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ASTRO/158: Achtzig Jahre Urknall (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 5/11 - Mai 2011
Zeitschrift für Astronomie

Achtzig Jahre Urknall
Die Geburt des Begriffs aus der Quantenphysik

Von Harry Nussbaumer


Im Mai 1931 führte der Astronom Georges Lemaître die Idee des Urknalls als quantenphysikalischen Beginn der kosmischen Expansion ein. Im Jahr 1927 hatte er bereits die Vorstellung eines expandierenden Universums theoretisch begründet und mit den damals verfügbaren Beobachtungen untermauert.


Vor 80 Jahren setzte Georges Lemaître, Astronom, Priester und Professor für Physik an der katholischen Universität Löwen im belgischen Flandern, die Idee des Urknalls in die Welt. Er tat es im Verlauf einer von Sir Arthur Eddington, dem berühmten Direktor der Sternwarte Cambridge, in der Zeitschrift »Nature« begonnenen Diskussion über die frühe Phase des Universums. Lemaître sprach dabei vom Auseinanderbrechen eines Uratoms (primeval atom). Die Bezeichnung »Urknall«, im Englischen Big Bang, wurde erst 1948 von Fred Hoyle geprägt - darüber weiter unten mehr. Lemaître hatte bereits 1927 die Expansion des Universums entdeckt, und er schrieb 1933 diese Expansion der Vakuumenergie zu - diese Hypothese wurde erst vor einigen Jahren neu belebt.


Es begann mit einem Artikel in »Nature«

Am 21. März 1931 erschien in der renommierten englischen Zeitschrift »Nature« ein Artikel von Sir Arthur Eddington, in dem er die Meinung vertrat, das Universum habe schon immer existiert; er betonte, die Idee eines Anfangs sei ihm zuwider. Georges Lemaître, der Entdecker des expandierenden Universums, widersprach in einem Leserbrief mit dem Titel: »Der Anfang der Welt vom Standpunkt der Quantentheorie«, der am 9. Mai, also knapp zwei Monate später, ebenfalls in »Nature« erschien (siehe Bild rechts oben). Der Kern seiner Aussage war: Das gegenwärtige Universum könnte durch den Zerfall eines Uratoms entstanden sein. Aber werfen wir doch zunächst einen Blick auf das damalige kosmologische Weltbild.

Im Jahr 1917 hatte Albert Einstein in Berlin in seinen »Kosmologischen Betrachtungen zur Allgemeinen Relativitätstheorie« zwar ein statisches Universum vorgeschlagen, aber damit dennoch den Anstoß zur modernen Kosmologie gegeben. Denn kurz darauf veröffentlichte der Astronom Willem de Sitter in Leiden ein höchst bemerkenswertes Gegenmodell: De Sitters Welt war leer, sie enthielt keine Materie - aber wenn man einen Beobachter und ein Testteilchen hineinsteckte, so sandte dieses Teilchen ein ins Rote verschobenes Spektrum aus. Auch begann es, sich vom Beobachter zu entfernen. Doch de Sitters Theorie war zu undurchsichtig, um eine klare Interpretation zu begünstigen.

Während sich die Theoretiker über de Sitters Weltmodell den Kopf zerbrachen, machten die beobachtenden Astronomen Jagd auf Manifestationen von de Sitters kosmologischer Rotverschiebung. Die von Vesto Slipher seit 1912 am Lowell Observatory in Flagstaff, Arizona registrierten Nebelspektren, insbesondere die hohen Rotverschiebungen der Spiralnebel, gehörten dazu.

Georges Lemaître (1894-1966) entdeckte die Expansion des Universums und begründete als Erster die Urknall-Theorie.

Als der Astronom Edwin Hubble am Mount Wilson Observatory auf der Suche nach einem Bezugssystem zur Darstellung der Sonnenbewegung eine lineare Beziehung zwischen den Distanzen extragalaktischer Nebel und deren Radialgeschwindigkeiten fand und 1929 zusammen mit Milton Humason veröffentlichte, weckte er damit sofort de Sitters Aufmerksamkeit.

Im Januar 1930 diskutierten Eddington und de Sitter bei dem monatlichen Treffen der Royal Astronomical Society in London dieses kurz zuvor entdeckte »hubblesche Gesetz« und fragten sich, welche kosmologische Bedeutung ihm wohl zukomme.

Lemaître las den Sitzungsbericht über diese Diskussion und griff zur Feder. Er informierte Eddington brieflich über seine schon 1927 erschienene Arbeit, in der er die Entfernungs-Geschwindigkeits-Beziehung aus der allgemeinen Relativitätstheorie hergeleitet und auch gleich einen Wert für die hubblesche Konstante berechnet hatte (siehe Bild auf S. 50). In jener Arbeit hatte er aus der Kombination von Theorie und Beobachtung auf die Existenz eines expandierenden Universums geschlossen. Er bat Eddington, diese Information auch an de Sitter weiterzuleiten. Die Umstände der Entdeckung und der kosmologischen Beobachtungen der 1920er Jahre sind in früheren Ausgaben dieser Zeitschrift diskutiert worden; Nussbaumer und Bieri publizierten dazu in englischer Sprache eine detaillierte Arbeit (siehe Kasten »Literaturhinweise auf S. 50).

Die Vorstellung eines expandierenden Universums führte sogleich zur Frage nach einem Anfang: Was verursacht die Expansion, und welche Kräfte treiben sie an? Diese neue Fragestellung wurde 1930 und 1931 insbesondere von Eddington und Lemaître intensiv bearbeitet und diskutiert.


Eddington geht ans Grundsätzliche

Als Eddington 1930 zeigte, dass Einsteins statisches Universum instabil ist, vermutete er, dieses Gebilde könnte den ursprünglichen Zustand beschreiben, aus dem sich die Expansion entwickelte. Er betonte, die kleine Störung, die nötig gewesen sei, um die Expansion einzuleiten, könne sich ohne übernatürliche Beeinflussung ereignen. Allerdings zeigten sich bei den darauf folgenden theoretischen Versuchen, eben diesen Beginn der Expansion zu erklären, unüberwindliche Schwierigkeiten.

Am 5. Januar 1931 hielt Eddington vor der Mathematical Association eine Ansprache als Präsident mit dem Titel »Das Ende der Welt vom Standpunkt der mathematischen Physik«. Es gehe nicht um das räumliche, sondern um das zeitliche Ende, erklärte er eingangs, um dann allerdings auf den Anfangszustand überzuleiten, der eben kein echter Beginn, sondern Einsteins pseudostatisches Universum sei. Aber habe dieses Universum ohne Anfang ein Ende? Eddington argumentierte thermodynamisch mit der Entropie und kam zum Schluss, dass ein Ende nicht in Sicht sei, wohl aber Veränderungen. Er wagte die Vorhersage, Teilchen würden sich in Strahlung auflösen und das Universum damit in einen sich immer weiter ausdehnenden Strahlungsball verwandeln, in dem die Strahlung sich zu immer größeren Wellenlängen transformiere. Der Text dieser Rede wurde in der »Nature«-Ausgabe vom 21. März 1931 publiziert.


Lemaître nimmt den Ball auf

Lemaître reagierte ohne Verzug: »Der Anfang der Welt vom Standpunkt der Quantentheorie« war der Titel der einspaltigen Antwort in »Nature«. Er sah in einem Anfang des Universums nichts Widerwärtiges, und er focht nicht etwa mit theologischen Argumenten, sondern behandelte den Anfang als ernst zu nehmende physikalische Hypothese.

In Lemaîtres Leserbrief finden wir den ersten Vorschlag zur Theorie des Urknalls. Er setzt an den Ursprung ein einziges Uratom, das die Materie des gesamten Universums in sich enthält: »Wenn die Welt mit einem einzigen Quantenteil begann, dann hatten die Begriffe von Raum und Zeit am Anfang überhaupt keine Bedeutung. Sie erhielten erst eine Bedeutung mit dem Zerfall des einen Uratoms in eine hinreichend große Anzahl von Quanten. Falls dieser Vorschlag zutrifft, so begann die Welt kurz vor dem Anfang von Raum und Zeit.« Dieses höchst instabile Atom hätte sich dann in einer Art super-radioaktiven Zerfalls aufgespalten.

Mit seinem Vorschlag hatte sich Georges Lemaître allerdings ein neues kosmologisches Problem eingehandelt: das geringe Alter des Universums. Wenn wir die Expansion zurückverfolgen, bis der »Radius« des Universums, R, auf den Wert R = 0 schrumpft ist, und annehmen, die beobachtete Expansion werde allein durch die gegenseitige Gravitationsanziehung der Materie beeinflusst, so ergibt das Inverse der Hubble-Konstanten H (das ist die Proportionalitätskonstante im hubbleschen Gesetz), eine obere Grenze, t0, für das Alter des Universums. Die damaligen Beobachtungen lieferten H ≈ 500, Kilometer pro Sekunde und Megaparsec - heute wird H ≈ 70 als zutreffend betrachtet. Daraus folgte damals für das Alter des Universums eine obere Grenze von t0 = 2 • 109 Jahren. Aus dem radioaktiven Zerfall der Elemente wurde der Erde ein geologisches Alter von ebenfalls 2 • 1012 Jahren oder gar mehr zugeschrieben, und für die Sonne hatte Edward Condon 1925 eine untere Altersgrenze von 3 • 1012 Jahren berechnet. Dieser enorme Wert, rund 200-mal höher als das heute gültige Alter, folgte aus seiner Annahme, die Leuchtkraft der Sterne werde durch die vollständige Verwandlung von Teilchen in Strahlung gespeist.

Für Einsteins statisches, zeitlich unbegrenztes Universum stellte der hohe Wert, der damals für das Alter der Erde und der Sonne galt, kein Problem dar. Auch Eddington hatte das Altersproblem mit seiner Anknüpfung an Einsteins statische Welt elegant umgangen. Doch für Lemaîtres Expansion aus dem primordialen Atom, deren Ursprung höchstens 2 • 109 Jahre zurückliegen sollte, war das Altersproblem noch weit offen.

Wenn das Universum mit einem Urknall begann, so muss es älter sein als alle kosmischen Objekte!

So standen sich zwei fundamental verschiedene Ansichten über das frühe Universum gegenüber. Lemaître sah den Anfang als explosionsartige Umwand lung eines Uratoms in ein expandierendes Universum mit dem gleichzeitigen Entstehen der Elemente. Für Eddington begann die Expansion durch gravitative Instabilitäten in Einsteins nicht stabilem, quasi statischem Universum. Die beiden Kontrahenten argumentierten wissenschaftlich, aber aus verschiedenen philosophischen Perspektiven. Auch zählte Lemaître auf die Quantentheorie, um sein primordiales Atom besser zu begründen.

Beiden Forschern war Einsteins kosmologische Konstante Λ eine wesentliche Kraft. Sie hielt Eddingtons Anfangszustand so lange im Gleichgewicht, wie es das Alter der Erde und der Sterne erforderte, und sie trieb Lemaîtres Expansion an. Als im April 1931 Einstein endlich die Vorstellung eines expandierenden Universums öffentlich anerkannte, sich aber gleichzeitig von Λ verabschiedete, folgten ihm beide Astronomen nicht. Eher würde er zu Newtons Gravitationstheorie zurückkehren, als auf Λ zu verzichten, schrieb Eddington.


Lemaîtres Urknall

Wie sah Lemaître den Urknall und die Folgen? Er postulierte zwei Phasen der Expansion, und zwar einer Expansion des gesamten mit Materie erfüllten Raums und nicht etwa der Materie in einen Raum hinein. Das oben gezeigte Bild, das er 1947 veröffentlichte, veranschaulicht seine Vorstellung.

Lemaître sah die kosmische Entwicklung nach dem Urknall als Folge eines Ungleichgewichts zwischen der Gravitation und der in Λ enthaltenen Energie. Die Natur hat das Verhältnis zwischen dem initialen Impuls, der kosmologischen Konstanten und der Gravitation offensichtlich so gewählt, dass der Urexpansion eine Stagnation folgte, die der Entwicklung der Sterne genügend Zeit einräumte.

Die hohen Temperaturen des Urknalls hinterließen ihre Spuren. Lemaître vermutete dieses Relikt in der damals bereits bekannten kosmischen Strahlung, also der hochenergetischen Teilchenstrahlung aus dem Weltall; der Physiker Victor Hess hatte sie 1912 bei einem Ballonflug nachgewiesen und ihr den Namen »Höhenstrahlung« gegeben. Die spätere Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung - der elektromagnetischen Drei-Kelvin-Strahlung - muss Lemaître tief befriedigt haben, sie gilt als Bestätigung seiner Idee des Urknalls. Die Entdeckung wurde im Juli 1965 veröffentlicht; Lemaître starb im Juni 1966.

Für Lemaître war die durch Λ repräsentierte Energie wesentlich: Heute wird sie als Dunkle Energie bezeichnet. In einem Vortrag vor der amerikanischen National Academy of Sciences am 20. November 1933 assoziierte er Λ mit der Vakuumenergie: »Alles verhält sich so, als ob die Energie des Vakuums von null verschieden wäre. Damit die absolute Bewegung, das heißt die Bewegung gegenüber dem Vakuum, nicht festgestellt werden kann, müssen wir einen Druck p = - ρ • c2 mit der Energiedichte ρ • c2 des Vakuums assoziieren. Das ist im Wesentlichen die Bedeutung der kosmologischen Konstanten Λ, die einer negativen Vakuumdichte ρ0 = Λ c2/(4πG) entspricht.« So assoziierte Lemaître die kosmologische Konstante mit der Vakuumenergie. Die Idee wurde vor einigen Jahren wieder aufgegriffen.

Lemaître gibt auch eine wissenschaftliche Antwort auf eine philosophische Frage: War das Schicksal der Welt in das Uratom eingeschrieben? Nein, lautet seine Antwort, das Unbestimmtheitsprinzip verhinderte es. Zwar war die gesamte Materie schon am Anfang vorhanden, aber die Geschichte wird Schritt um Schritt geschrieben.


Das zyklische Universum: der Phönix der Legende

Während sich Eddington für einen dramatischen Anfang noch immer nicht zu erwärmen vermochte, sinnierte Lemaître wehmütig über eine scheinbar außerhalb der Reichweite des Überprüfbaren liegende Möglichkeit: das Phönix-Universum.

Schon der russische Kosmologe Alexander Friedmann hatte aus den einsteinschen Gleichungen die Möglichkeit eines zyklischen Universums herausgelesen, und gegen Ende seines 1923 auf Russisch erschienenen Buchs »Die Welt als Raum und Zeit« meinte er dazu: »Unwillkürlich denkt man an die Erzählung aus der indischen Mythologie von den Perioden des Lebens; es ergibt sich auch die Möglichkeit, von der 'Erschaffung der Welt aus dem Nichts' zu sprechen.« Doch, fuhr Friedmann fort, unzulängliche Beobachtungen machen überprüfbare Aussagen unmöglich.

Auch Lemaître konnte sich dem Zauber des zyklischen Universums nicht entziehen. Er beschrieb die Auflösung von Raum und Zeit bei einem Kollaps. Die hohen Dichten würden zwar einen totalen Zusammenbruch bis zum Radius R = 0 verhindern, hingegen müsste die Kontraktion zum umgekehrten Vorgang, also zur Expansion führen. Diese Auferstehung aus einem Zustand nahe dem Null-Volumen wäre ein echter Anfang in dem Sinn, dass jede frühere Struktur vollständig ausgelöscht würde; ein solcher Vorgang - Kollaps und Expansion - könnte sich zyklisch wiederholen.

Doch die aus der Hubble-Konstanten berechnete Zykluslänge war damals viel zu kurz, um mit der Sternentwicklung vereinbar zu sein. Lemaîtres Bedauern ist unüberhörbar, wenn er schreibt: »Diese Lösungen, wo das Universum sich aufeinanderfolgend ausdehnt und zusammenzieht, indem es sich periodisch auf eine Atommasse von der Größe des Sonnensystems reduziert, hatten einen unbestreitbaren poetischen Zauber und erinnerten an den Phönix der Legende.«


Fred Hoyle und der Urknall

Nach Eddingtons und Lemaîtres Formulierung ihrer unterschiedlichen Hypothesen über das ganz frühe Universum tat sich in der Kosmologie bis zum Aufkommen der Steady-State-Theorie Ende der 1940er Jahre nicht viel grundsätzlich Neues. Hingegen wurden auf dem Gebiet des inneren Aufbaus und der Entwicklung der Sterne bedeutende Fortschritte erzielt, insbesondere als 1957 Geoffrey und Margaret Burbidge, William Fowler und Fred Hoyle ihre Ergebnisse zur Nukleosynthese veröffentlichten. Es schien wahrscheinlich, dass eine Reihe von Elementen nicht in Lemaîtres heißem Zerfall des primordialen Atoms entstanden waren, sondern im Innern der Sterne; die Existenz einer anfänglich heißen Phase schien nicht mehr zwingend.

Die Steady-State-Hypothese (steady state bedeutet stationärer Zustand) wurde von Hermann Bondi, Thomas Gold und Fred Hoyle erstmals 1948 in Edinburgh der Royal Astronomical Society vorgetragen und dann in zwei Publikationen in den »Monthly Notices« der weltweiten astronomischen Gemeinde vorgestellt. Der Vorschlag einer laufenden Entstehung neuer Materie war echter Zündstoff, und die drei Autoren wurden über Nacht berühmt. Ihr Vorwurf an Eddington und Lemaître war das Festhalten an der kosmologischen Konstanten und dass ihr Universum nur in räumlicher, nicht aber in zeitlicher Hinsicht homogen war. Sie verlangten nach einem auch zeitlich immer gleichbleibenden Universum. Diese Forderung nannten sie the perfect cosmological principle (das vollkommene kosmologische Prinzip): Danach zeigt sich unser gesamtes Universum so, wie es schon immer war und wie es immer bleiben wird. Obschon nach der Steady-State-Theorie überall fortwährend neue Materie entsteht, so bleiben doch - infolge der Expansion des Raums - die an einem Ort herrschenden Eigenschaften immer dieselben; es gibt keine qualitative Entwicklung.

Wir verzichten auf eine Schilderung der fast zwei Jahrzehnte dauernden Diskussionen um die Steady-State-Theorie. Sie blieb so lange die einzige ernsthafte Konkurrenz zur Urknalltheorie, bis sie 1965 mit der Entdeckung der Drei-Kelvin-Strahlung durch Arno Penzias und Robert Wilson ihr Ende fand.

Die Existenz dieser »kosmischen Hintergrundstrahlung« war bereits 1948 von Ralph Alpher, Hans Bethe und George Gamow theoretisch vorausgesagt worden. Diese Autoren hatten ein expandierendes Universum betrachtet und als dessen Anfangszustand ein heißes, hoch komprimiertes Neutronengas angenommen. Sie hatten vorausgesagt, dass die Wärmestrahlung dieses Gases heute noch als Emission eines Schwarzen Körpers bei der Temperatur von »etwa fünf Kelvin« zu beobachten sein sollte.

Die von Penzias und Wilson entdeckte Hintergrundstrahlung entsprach dieser Vorhersage erstaunlich genau. Ihre Existenz ließ sich durch Lemaîtres Urknallhypothese erklären, nicht aber im Rahmen der Steady-State-Theorie von Bondi, Gold und Hoyle.

In den Jahren 1948 und 1949 wurde Hoyle, er war damals Professor in Cambridge, von der BBC eingeladen, den Radiohörern verschiedene Gebiete der Astronomie näherzubringen. Die Vortragsreihe wurde 1950 publiziert. Am 28. März 1948 sprach Hoyle über das Universum, und als er die Theorien zum expandierenden Universum vorstellte, prägte er den Ausdruck Big Bang: »Wir kommen nun zur Frage der Anwendung der Beobachtungstests auf die früheren Theorien. Diese Theorien beruhten auf der Hypothese, dass die gesamte Materie des Universums in einem großen Urknall (in one Big Bang) zu einem bestimmten Zeitpunkt der entlegenen Vergangenheit geschaffen wurde.« Auch in Hoyles gedruckter Version treffen wir mindestens zweimal auf Big Bang. Der Ausdruck war geboren, und er blieb haften: Urknall heißt er in deutscher Sprache.


Harry Nussbaumer ist emeritierter Professor der ETH Zürich. Er leitete die Gruppe für stellare Astrophysik am dortigen Institut für Astronomie.


Literaturhinweise

Appenzeller, I.: Carl Wirz und die Hubble-Beziehung. In: Sterne und Weltraum 11/2009, S. 44-52

Bartelmann, M.: Der kosmische Mikrowellenhintergrund. In: Sterne und Weltraum 5/2000, S. 330-337

Burbidge, G.: Fred Hoyle - Astrophysiker, Kosmologe, Querdenker. Teil 1 in: Sterne und Weltraum 1/2003, S. 24-31; Teil 2 in: Sterne und Weltraum 2/2003, S. 34-38; Teil 3 in: Sterne und Weltraum 3/2003, S. 34-41

Kippenhahn, R.: Das Gesetz der Expansion wird 80. In: Sterne und Weltraum 11/2009, S. 54-56

Nussbaumer, H.: Achtzig Jahre expandierendes Universum. In: Sterne und Weltraum 6/2007, S. 36-44

Nussbaumer, H.: Revolution am Himmel. vdf Hochschulverlag, Zürich 2011

Nussbaumer, H., Bieri, L.: Discovering the Expanding Universe. Cambridge University Press 2009

Ausführliches Verzeichnis der zitierten Originalarbeiten im Internet:
www.astronomie-heute.de/artikel/1065013


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 47:
Mit diesem kurzen Leserbrief über den »Anfang der Welt« der am 9. Mai 1931 in der Zeitschrift »Nature« erschien, führte Georges Lemaître den Begriff des Urknalls in die wissenschaftliche Diskussion ein - wenn auch unter einem anderen Namen.

Abb. S. 48:
Lemaîtres Vorstellung von der Expansion des Universums
Diese von Georges Lemaître 1947 veröffentlichte Zeichnung zeigt die Veränderung des »Radius« des Universums, R, im Lauf der Zeit t. Die erste, schnelle Expansion nach dem Urknall erfolgt durch den Zerfall des Uratoms unter Entwicklung hoher Temperaturen und dem Entstehen der Elemente. Die ursprüngliche Expansion wird durch die Gravitation fast bis zum Stillstand abgebremst, und das Universum gleitet durch einen quasistatischen Zustand beim Gleichgewichtswert RE. Der Wert der kosmologischen Konstanten Λ liegt aber geringfügig über dem Gleichgewichtswert, und so wird die Expansion weitergetrieben. TH ist das Alter des Universums, das sich aus der beobachteten Expansion nach der Zeit 1/H ergibt. Die Stagnationsperiode kann fast beliebig lange andauern und löst damit das Dilemma zu kurzer Zeiten für die Entwicklung der Sterne. Lemaître vermutete, dass wir uns gegenwärtig in der dritten Phase befinden, der wieder aufgenommenen, nun beschleunigten Expansion.

Abb. S. 50:
Georges Lemaître wies mit diesem Schreiben aus dem Jahr 1930 seinen Kollegen Sir Arthur Eddington auf die von ihm bereits 1927 publizierte Entdeckung des expandierenden Universums hin. Diese Arbeit hatte bis dahin niemand zur Kenntnis genommen.


© 2011 Harry Nussbaumer, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Sterne und Weltraum 5/11 - Mai 2011, Seite 46 - 50
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
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Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Slevogtstraße 3-5, 69117 Heidelberg
Tel.: 06221/9126 600, Fax: 06221/9126 751
Internet: www.astronomie-heute.de

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Das Einzelheft kostet 7,90 Euro, das Abonnement 85,20 Euro pro Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2011