Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → PHYSIK

GESCHICHTE/023: Der phänomenale Hallwachs-Effekt (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 2 vom 29. Januar 2008

Der phänomenale Hallwachs-Effekt
Wissenschaftler als Namensgeber in der Geschichte der TU Dresden (14)

Von Peter Paufler


Die fachliche Nähe von Elektrotechnik und Physik zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert demonstrierte Wilhelm Hallwachs in wirkungsvoller Weise, als er im Jahre 1900 von der Stelle des Ordinarius für Elektrotechnik an der TH Dresden auf die für Physik wechselte. Ein grundlegendes Bindeglied beider Disziplinen, nämlich die Elektronen im Festkörper, waren das Interessengebiet dieses Meisters der Präzisionsmesstechnik elektrischer Ladungen und Potenziale, der nach Studienjahren in Straßburg und Berlin als Assistent nach Würzburg gelangte. Dort übernahm er die hohen Ansprüche an physikalische Messungen von Friedrich Kohlrausch - später auch als sein Schwiegersohn. 1886 (d. h. mit 29 Jahren) habilitierte er sich bei Gustav Wiedemann in Leipzig. Und dort konzipierte Hallwachs den bekannten Grundversuch, von dem noch die Rede sein wird. Nach erneuter Assistenz bei Kohlrausch (inzwischen in Straßburg) folgte er 1893 dem Ruf nach Dresden. Nachhaltig waren seine Initiativen zur Erlangung des Promotionsrechts der TH Dresden auf dem Gebiet der Physik, zur deutschlandweit ersten Einführung des Studiengangs "Technische Physik" oder zur Bestimmung der Loschmidtschen Zahl im Zuge einer Teneriffa-Expedition. Als Vorsitzender des Dresdner Luftfahrervereins setzte er 1912 die erste Zeppelin-Landung in Dresden durch. Sein hohes Ansehen trug ihm eine Reihe Auszeichnungen ein, schließlich auch die des Rektors der TH 1921/22.

Bei seinen Arbeiten zur Messung elektrischer Ladungen wurde Hallwachs auf eine Beobachtung von Heinrich Hertz aus dem Jahre 1887 aufmerksam, wonach ein Induktionsfunken zwischen Metallplatten durch Bestrahlung mit UV-Licht erheblich verlängert werden kann. Hallwachs entwarf noch am 27. November 1887 einen Versuch, der die Lichtwirkung klarer hervortreten ließ und berichtete 1888 in den Annalen der Physik und Chemie darüber. Er ließ das Licht einer Bogenlampe durch die Öffnung in einer lichtundurchlässigen Platte, in der sich ein Gipsblättchen befand, auf eine blankgeputzte Zinkplatte von etwa 8 cm Durchmesser fallen. Diese Zinkplatte war elektrisch isoliert aufgehängt und elektrisch leitend mit einem Goldblatt-Elektroskop verbunden, dessen Gehäuse auf Erdpotenzial lag. Zwischen Gips-Fenster und Zinkplatte konnte noch ein Schirm zum Test von Absorptions- und Reflexionseigenschaften der Strahlung eingeschoben werden. Wurde die Platte elektrisch geladen, dann zeigten dies die Goldblättchen des Elektroskops durch Abstoßung (Auseinanderspreizen) an. Wenn nun die vorher aufgebrachte Ladung negatives Vorzeichen hatte, fielen die beiden Blättchen unmittelbar nach Belichtung mit der Bogenlampe zusammen, d. h., die negative Ladung ging der Zinkplatte durch die Wirkung der UV-Strahlung verloren. Bei positiver Aufladung änderte sich nach Bestrahlung nur wenig. Wurde anstelle des Gipsfensters eines aus Glimmer verwendet, trat der Effekt ebenfalls nicht auf als Beleg dafür, dass der UV-Anteil des Lichts maßgebend war (Glimmer war als Absorber von UV-Strahlung bekannt). Messing und Aluminium zeigten ähnliches Verhalten, in jedem Fall aber nur blankgeputzte Oberflächen. Korrosionsdeckschichten verhinderten also den Effekt. Da es sich um sehr kleine Ladungsmengen handelte, war größte Sorgfalt des Experimentators gefordert. Das Phänomen fand lebhaftes internationales Interesse. Noch im Jahr 1888 erschienen italienische, französische und russische Beiträge dazu, die einige Zeit später auch zu Prioritätsstreitigkeiten Anlass gaben. Schon 1896 prägte aber Emil Warburg (Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft) in der Fachliteratur die Bezeichnung "Hallwachs-Effekt" für das Phänomen.

Bereits in der ersten Mitteilung hatte Hallwachs den Effekt als Freisetzung negativer Ladungsträger durch die Wirkung der UV-Strahlung gedeutet. Für das weitere Verständnis waren noch folgende Details wesentlich, die z. T. von Hallwachs selbst, aber vor allem durch inzwischen auf dieses Thema aufmerksam gewordene andere Forschergruppen zutage gefördert werden konnten:

1. Die freigesetzte Elektrizitätsmenge war der Lichtintensität proportional,

2. der Effekt tritt ein, wenn die Wellenlänge des einfallenden Lichts eine kurzwellige Grenze unterschreitet, die vom Material abhängt,

3. die Energie der Ladungsträger hängt von der Frequenz des Lichts und nicht von seiner Intensität ab. Lenard identifizierte dann 1899 die fraglichen Ladungsträger als Elektronen, die auch als Kathodenstrahlen ins Vakuum emittiert werden können. Hallwachs erkannte selbst schon das Potenzial dieses Effekts für Anwendung zur elektrischen Messung von Licht. Tatsächlich hat die Fotozelle sehr bald einen Siegeszug durch die quantitative Optik und Fotografie angetreten.

Wenn schon allein die praktische Bedeutung des Hallwachs-Effekts eine Würdigung dieses Forschungsergebnisses gerechtfertigt hätte, so trifft das erst recht auf dessen Konsequenzen für das Gedankengebäude der modernen Physik zu. Denn nach der bis Ende des 19. Jahrhunderts vorherrschenden Wellenvorstellung vom Licht hätte die Energie der freigesetzten Elektronen von der Lichtintensität abhängen müssen. Diese Diskrepanz löste Albert Einstein 1905 durch die Annahme, dass die Energie der Lichtwelle nicht kontinuierlich über den Raum verteilt ist, sondern in diskreten Portionen (Lichtquanten oder Photonen) proportional zur Frequenz von der Welle mitgeführt wird. Ein Photon überträgt seine gesamte Energie auf jeweils ein Elektron des Metalls, was nur dann zur Freisetzung des Elektrons führt, wenn die Energie (Frequenz) eine Mindestgröße erreicht. Diese kühne Hypothese (dafür Nobel-Preis an Einstein 1921 "für seine Verdienste um die theoretische Physik, besonders für seine Entdeckung des Gesetzes des photoelektrischen Effekts") fand zunächst in Fachkreisen wenig Akzeptanz, fehlte doch das Bindeglied zwischen vielfach bewährter Maxwellscher Theorie der elektromagnetischen Wellen und Lichtquanten. Auch Hallwachs äußerte sich in einem Übersichtsartikel 1916 noch skeptisch zur Quantenvorstellung. Erst durch den weiteren Ausbau der Quantentheorie Ende der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts konnten alle bis dahin bekannten Effekte einer einheitlichen Beschreibung zugeführt werden. Der Hallwachs-Effekt war ein Meilenstein auf diesem Wege.


*


Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 19. Jg., Nr. 2 vom 29.01.2008, S. 8
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
Nöthnitzer Str. 43, 01187 Dresden
Telefon: 0351/463-328 82
Telefax: 0351/463-371 65
E-Mail: uj@tu-dresden.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2008