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FORSCHUNG/308: Das Rote Meer - Doch ein Ozean wie alle anderen (idw)


GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel - 29.04.2014

Das Rote Meer - Doch ein Ozean wie alle anderen

GEOMAR-Forscher präzisieren Modelle zur Geburt des jüngsten Weltmeeres



Eigentlich ist das Rote Meer ein ideales Studienobjekt für Meeresgeologen. Denn dort können sie die Entstehung eines Ozeans in der Frühphase beobachten. Doch ausgerechnet das Rote Meer schien einen anderen Geburtsprozess zu durchlaufen als andere Ozeane. Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der King Abdulaziz University in Jeddah konnten jetzt zeigen, dass Salzgletscher die bisherigen Modelle verfälscht haben. Die Studie ist in der internationalen Fachzeitschrift "Earth and Planetary Science Letters" erschienen.

Pazifik, Atlantik und Indischer Ozean, dazwischen die Landmassen von Amerika, Europa, Asien, Afrika und Australien - so kennen wir unsere Erde. Aus Geologen-Sicht ist das jedoch nur eine Momentaufnahme. Im Laufe der Erdgeschichte haben sich zahlreiche, unterschiedliche Kontinente gebildet und wurden wieder gespalten. Dazwischen entstanden Ozeane, neuer Meeresboden hat sich gebildet und ist wieder verschwunden. Plattentektonik ist der Oberbegriff für diese Prozesse.

Das Rote Meer, wo sich aktuell die Arabische Halbinsel von Afrika trennt, ist einer der wenigen Orte der Erde, an dem die Spaltung eines Kontinents und die Entstehung eines Ozeans derzeit zu beobachten sind. Während eines dreijährigen Gemeinschaftsprojektes, dem Jeddah Transect Project (JTP), haben Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der King Abdulaziz Universität (KAU) in Jeddah (Saudi Arabien) diesen Riss in der Erdkruste mit Hilfe von Meeresbodenkartierungen, Probennahmen und magnetischer Modellierung genau unter die Lupe genommen. "Die Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die frühen Stadien ozeanischer Becken und ändern im Speziellen die Lehrmeinung über das Rote Meer" sagt Dr. Nico Augustin vom GEOMAR, Erstautor der aktuellen Studie. Sie wurde jetzt in der Fachzeitschrift "Earth and Planetary Science Letters" veröffentlicht.

Unumstritten ist und war, dass vulkanische Aktivitäten einen Kontinent dehnen und ausdünnen, bevor er aufreißt und ein neues Ozeanbecken entsteht. Der Riss entsteht an der Stelle mit der größten Dehnung. Doch die detaillierten Prozesse beim Reißen werden in der Forschung heftig diskutiert. Dabei geht es einerseits darum, die Dynamik unseres Heimatplaneten besser zu verstehen. "Andererseits liegen aber auch die meisten marinen Öl- und Gasvorkommen an solchen ehemaligen Bruchstellen. Diese Forschung kann also auch wirtschaftliche und politische Implikationen haben", sagt Professor Colin Devey (GEOMAR), Co-Autor der aktuellen Studie.

Bislang war die gängige Meinung, ein Kontinent reißt mehr oder weniger zeitgleich entlang einer ganzen Linie und das Ozeanbecken entsteht damit auf einen Streich. Ausgerechnet das Rote Meer passte jedoch nicht in dieses Bild. Hier wurde ein Modell mit mehreren aneinander gereihten, kleineren Rissen favorisiert, die sich nur allmählich vereinen würden, was zu einer relativ langsamen Entstehung des Ozeans mit einer langen Übergangsphase führen würde. "Unsere Untersuchungen zeigen jedoch, dass das Rote Meer keine Ausnahme darstellt, sondern sich in die Reihe der anderen Ozeanbecken einreiht", betont Augustin. Das bisherige Bild vom Untergrund im Roten Meer war einfach von Salzgletschern verfälscht. "Auch die geborgenen vulkanischen Gesteine entsprechen denen ganz normaler Mittelozeanischer Rücken", sagt Co-Autorin Froukje van der Zwan, die im Rahmen des JTP an ihrer Promotion arbeitet.

In frühen Phasen der Entstehung des Roten Meeres war das Gebiet von einem sehr flachen Meer bedeckt, das wiederholt austrocknete. Dabei sind mächtige Salzablagerungen entstanden, die später zusammen mit der kontinentalen Kruste aufrissen. Über geologische Zeiträume verhält sich Salz wie Teer und fängt an zu fließen. "Unsere neuen, hochauflösenden Meeresbodenkarten und magnetischen Modellierungen zeigen, das die Kilometer mächtigen Salzablagerungen nach der Abspaltung der Arabischen Platte von Afrika wie Gletscher der Schwerkraft folgend in den neu entstandenen Graben und damit über die ozeanische Kruste flossen", erklärt Augustin. Da diese submarinen Salzgletscher den Riss nicht ganz gleichmäßig über die gesamte Länge abdecken, entstand der Eindruck mehrerer kleiner Rissen.

Die Folgen der Entdeckung sind tiefgreifend: Einerseits scheint es tatsächlich weltweit nur einen einzigen Mechanismus für das Aufreißen eines Kontinents zu geben. Andererseits ist noch nicht bekannt, wie viel Ozeankruste vom Salz verdeckt wird. Das stellt die bisherigen Datierungen für den Zeitpunkt der Öffnung des Roten Meeres infrage. Hinzu kommt, dass im vulkanisch aktiven Grabenbruch des Roten Meeres, umzingelt von Salzgletscher, eine gigantische Senke gefüllt mit einer heißen, sehr salzhaltigen Lösung liegt. "Da das Sediment in der Salzlösung reich an Metallen ist, ist dieses sogenannte Atlantis II Tief auch von wirtschaftlichem Interesse", sagt Co-Autor Devey. Es ist durchaus vorstellbar, dass im Laufe der Erdgeschichte ähnliche, mit Vulkanismus und Salzablagerungen assoziierte Lagerstätten auch während der Öffnungsphase anderer Ozeane entstanden. "Unsere Untersuchungen helfen also einerseits, alte Forschungsfragen zu klären. Andererseits bieten sie Ansatzpunkte für neue Untersuchungen in allen Ozeanen", sagt Augustin.


Originalarbeit:
Augustin, N., C. W. Devey, F. M. van der Zwan, Peter Feldens, M. Tominaga, R. A. Bantan, T. Kwasnitschka (2014):
The rifting to spreading transition in the Red Sea.
Earth and Planetary Science Letters, 395,
http://dx.doi.org/10.1016/j.epsl.2014.03.047

Weitere Informationen unter:
http://www.geomar.de
- Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

http://www.jeddah-transect.org
- Das Jeddah Transect Project

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution818

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel,
Andreas Villwock, 29.04.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2014