als die Hälfte der unterirdischen Deponien unterhalb des Grundwasserspiegels. Bei weiteren Beispielen war die natürliche Erdtrennschicht zwischen Deponieboden und Grundwasserleiter nur anderthalb Meter dick.

Neu sind diese Entdeckung allerdings nicht. Denn die Frage zur Durchlässigkeit wasserdichter Auskleidungen für Schadstoff-Deponien wurde auch schon 1987 in einer von der amerikanischen Umweltbehörde lancierten Studie aufgeworfen. Darin wurde festgestellt, daß es nach Stand der damaligen Technik keine Möglichkeit gibt, Deponien zu bauen, aus denen nichts heraussickert. Man kam zu dem immer noch sehr optimistischen Ergebnis, daß unter Einsatz der besten Mittel (BDAT - "best demonstrated available technology") mit einer Durchlässigkeit durch kleinere Löcher und mechanische Schäden von zwischen 0,75 und 4 Litern pro Hektar und Tag gerechnet werden muß. [7] Dieser Mangel und die damit verbundene Umweltverschmutzung wurde seither stillschweigend in Kauf genommen.

Aus einer 10 Hektar großen Anlage konnten also seit Veröffentlichung der alten EPA-Studie vor 30 Jahren zwischen 82.125 bis 438.000 Liter Gift in die Umgebung entweichen. Was das für die Wasserqualität bedeutet, ist keine Frage. Schon weniger Gift kann eine Trinkwasserressource irreversibel unbrauchbar werden lassen.

Ein kritischer Kommentar zu dieser Hochrechnung kam 1989 zu dem Schluß, daß die zugrundeliegende Einschätzung den Sachverhalt beschönigt, da ein wichtiger Punkt in der EPA Studie nicht berücksichtigt worden sei. Die in Aschedeponien und Teichen verwendeten "Sicherheitsfolien", die ein Einsickern von schädlichen Stoffen in den natürlichen Untergrund verhindern sollen, würden beim direkten Kontakt mit der Asche und ihren Chemikalien aufquellen und in ihrer Polymerstruktur durchlässiger werden. [8] Darüber hinaus zersetzen sich bekanntlich die meisten Kunststoffe nach Kontakt mit Asche schneller, so daß theoretisch aus foliengesicherten Deponien im Laufe der Jahre insgesamt sehr viel mehr Gift entweichen konnte, als mit dem "Worst case"-Szenario der kleinen EPA-Studie errechnet wurde. Da fragt man sich, wie viele der 1100 US-Deponien das betrifft?

Noch im Jahr 2014 bezeichnete die Umweltbehörde EPA den Stoff Kohlenasche kurzerhand als ungefährlich, angeblich auch um ein Stigma zu vermeiden, das eine angemessene Aufbewahrung und Wiederaufbereitung behindert, wie die EPA einräumte. Sie betonte jedoch, daß das mit Schwermetallen wie Arsen, Quecksilber oder Blei belastete Abfallprodukt angemessen behandelt werden müsse, um Gesundheitsgefahren für den Menschen auszuschließen.


Um sauberen Sand freizulegen wurde hier mit Treibholzstücken eine tiefe Furche in die oberflächliche Kohlenaschenschicht geschaufelt. - Foto: U.S. Environmental Protection Agency (EPA), Atlanta, GA. / Eden NC Coal Ash Spill. (gemeinfrei)

Grundwasserkontamination nicht ausgeschlossen.
Ascheschlick dringt mit seinem hochkonzentrierten Schadstoff-Cocktail tief in den darunter liegenden Boden ein.
Foto: U.S. Environmental Protection Agency (EPA), Atlanta, GA. / Eden NC Coal Ash Spill. (gemeinfrei)

Die aktuelle Studie, über die sich nun manche die Haare raufen, als hätte man ein bisher unbekanntes Phänomen entlarvt, bestätigt somit eigentlich nur, was seit 30 Jahren verdrängt und geduldet, aber auch wissenschaftlich kommentiert und begleitet wurde, z.B. durch Projekte und Studien der Duke University, und sich seit Jahren für die industrielle Weiternutzung der Asche einsetzen. [9] Doch paradoxerweise kaufen die USA sogar die Kohlenaschen-Abfälle von anderen Ländern wie Indien, die viel Kohle verbrennen und ihre Entsorgungsprobleme exportieren oder "outsourcen", als Rohmaterial für den Straßenbau, Beton oder Wandplatten. [10] Das ist sehr viel kostengünstiger, als die Millionen Tonnen an Asche fachgerecht aus den Deponien an den Flußufern zu holen, d.h. gewaltige Erdmassen umzuschichten, ohne dabei die Umwelt in noch größerem Umfang als bisher zu vergiften. Doch auch den importierten Kohlemüll irgendwo sicher und umweltneutral zwischenzulagern ist eine anspruchsvolle logistische Aufgabe, die neue Umweltprobleme schaffen könnte, wenn sie nicht angemessen gelöst wird.


Gezeigt werden weitläufige Sanierungsarbeiten nach einer Umweltkatastrophe auf einer Aschedeponie. Hier wurde ein Bruch in der Kanalisation abgedichtet. Die Aufräumarbeiter sind dabei, die noch zugänglichen Kohlenaschen aus dem nahen Fluß zu filtern. - Foto: U.S. Environmental Protection Agency (EPA), Atlanta, GA. 'Eden NC Coal Ash Spill.' (gemeinfrei)

Sanierungs- und Aufräumarbeiten sind aufwendig und teuer.
Das gleiche gilt für den Rückbau der Deponie zu Recyclingzwecken.
Foto: U.S. Environmental Protection Agency (EPA), Atlanta, GA. "Eden NC Coal Ash Spill." (gemeinfrei)

Ist es nicht letztlich diesem ambivalenten Verhalten zuzuschreiben, daß heute Wasserproben aus einem flachen Grundwasserleiter unter der Aschedeponie von Memphis, Tennessee, die 350fache Konzentration des zulässigen Grenzwerts an Arsen enthalten und darüber hinaus große Anreicherungen an Bor, Blei, Fluor und Molybdän, welche die als gesundheitlich unbedenklich geltenden Mengen ebenfalls weit überschreiten? Unter diesem beprobten Wasserleiter läge - so die Studie - noch ein weiterer, der mehr als 650.000 Menschen mit Trinkwasser versorgt. Die Gefahr, daß Verunreinigungen ihren Weg in diesen Leiter und damit in die Wasserversorgung der Stadt finden könnten, wird für äußerst akut gehalten. Ein Vertreter der an der Studie beteiligten Umweltorganisation "Sierra Club", Scott Banbury, der in Memphis ansässig ist, erklärte gegenüber dem Online Magazin "Inside Climate News": "Wenn die Dinge nicht bereinigt werden und wir die Asche nicht los werden, verseuchen wir eine der reinsten Trinkwasserquellen unseres Landes mit Arsen und anderen toxischen Verbindungen." [5]

So wie in Memphis, scheint aber auch an vielen anderen Orten der USA reines Trinkwasser ohnehin nicht mehr garantiert zu sein. Die "Top 10" der am stärksten kontaminierten Standorte, die aus der Studie hervorgehen, lesen sich wie das Giftbuch eines Chemieherstellers und Wasser fließt bekanntlich den Berg herunter. Hier nur ein zusammengefaßter Auszug daraus:

- Texas: Eine Stunde südlich von San Antonio, neben dem Kraftwerk San Miguel, ist das Grundwasser unter einer Familienfarm mit mindestens 12 Schadstoffen verunreinigt, die aus Kohlenaschedeponien ausgetreten sind, darunter das laut EPA karzinogene Cadmium und das Nervengift Lithium in mehr als 100fach über den Grenzwerten liegenden Konzentrationen.
- North Carolina: 19 Kilometer westlich von Charlotte, an der Duke Energy's Allen Steam Station in Belmont, sickern schilddrüsengefährdendes Kobalt in einer Dosis, die den zulässigen Grenzwert 500fach überschreitet, sowie weitere acht Schadstoffe aus einer Deponie, die unter dem Grundwasserspiegel liegt.
- Wyoming: 300 Kilometer westlich von Laramie, im Einzugsbereich des Jim Bridger Kraftwerks von PacifiCorp in Point of Rocks, weist das Grundwasser einen 100fach über dem Grenzwert liegenden Lithiumgehalt auf, der für Menschen und Fische gesundheitsschädlich ist. Darüber hinaus enthält es bedenkliche Mengen an Selen.

Im Umkreis des Kraftwerks Naughton im Südwesten von Wyoming lassen sich im Grundwasser nicht nur entsprechende Konzentrationen für Lithium und Selen nachweisen, es enthält auch Arsen in fünfmal höherer Konzentration, als laut Grenzwert für vertretbar gilt.
- Pennsylvania: Eine Stunde nordwestlich von Pittsburgh, in Nähe des New Castle Kraftwerks, liegen die Arsenwerte im Grundwasser sogar 372mal über dem sicheren Niveau [4].
- Maryland: 30 Kilometer südöstlich von Washington, D.C., hat Asche aus drei Kraftwerken, die auf der Brandywine Deponie in Prince George's County gelagert werden, das Grundwasser mit relevanten gesundheitsschädlichen Mengen von mindestens acht Schadstoffen kontaminiert, darunter die 200fach bzw. 100fach über dem Grenzwert aufkonzentrierten Mengen an Lithium und Molybdän, die als nieren- bzw. lebertoxisch gelten. Der kontaminierte Grundwasserleiter speist in diesem Fall die nahegelegenen Flußläufe.

Den Schluß der "toxischen Zehn" bilden die Hunter Power Plant in Utah sowie die Kraftwerke R.D. Morrow Sr. in Mississippi und Gent nordöstlich von Louisville, Kentucky. Diese verseuchen das Grundwasser nicht nur mit hohen Mengen an Bor, Kobalt, Lithium und Molybdän, sondern teilweise auch mit radioaktivem Radium [5]

In wieweit das Trinkwasser selbst durch die verunreinigten Grundwasser-Ressourcen schon betroffen ist, konnten die Forscher der Studie nicht sicher sagen, weil Energieversorger nicht verpflichtet wären, auch die privaten Trinkwasserbrunnen wasserhygienisch zu überwachen. Der Bericht legt aber die Möglichkeit nahe, da es bereits mehrere gut dokumentierte Fälle gibt, in denen Schadstoffe aus Kohlenaschen in das Leitungswasser in Wohngebieten von Montana, Wisconsin, Virginia, Maryland, Pennsylvania und Tennessee nachweislich eingetragen wurde.

Angesichts früherer Praxis (s.o.) scheint es nun fraglich, ob die Entscheidungsträger in den Vereinigten Staaten aufgrund einer gemeinsamen Studie amerikanischer Umweltverbände tatsächlich mehr Handlungsbedarf erkennen als zuvor. Mit ziemlicher Sicherheit soll zunächst eine weitere, diese Zahlen bestätigende Untersuchung durch unabhängige Institute abgewartet werden. Doch die Evaluierung der Ergebnisse könnte in Zukunft durch den Umstand erschwert werden, daß die derzeitige US-Regierung die aus der Obama Administration stammenden Verordnungen für den Umgang mit der Asche, zu denen auch das Offenlegen der Branchendaten gehört, wieder rückgängig machen will. Kurz: Ohne Daten - keine Kontamination, kein Problem!


Ein Blick auf den Auslaß der Regenwasserkanalisation, die unter dem Aschenteich verläuft und im Steilufer des Flusses endet. Man sieht deutlich die Aschefahne im Fluß. - Foto: U.S. Environmental Protection Agency (EPA), Atlanta, GA. 'Eden NC Coal Ash Spill.' (gemeinfrei)

Keine Daten - Kein Problem?
Grundwasserleiter oder Drainagen speisen in der Regel die Teiche oder Fließgewässer der Umgebung, wie dieser Abfluß, der in den Dan mündet.
Foto: U.S. Environmental Protection Agency (EPA), Atlanta, GA. "Eden NC Coal Ash Spill." (gemeinfrei)

Wie die US-Botschaft Deutschland auf ihrer Homepage schreibt, arbeite Präsident Trump unermüdlich daran, den Clean Power Plan seines Vorgängers aufzuheben und "die US-Wirtschaft und Innovationskraft von dem herrschenden Übermaß an staatlichen Interventionen zu befreien". Dazu gehört u.a. offenbar auch, Energieversorger mit Lappalien wie ihre unzureichende Aschenentsorgung nicht zu belasten. [11] Die Konzentration auf vor allem in den Vereinigten Staaten verorteten Fallstudien zu Kohlenaschen soll nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Frage, ob anderswo nachhaltigere Lösungen für die Kohlenaschen-Entsorgung existieren oder das Problem nur besser verschleiert bzw. noch weniger untersucht wird, vorerst offen bleibt.


Anmerkungen:


[1] https://www.deutschlandfunk.de/die-risiken-der-kohleasche-halden-keine-strahlenden-aber.676.de.html?dram:article_id=366293

[2] https://earthjustice.org/blog/2018-september/along-with-flooding-hurricane-florence-unleashes-toxic-coal-ash

https://www.nach-welt.com/nachrichten/dammbruch-sendet-giftige-kohlenasche-die-in-einen-hauptfluss-von-north-carolina-fliest/

[3] https://www.washingtonpost.com/national/health-science/report-finds-widespread-contamination-at-nations-coal-ash-sites/2019/03/03/d80c82e6-3ac8-11e9-aaae-69364b2ed137_story.html?utm_term=.32872e6a1143

[4] Die niedrigste tödliche Dosis bei einem Menschen (LDLooral) wird mit 1,429 mg pro kg Körpergewicht angegeben (Quelle: Toxnet-Datenbank - ChemIDplus). Umgerechnet auf 50 Kilogramm Körpergewicht sind das etwa 71 Milligramm.

http://www.seilnacht.com/Chemie/ch_arsen.htm

[5] https://insideclimatenews.org/news/04032019/coal-ash-groundwater-contamination-toxic-arsenic-memphis-texas-eip

[6] http://www.environmentalintegrity.org/news/first-comprehensive-national-study-of-coal-ash-pollution-finds-widespread-groundwater-contamination/

[7] https://nepis.epa.gov/Exe/ZyNET.exe/9101UBD9.txt?ZyActionD=ZyDocument&Client=EPA&Index=1986%20Thru%201990&Docs=&Query=&Time=&EndTime=&SearchMethod=1&TocRestrict=n&Toc=&TocEntry=&QField=&QFieldYear=&QFieldMonth=&QFieldDay=&UseQField=&IntQFieldOp=0&ExtQFieldOp=0&XmlQuery=&File=D%3A%5CZYFILES%5CINDEX%20DATA%5C86THRU90%5CTXT%5C00000031%5C9101UBD9.txt&User=ANONYMOUS&Password=anonymous&SortMethod=h%7C-&MaximumDocuments=1&FuzzyDegree=0&ImageQuality=r75g8/r75g8/x150y150g16/i425&Display=hpfr&DefSeekPage=x&SearchBack=ZyActionL&Back=ZyActionS&BackDesc=Results%20page&MaximumPages=1&ZyEntry=6&slide

[8]http://www.rachel.org/files/rachel/Rachels_Environment_Health_News_1029.pdf

[9] https://sites.nicholas.duke.edu/avnervengosh/duke-research-on-environmental-effects-of-coal-ash-disposal/

[10] https://www.wiwo.de/unternehmen/industrie/zwischen-recycling-und-import-das-us-dilemma-um-die-kohlenasche-/19603586.html

[11] https://de.usembassy.gov/de/energieunabhaengigkeit/


2. April 2019


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