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FORSCHUNG/199: Im Herzen von Strömungen - Murgänge und Lawinen (idw)


Schweizerischer Nationalfonds SNF, Presse- und Informationsdienst - 26.05.2008

Im Herzen von Strömungen

Murgänge und Lawinen


Am Labor für Umwelthydraulik der ETH Lausanne simulieren Forschende mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) Murgänge und Lawinen. Ihr Ziel: die Vorgänge aus Sicht der Strömungslehre bis in feine Details zu verstehen. Durch ein tieferes Verständnis der Schlüsselprozesse könnten die kostspieligen Konsequenzen dieser Abflussphänomene eingedämmt werden.

In der Schweiz entfallen rund ein Drittel der von den kantonalen Versicherungen gedeckten Kosten auf hydrologische Risiken. Zu dieser Gruppe von Risiken gehören auch Lawinen und Murgänge. Das Team von Prof. Christophe Ancey widmet sich am Labor für Umwelthydraulik der ETH Lausanne mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) der Erforschung dieser Phänomene unter dem Blickwinkel der Strömungslehre. Tatsächlich handelt es sich sowohl bei Lawinen als auch bei Murgängen um Mischungen eines Fluids (Luft bzw. Wasser) mit Partikeln (Schnee bzw. Felsfragmente). Ein tieferes Verständnis der Eigenschaften solcher Fluide ermöglicht eine bessere Vorhersage und Prävention und dadurch eine Eindämmung der Kosten dieser hydrologischen Risiken.

Durch Simulation vom Allgemeinen zum Speziellen

In ihrem Labor in Lausanne haben die Forschenden eine Versuchsanordnung eingerichtet, mit der diese Phänomene simuliert und analysiert werden können. Während in der Natur jeder Murgang einzigartig und nicht wiederholbar ist, lässt er sich in der Simulation präzise reproduzieren und durch die gezielte Veränderung grundsätzlicher Parameter nach Belieben steuern. Dadurch können zwar vereinfachende, aber dennoch für zahlreiche Situationen gültige Schlüsse gezogen werden. Dazu mussten die Wissenschaftler bildgebende Verfahren entwickeln, mit denen festgestellt werden kann, was im Inneren eines strömenden Fluids vor sich geht. Diese Verfahren und ihre Ergebnisse waren Gegenstand einer Reihe von kürzlich erschienenen Publikationen (http://lhe.epfl.ch/articles-en.html).

Bei einem dieser Verfahren wird ein Laser eingesetzt. Ein Teil der in einem Fluid suspendierten Partikel wird mit Hilfe eines Fluoreszenzfarbstoffs markiert. Wenn dieser Farbstoff mit sehr kurz gepulsten Laserstrahlen angeregt wird, sendet er Licht aus, das von einer Kamera mit 28 Bildern pro Sekunde aufgezeichnet wird. Dadurch lassen sich die Bewegungen der Teilchen verfolgen und die rheologischen Eigenschaften des Fluids ableiten, das heisst Einsichten in die Art gewinnen, wie sich das Fluid unter äusseren Einflüssen verformt.

Eine einzigartige Versuchsanordnung

Wenn diese Eigenschaften bestimmt sind, untersuchen die Forschenden das Fliessverhalten unter dem Einfluss der Schwerkraft. Bei diesem Experiment wird sozusagen ein Staudammbruch simuliert: Das Fluid wird in einem Behälter mit einer Schleuse zurückgehalten. Beim raschen Öffnen der Schleuse stürzt das Fluid heraus und strömt einen abfallenden Kanal hinunter. Der Laser ist so ausgerichtet, dass sich die Bewegungen auf mehreren parallelen Ebenen entlang der Fliessrichtung bestimmen lassen. Diese Versuchsanordnung ist einzigartig und stellt einen innovativen Ansatz zur Untersuchung von Strömungen im Nichtgleichgewicht dar.

Für die Lausanner Wissenschaftler ist diese Rückkehr zur klassischen experimentellen Arbeit grundlegend. Heute stützen sich Vorhersagen zu natürlichen Risiken immer stärker auf Computermodelle. Ein erheblicher Teil der Modellierung beruht dabei jedoch auf Analogien mit einem bekannten Phänomen, wobei bestimmte Parameter entsprechend angepasst werden - zum Beispiel indem sie auf Geländedaten abgestimmt werden. Dieser Ansatz ist nicht ungefährlich. Christophe Ancey nennt dazu ein Beispiel: "An der Front beträgt die Dicke einer Lawine Null. Bei einigen Modellen ist aber ein Wert von Null für die Dicke ausgeschlossen. Um die Schwierigkeit zu umgehen, wird deshalb auf einen mathematischen Trick zurückgegriffen. Durch den Trick ist die Position der Front jedoch nicht genau bestimmbar. Das ist insbesondere störend, wenn eine Gefahrenkarte erstellt wird, in der gerade diese Position festgelegt werden soll." Christophe Ancey ist überzeugt, dass solche Probleme durch ein besseres Verständnis der Schlüsselprozesse dieser Phänomene gelöst werden können.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution1165


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Schweizerischer Nationalfonds SNF, Presse- und Informationsdienst,
26.05.2008
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2008