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FORSCHUNG/358: Neue Erkenntnisse zu Bridgmanit, einem Hauptbestandteil unseres Planeten (idw)


Universität Bayreuth - 27.07.2016

Neue Erkenntnisse zu Bridgmanit, einem Hauptbestandteil unseres Planeten


Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Leonid Dubrovinsky an der Universität Bayreuth zeigt in einer neuen, in 'Science Advances' veröffentlichten Studie: Eisen hat eine stabilisierende Wirkung auf die Kristallstruktur von Bridgmanit und somit auf den Erdmantel. Ein erstmals im Labor hergestellter Eisen-Bridgmanit liefert einen neuen Erklärungsansatz für die Ausbreitung von Erdbebenwellen.


Grafik: © Leyla Ismailova

Strukturmodell des erstmals im Labor synthetisierten Eisen-Bridgmanits (li.). Es wurde mit Röntgen-Synchrothronstrahlen unter den Druck- und Temperaturbedingungen des Erdmantels analysiert (re.).
Grafik: © Leyla Ismailova

Kein anderes Mineral kommt in der Erde so häufig vor wie Bridgmanit, ein nach dem U.S.-amerikanischen Physik-Nobelpreisträger Percy Williams Bridgman benannter Silikat-Perowskit, der Eisen und Aluminium enthält. Insgesamt füllt dieses kristalline Material ein Drittel des Volumens unseres Planeten. Wie hoch die innere Stabilität der Erde ist und wie schnell sich tiefe Erdbeben bis zur Oberfläche ausbreiten, hängt daher wesentlich von den physikalischen Eigenschaften dieses Minerals ab. Seine Eigenschaften beeinflussen zudem die geochemischen Prozesse, durch die sich unter der Erdoberfläche wertvolle Mineralienvorkommen bilden.

Trotz seiner Bedeutung für das Leben auf der Erde ist jedoch bisher nur wenig über Bridgmanit bekannt. Hauptsächlich kommt es im Erdmantel vor, wo sehr hohe Drücke und Temperaturen herrschen. Will man herausfinden, welche physikalischen Eigenschaften Bridgmanit in diesen unzugänglichen Tiefen besitzt, muss es im Labor den gleichen extremen Bedingungen ausgesetzt werden. Hier können Röntgenstrahlen, die von Synchrotronstrahlungsquellen erzeugt werden und die Kristallstruktur des Minerals durchdringen, Aufschluss über dessen Eigenschaften und Verhaltensweisen geben.

Internationale Forschungskooperation

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Leonid Dubrovinsky an der Universität Bayreuth ist bei diesen Forschungsarbeiten jetzt entscheidende Schritte vorangekommen. Forschungspartner waren das Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg, die European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble, das Center for Advanced Radiation Sources an der University of Chicago, die Abteilung für Petrologie an der Universität Moskau sowie das Institut für Mineralogie an der Universität Münster. Im Wissenschaftsmagazin "Science Advances" stellen die Wissenschaftler ihre neuen Erkenntnisse vor.

Eisen stabilisiert den Erdmantel

Um eine möglichst große Vielfalt an Informationen über Bridgmanit zu erhalten, wurden diverse Proben des Minerals zunächst synthetisiert und mit verschiedensten Techniken analysiert. Die Proben wurden dabei einem Druck von mindestens 45 Gigapascal - dies entspricht dem Druck in einer Tiefe von rund 1350 Kilometern unter der Erdoberfläche - ausgesetzt. Dabei stellte sich heraus: Das in Bridgmanit enthaltene Eisen hat unter diesen extremen Bedingungen, wie sie für den Erdmantel charakteristisch sind, eine stabilisierende Wirkung auf die Kristallstruktur von Bridgmanit.

"Unsere Forschungsarbeiten zeigen damit, dass und weshalb die eisen- und aluminiumhaltigen Silikat-Perowskite im Erdinneren außerordentlich stabil sind", erklärt Prof. Dubrovinsky. "Diese Minerale tragen offenbar wesentlich dazu bei, dass der gesamte Erdmantel, der sich von rund 670 Kilometern unter der Erdoberfläche bis zu einer Tiefe von 2.700 Kilometern erstreckt, eine außergewöhnliche Stabilität besitzt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der untere Erdmantel sogar zu 80 Prozent aus Bridgmanit besteht."

Erstmals im Labor synthetisiert: ein Eisen-Bridgmanit - Neuer Erklärungsansatz für die Ausbreitung von Erdbebenwellen

Darüber hinaus ist es der Forschergruppe erstmals gelungen, einen Bridgmanit zu synthetisieren, der nur Eisen und kein Aluminium enthält. Dieses Mineral hat im Vergleich mit anderen Bridgmaniten eine sehr niedrige Kompressibilität: Das heißt: Selbst bei extrem hohen Drücken wird er nur geringfügig zusammengepresst, so dass sich seine Dichte kaum erhöht.

"Wenn man annimmt, dass dieser im Labor hergestellte Eisen-Bridgmanit in größeren Mengen im Erdmantel tatsächlich vorkommt, hätten wir einen Erklärungsansatz für das ungewöhnliche Phänomen, dass sich manche Erdbebenwellen nicht gleichmäßig entlang von Bridgmanitschichten im Erdinneren ausbreiten", meint Leyla Ismailova, Doktorandin an der Universität Bayreuth und Hauptautorin der neuen Studie. "Denn infolge der geringen Kompressibilität ist die Schallgeschwindigkeit in Eisen-Bridgmanit um etwa zwei Prozent geringer als in normalem Bridgmanit. Diese Entdeckung ist besonders für die Auswertung seismischer Tomographiedaten interessant, an denen sich die Stärke und Ausbreitung von Erdbebenwellen ablesen lässt", so Leyla Ismailova.

Bridgmanit - ein flexibles und vielgestaltiges Mineral

Schließlich beobachteten die Wissenschaftler, dass Bridgmanit-Kristalle selbst unter extrem hohen Drücken eine signifikante Anzahl an Defekten in ihrer Struktur aufweisen. Dieser Befund war insofern überraschend, als die Forschung bisher davon ausgegangen war, dass solche Strukturdefekte beim Zusammenpressen der Kristalle und ihrer dadurch zunehmenden Dichte weitgehend verschwinden.

"Dass die Strukturdefekte dennoch erhalten bleiben, ist ein klares Indiz für die hohe Flexibilität von Bridgmanit-Kristallen. Die Forschung zu diesem Hauptbestandteil unseres Planeten ist also noch längst nicht abgeschlossen, sondern hat gerade erst begonnen. In Bayreuth freuen uns deshalb darauf, die enge und gute Zusammenarbeit mit der DESY in Hamburg sowie mit den weiteren Elektronensynchrotron-Anlagen in Grenoble und Chicago fortsetzen zu können", so Prof. Dubrovinsky.

Forschungsförderung

In Deutschland wurden die Forschungsarbeiten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie als Projekt der Verbundforschung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Projekte der Verbundforschung beziehen Universitäten in die Entwicklung und den Aufbau innovativer Methoden und Instrumente für große Forschungseinrichtungen ein. Dadurch wird es möglich, herausragende Kompetenzen von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu verknüpfen und durch Synergie-Effekte weiter zu stärken.


Veröffentlichung:
Leyla Ismailova, Elena Bykova, Maxim Bykov, Valerio Cerantola, Catherine McCammon, Tiziana Boffa Ballaran, Andrei Bobrov, Ryosuke Sinmyo, Natalia Dubrovinskaia, Konstantin Glazyrin, Hanns-Peter Liermann, Ilya Kupenko, Michael Hanfland, Clemens Prescher, Vitali Prakapenka, Volodymyr Svitlyk, Leonid Dubrovinsky,
Stability of Fe,Al-bearing bridgmanite in the lower mantle and synthesis of pure Fe-bridgmanite,
Science Advances, 15 Jul 2016; Vol. 2, no. 7, e1600427, DOI: 10.1126/sciadv.1600427

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution4

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Bayreuth, Christian Wißler, 27.07.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2016

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