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FORSCHUNG/1285: Spinpolarisation durch Starkfeldionisation (idw)


Forschungsverbund Berlin e.V. - 15.08.2016

Spinpolarisation durch Starkfeldionisation


Starkfeldionisation wird seit mehr als einem halben Jahrhundert untersucht. Dennoch ist die Rolle des Elektronenspins während dieses Prozesses weitgehend übersehen worden. Unsere gemeinsame experimentelle und theoretische Untersuchung erbrachte nun das erstaunliche Ergebnis, dass die Chance, ein Spin-up oder ein Spin-down Elektron aus einen Atom herauszulösen, sehr unterschiedlich sein kann.


Abb: © MBI

Abb. 1: Spinpolarisation gemessen als Funktion der Elektronenenergie. Die blaue Kurve ist eine theoretische Vorhersage, während die roten Punkte mit Fehlerbalken die experimentellen Ergebnisse zeigen. Die Messung erfolgte für Xe-Atome.
Abb.: © MBI


Als eine Grundeigenschaft des Elektrons spielt der Spin eine entscheidende Rolle in der elektronischen Struktur der Materie, von Molekülen und Atomen bis zu Feststoffen, wobei er beispielsweise die magnetischen Materieeigenschaften bestimmt. Ultrakurze Elektronenpulse sind einzigartige Werkzeuge um Materialien zu untersuchen, sowohl deren Struktur als auch Dynamik, und eröffnen ein reiches Feld der ultraschnellen Bildgebung mittels Beugung. Da der Elektronenspin eine wesentliche Variable bei der Beugung darstellt, würden ultrakurze Pulse spinpolarisierter Elektronen diesem Feld eine völlig neue Dimension hinzufügen. Aber wo könnte man solche Pulse erhalten?

Eine Möglichkeit ist die Ionisation in starken Laserfeldern zu nutzen. Dieser Prozess erzeugt von Natur aus Elektronen in ultrakurzen Stößen. Die Bursts dauern nur einen kleinen Bruchteil der Laserperiode an, wenn sie von den Grenzen des Bindungspotentials freigesetzt werden. Aber wären diese Elektronenbursts spinpolarisiert? Überraschenderweise ist diese Frage bis vor kurzem nie gestellt worden.

Diese Situation hat sich nun mit der gemeinsamen experimentellen und theoretischen Arbeit von Alexander Hartung et al., inspiriert von der früheren theoretischen Vorhersage von I. Barth und O. Smirnova (Phys. Rev. A 88, 013401, 2013), geändert. Gas von Xe-Atomen nutzend, präsentieren die Autoren den ersten experimentellen Nachweis von Elektronenspinpolarisation erzeugt durch Starkfeldionisation. Die gemessene Spinpolarisation, siehe Abb.1, erreichte Werte bis zu 30% hoch, wobei sich ihr Vorzeichen mit der Elektronenenergie umkehrt. Diese Arbeit eröffnet die neue Dimension des Spins in der Starkfeldphysik. Sie ebnet den Weg für die Erzeugung von Sub-Femtosekunden, spinpolarisierten Elektronenpulsen mit zahlreichen Anwendungen, die sich von der Untersuchung magnetischer Eigenschaften von Materie auf ultraschnellen Zeitskalen bis hin zum Testen chiraler molekularer Systeme mit Sub-Femtosekunden Zeit- und Sub-Ångström Raumauflösung erstrecken.

Die Veröffentlichung zeigt auch, dass Spinpolarisation während der Laser-getriebenen Elektronenrekollision mit dem Mutter-Ion wichtig ist, wenn solch eine Rekollision durch ein elliptisches Laserfeld herbeigeführt wird. Da bei der Laser-getriebenen Elektronenkollision mit dem Mutter-Ion das Elektron vollständig durch das Laserfeld gesteuert wird, kann die Dynamik nun nicht nur mit Attosekunden zeitlicher und Ångström räumlicher Auflösung untersucht werden, sondern auch mit Spin-Empfindlichkeit. Dies würde es ermöglichen chirale Moleküle mit Sub-Femtosekunden Zeitauflösung und Sub-Ångström Raumauflösung zu untersuchen. Abschließend, die Spinpolarisation des herausgelösten Elektrons ist fest verbunden mit der Erzeugung des Mutter-Ions in einem anfänglich spinpolarisierten Zustand. Spin-Bahn-Kopplung führt dann zu internen ringförmigen Elektronen- und Spinströmen.


Originalpublikation:
Electron spin polarization in strong-field ionization of xenon atoms;
Alexander Hartung, Felipe Morales, Maksim Kunitski, Kevin Henrichs, Alina Laucke, Martin Richter, Till Jahnke, Anton Kalinin, Markus Schöffler, Lothar Ph. H. Schmidt, Misha Ivanov, Olga Smirnova, Reinhard Dörner
Nature Photonics 10, 526-528 (2016)
doi:10.1038/nphoton.2016.109


Weitere Informationen unter:
http://www.mbi-berlin.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution245

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Forschungsverbund Berlin e.V., Karl-Heinz Karisch, 15.08.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2016

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