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FORSCHUNG/213: Kein Regen ohne Eiskeim (Goethe Uni Frankfurt)


Goethe-Universität Frankfurt - 2. Dezember 2008

Kein Regen ohne Eiskeim

Frankfurter Atmosphärenforscher fahnden nach Aerosolpartikeln in Wolken


FRANKFURT. Nur etwa jede zehnte Wolke regnet aus. Die wenige Mikrometer kleinen Wolkentröpfchen werden nämlich meist nicht schwer genug, um zur Erde zu fallen. Damit sie auf ein Vielfaches ihrer Größe anwachsen können, benötigen sie Eiskeime. Und diese gibt es nur, wenn geeignete Aerosolpartikel in der Atmosphäre sind. Sie bieten die notwendige feste Oberfläche für das Wachstum des Eiskristalls. Interessanterweise wirkt nur etwa eines von mehreren 10 000 Aerosolpartikeln als Eiskeim. Was sie auszeichnet, haben Atmosphärenforscher der Goethe-Universität innerhalb des Sonderforschungsbereichs "TROPEIS" untersucht. In der aktuellen Ausgabe von "Forschung Frankfurt" zum Jahr des Planeten Erde berichten Prof. Joachim Curtius und Dr. Heinz Bingemer über ihre Erkenntnisse, die künftig dazu beitragen sollen, menschliche Einflüsse auf das Klima besser zu verstehen und auch die Präzision von Wettervorhersagen zu erhöhen.

Die Frankfurter Forscher konstruierten zusammen mit Kollegen aus Mainz den schnellen Eiskeimzähler FINCH. Er besteht aus einem Strömungsreaktor, in dem die Zustände in einer Wolke simuliert werden. Leitet man nun vor Ort eine atmosphärische Probe ein, kann man die entstehenden Eiskristalle direkt und in der Luft schwebend mit einer Spezialoptik zählen. Diese schnelle Messmethode wird beispielsweise auf dem neuen Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft) im kommenden Jahr erstmals zum Einsatz kommen. Wollen die Forscher dagegen die mittlere Eiskeimkonzentration der Luft messen, dann reichern sie eine Probe des atmosphärischen Aerosols auf einem Probenträger an und analysieren diesen danach im Eiskeimzähler FRIDGE im Labor.

Aus Messreihen mit dem neu entwickelten System am Observatorium auf dem Kleinen Feldberg im Taunus wissen die Atmosphärenforscher inzwischen recht genau, woher die Eiskeime stammen. Beispielsweise zeichneten sie als markantes Ereignis eine Saharastaub-Episode vom 28. bis 30. Mai 2008 auf, die ihre Auswirkungen bis nach Deutschland hatte: Während dieser Tage waren die Spitzenwerte der Eiskeimkonzentration etwa zehnfach überhöht. Zwei größere Messkampagnen führten die Forscher auf der hochalpinen Forschungsstation Jungfraujoch aus. Die in 3580 Metern Höhe auf dem Bergsattel zwischen den Gipfeln von Jungfrau und Mönch gelegenen Station ist im Winter häufig in Wolken gehüllt, so dass direkte Messungen in Mischphasenwolken möglich sind. Da die Eiskeime so selten und so klein sind, konnten in einem Zeitraum von etwa vier Wochen Messzeit nicht mehr als 350 einzelne Eiskeime analysiert werden.

Die Messungen zeigen, dass vor allem natürliche Mineralstaubpartikel als atmosphärische Eiskeime wirken. Elemente wie Silizium, Kalzium, Aluminium und deren Oxide treten besonders häufig als Eiskeime auf, während sie nur einen kleinen Teil des Hintergrundaerosols ausmachen. Die Forscher fanden aber auch Hinweise auf Partikel, die aus anthropogenen Quellen stammen. Mit erhöhter Häufigkeit enthalten diese zum Beispiel Schwermetalle. Weiterhin wurde eine Gruppe stark kaliumhaltiger Partikel identifiziert, die entweder mineralischen Ursprungs sind oder aus der Verbrennung von Biomasse stammen.

Als Nächstes wollen Curtius und seine Mitarbeiter untersuchen, ob Eiskeime, die durch den Menschen verursacht in die Atmosphäre gelangen, tatsächlich die Eigenschaften der Wolken verändern und so den Niederschlag und das Klima beeinflussen. Dies ist sowohl auf der regionalen als auch auf der globalen Skala von großem Interesse. Auf der regionalen Skala könnte dies einen Einfluss auf den Niederschlag im Lee von Ballungsräumen und Industriegebieten haben. Auf der globalen Skala können schon kleine Veränderungen der mittleren Eiskeimkonzentrationen und ihrer Eigenschaften zu signifikanten Änderungen der Strahlungseigenschaften und der Lebensdauer der Wolken führen. Und das hätte einen direkten Einfluss auf das Erdklima.

Soeben erschienen:
Wissenschaftsmagazin Forschung Frankfurt 3/2008
Schwerpunktthema "Planet Erde"

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Im Internet:
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Quelle:
Pressemitteilung 236 vom 2. Dezember 2008
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2008