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FORSCHUNG/255: Pilz erschüttert Kometenerklärung für Klimawandel (Royal Holloway)


Royal Holloway, University of London - 17. Juni 2010

Pilz erschüttert Kometenerklärung für Klimawandel


Ein Team von Wissenschaftlern um Professor Andrew C. Scott am Institut für Geowissenschaften des Royal Holloway Colleges der University of London hat aufgedeckt, daß weder ein Komet noch eine Katastrophe die Ursache für den plötzlichen Klimawandel vor etwa 12.900 Jahren war.

Theorien über Einschläge und den Einfluß, den sie auf das Aussterben von Tieren und auf Klimaveränderungen haben, stoßen in wissenschaftlichen wie in allgemeinen Publikationen auf wachsende Aufmerksamkeit. Trotz zunehmender Hinweise, die die Theorie infrage stellen, blieb die Vorstellung, daß das Eintreten der Klimaperiode der Jüngeren Dryas ("Große Eiszeit"), die die Vernichtung der Großtierfauna einschließlich der Mammuts, die Auslöschung der nordamerikanischen Clovis-Kultur, und eine Reihe weiterer Folgen hatte, durch eine Kometenexplosion in der Atmosphäre und oder einen Einschlag verursacht wurde, ungeachtet der wachsenden Zahl wissenschaftlicher Gegenbeweise sowohl in den Printmedien als im Rundfunk erhalten.

Das Team untersuchte kohlenstoffhaltige Kügelchen, die der Einschlagstheorie zufolge durch die enorme Hitze des Einschlags und daraus resultierende Flächenbrände entstanden sein sollen. Die zwischen 0,5 und zwei Millimeter großen Kügelchen stammen aus Zeitperioden vor, während und nach dem Klimawandel.

Ein wesentlicher Aspekt dieser Behauptung konzentriert sich auf die Herkunft 'kohlenstoffhaltiger Kügelchen', die angeblich bei heftigen, durch den Einschlag entfachten Flächenbränden entstanden sind. Wissenschaftler haben diese 'Karbonkügelchen' als Beweise für ihre Kometeneinschlagstheorie angesehen, aber die neue Studie kommt zu dem Schluß, daß diese angeblichen Hinweise nichts weiter darstellen als Kügelchen fossiler Überreste von Pilzen, Holzkohle und Fäkalbällchen. Diese natürlich vorkommenden organischen Stoffe stammen gleichermaßen aus einer Zeit Tausende Jahre vor Beginn und nach dem Ende der Jüngeren Dryas-Periode, was darüber hinaus darauf hindeutet, daß es kein plötzliches Ereignis wie einen Einschlag gegeben hat.

Das Forschungsteam hat organische Überreste, die von einigen der mutmaßlichen Schauplätze stammen, untersucht, um die Natur dieser organischen Kügelchen und länglichen Karbonklümchen, deren Größe von 0,5 bis zu 2 Millimeter variiert (1/10 Inch), zu bestimmen.

Proben von Sedimentsequenzen aus dem Pleistozän-Holozän, die von den kalifornischen Kanalinseln und anderen Schauplätzen stammen, zeigen, daß Karbonkügelchen und längliche Formen in Abschnitten, die vor, während und weit nach der Zeitperiode von 12.900 Jahren datieren, sowie in heutigen Proben verbreitet sind. Professor Scott erklärt: "Wichtig ist, daß wir demonstrieren konnten, daß diese organischen Kügelchen in heutigen sowie in vorzeitlichen Sedimenten zu finden sind und sich nicht allein auf eine bestimmte Schicht beschränken."

Die Forscher haben eine Reihe mikroskopischer Untersuchungen der inneren Struktur durchgeführt, unter anderem mit Hilfe der hochentwickelten Swiss Light Source [1] und der Synchrotronstrahlentomographie [2], um nachzuweisen, daß die Karbonkügelchen in Form und Aufbau mit Pilzsklerotien [3] identisch sind (wie Sclerotium [4] und Cenococcum [5]) Bei der genaueren Untersuchung dieser Objekte kommentierte Professor Scott: "Diese Kügelchen wurden von Wissenschaftlern in der Regel wahrgenommen, aber es wurde ihnen wenig Aufmerksamkeit geschenkt und deshalb existierten in der Literatur auch kaum Abbildungen. Es ist nicht sehr überraschend, daß sie falsch interpretiert wurden. Bei einigen der länglichen Formen, die in anderen Studien von Vertretern der Einschlagstheorie beschrieben wurden, handelt es sich um Fäkalklümpchen von Gliederfüßern, einige stammen mit großer Sicherheit von Termiten.

Professor Scott erklärte: "Wir sollten neuen Theorien gegenüber immer ein skeptische Haltung einnehmen und sie gründlich prüfen, und wenn die Beweise gegen sie sprechen, sollten wir sie fallenlassen." Professor Pinter, von der Southern Illinois University und einer der Autoren des Berichts, fügte hinzu: "Ich meine, wir haben bei der Einschlagstheorie der Jüngeren Dryas dieses Stadium erreicht."

Die Studie mit dem Titel "Pilz, nicht Komet oder Katastrophe, ist verantwortlich für kohlenstoffhaltige Kügelchen in der angeblichen "Einschlagsschicht" der Jüngeren Dryas-Periode" wurde in der Zeitschrift "Geophysical Research Letters" veröffentlicht.

Professor Scott verfaßte die Studie gemeinsam mit: N. Pinter (Southern Illinois University), M.E. Collinson, M. Hardiman (Royal Holloway University of London), R.S. Anderson (Northern Arizona University), A.P.R. Brain (King's College, London), S.Y. Smith (University of Michigan), F. Marone and M. Stampanoni (Swiss Light Source, Paul Scherrer Institut, Schweiz).


Anmerkungen der Schattenblick-Redaktion:

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Bild 1: Objekt aus dem Arlington Canyon, Santa Rosa Island, Kalifornien, U.S.A.. (12.800-13.100 cal BP), Schnitt eines Kügelchen.

[1] Swiss Light Source: Synchrotron-Lichtquelle SLS, entwickelt am Schweizer Paul Scherrer Institut
[2] Synchrotron Radiation X-ray Tomographic Microscopy - SXTM
[3] Sclerotium: Pilz/Schwamm-Gattung
[4] Sklerotium, Sklerotia: dicht verflochtene, feste Mycelmasse bei Pilzen
[5] Cenococcum: Schlauchpilz


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Quelle:
Pressemitteilung, 17.06.2010
Royal Holloway, University of London
Egham Surrey, London, NA TW200EX United Kingdom
mit freundlicher Genehmigung des Royal Holloway, University of London
in einer Übersetzung des Schattenblick aus dem Englischen


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2010