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BERICHT/008: Forschungstechnik neu - Rechnung ohne den Wirt? (SB)


Recherche-Reise "European XFEL und DESY" der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) am 7. und 8. August 2017 in Hamburg


Im Norden Deutschlands wird ein neues Mikroskop gebaut. Als Anfang Mai dieses Jahres erstmals jemand dessen Licht eingeschaltet hat, wurde das Ereignis von den Beteiligten ausgiebig gefeiert. Und als am 23. Juni erfolgreich Licht auf den Probenbereich gelenkt werden konnte, stieg die Laune der Beteiligten noch mehr an. Warum solch ein Gewese um ein Mikroskop gemacht wird, erschließt sich erst dann, wenn man sich die Daten des Geräts und vor allem die daran geknüpften Verheißungen anschaut.

Jenes Mikroskop ist 3,4 Kilometer lang und verläuft schnurstracks in sechs bis 38 Meter Tiefe vom Gelände des Deutschen Synchrotron (DESY) in Hamburg-Bahrenfeld knapp über den Stadtrand der Hansestadt hinaus bis nach Schenefeld in Schleswig-Holstein. Dort wurde ein großes Gebäude errichtet, in dem Proben unter das Mikroskop geschoben und zeitgleich an sechs, später vielleicht zehn Arbeitsplätzen beleuchtet werden. Allerdings nicht mit Licht, wie man es vom Alltag her kennt, sondern mit Röntgenlicht bzw. Röntgenstrahlung. Deswegen wird das rund 1,22 Mrd. Euro teure Gerät üblicherweise auch nicht Mikroskop genannt, obschon es eben dessen Funktion erfüllt, sondern Röntgenlaser. Oder, um noch genauer zu sein, Freier Elektronenlaser im Röntgenbereich, abgekürzt XFEL (vom Englischen X-Ray Free-Electron Laser).


Luftaufnahme, mit Umrissen der Betriebsgelände - Foto: © European XFEL

Die 3,4 km lange Röntgenlaseranlage European XFEL verläuft zu einem großen Teil unterirdisch. Die drei Betriebsgelände (rot umgrenzt) liegen in Hamburg (DESY-Bahrenfeld und Osdorfer Born) und im Süden der Stadt Schenefeld (Kreis Pinneberg, Schleswig-Holstein).
Foto: © European XFEL

Die Firma, die das Gerät betreibt, nennt sich European XFEL, wurde als GmbH gegründet und erfüllt gemeinnützige Zwecke. Zur Zeit sind daran elf Länder beteiligt. Deutschland (Bundesministerium für Forschung und Technologie sowie die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein) trägt mit 58 Prozent die Hauptkosten der Einrichtung, gefolgt von Rußland mit 27 Prozent. Dänemark, Frankreich, Italien, Polen, Schweden, Schweiz, Slowakei, Spanien und Ungarn sind mit Anteilen zwischen ein und drei Prozent dabei. Und der politischen Großwetterlage des Brexit diametral entgegengesetzt vollzieht Großbritannien gegenwärtig gewissermaßen einen Brentry, also einen Beitrittsprozeß zum XFEL.

Die meisten Menschen werden bei Röntgenlicht zunächst einmal an medizinische Diagnostik denken. Die Durchleuchtung von Gliedmaßen mit Röntgenstrahlen läßt Knochenbrüche erkennen, ein Röntgenbild vom Gebiß zeigt den Verlauf von Wurzelkanälen und bei der Durchleuchtung der Hüfte werden Abnutzungserscheinungen der Knochen offenbar. Auf der anderen Seite der Medaille ist Röntgenstrahlung auch von Kernwaffenexplosionen her bekannt. Die Spaltung des Atomkerns erzeugt Röntgenstrahlung, die so stark ist, daß ein Mensch nicht mehr auf dosierte Weise durchleuchtet, sondern erheblich geschädigt wird. Auf welchem dieser beiden potentiellen Anwendungsfelder wird am XFEL gearbeitet, wollte der Schattenblick wissen, und hat eine Antwort darauf aus erster Hand erfahren.

Im Rahmen einer Pressereise, die inzwischen im dritten Jahr von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) zu unterschiedlichen Standorten physikalischer Highlights in Deutschland angeboten wurde [1], ergab sich die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Prof. Robert Feidenhans'l, seit dem 1. Januar 2017 Vorsitzender der Geschäftsführung des European XFEL. Am XFEL darf keine Waffenforschung betrieben werden, stellte er klar. Das sei vertraglich festgelegt worden. Und in der Tat steht in Artikel 1 des "Übereinkommens über den Bau und Betrieb einer Europäischen Freie-Elektronen-Röntgenlaseranlage": "Die Gesellschaft nimmt ausschließlich Tätigkeiten zu friedlichen Zwecken wahr." [2]


Ca. fünf Meter durchmessende, schnurgerade Betonröhre, in der eine endlose Reihe von mit mehreren Röhren verbundenen Apparaten steht - Foto: © 2017 by Schattenblick

Im Beschleunigertunnel des XFEL
Foto: © 2017 by Schattenblick

Den Vertragsunterzeichnern dürfte allerdings klar sein, daß Grundlagenforschung meist beide Seiten der Medaille bedient. Es wird sich kaum vermeiden lassen, daß die vertiefenden Einblicke in atomare, biologische und chemische Prozesse, die mit dem XFEL erstmals möglich werden, auch zu unfriedlichen Anwendungen führen können. Dabei würde man es sich zu einfach machen, wollte man sogenannte Dual-use-Entwicklungen beispielsweise mit der Erfindung des Hammers gleichsetzen, der sowohl friedlich (Einschlagen eines Nagels) als auch unfriedlich (Einschlagen eines Kopfes) verwendet werden kann. Auf den Betreibern des XFEL lastet jedenfalls eine hohe Verantwortung, darauf zu achten, was die Verwendung ihrer Erkenntnisse betrifft. Ob allein der obige Passus aus Artikel 1 ausreicht, um Militärforschung am XFEL zuverlässig auszuschließen, ist fraglich. Zumal bei einem Drehen des politischen Winds auch in Deutschland Interessen an Einfluß gewinnen könnten, die unfriedliche Absichten verfolgen und deren Begehrlichkeiten womöglich durch das kaum abzuschätzende Potential des XFEL für andere als die ursprünglich vorgesehenen Zwecke geweckt werden könnten.

Eine Möglichkeit, auf die Einhaltung jenes vertraglichen Grundsatzes zu achten, bieten sicherlich die Auswahlkriterien für Forschungsanträge. Über die Vergabe der begehrten Plätze in den Laboren, den sogenannten Experimentierhütten, die dem XFEL angeschlossen sind, entscheidet allein die "Exzellenz", erklärte Feidenhans'l in seinem Vortrag gegenüber der Presse. Wer den XFEL nutzt, ist verpflichtet, seine Arbeit zu veröffentlichen. Der Expertenrat vergebe die Plätze nicht nach der Höhe der finanziellen Einlagen, die ein Land getätigt habe, auch wenn das sicherlich irgendwann berücksichtigt würde, falls ein Land gar nicht an die Reihe gekommen wäre. Die Nutzung des Röntgenlasers ist kostenlos. Sollte jedoch die Industrie eine Forschungszeit zugewiesen bekommen, müsse sie dafür bezahlen, erklärte der Referent.

Wenn wir weiter oben geschrieben haben, daß das Röntgenlicht "zeitgleich" auf die Proben in den Experimentierhütten fällt, dann trifft das zu, wenn man das menschliche Auge zum Maßstab nimmt. Doch für die Experimente gilt das nicht. Hier werden Forschungen im Bereich von Femtosekunden (fs) durchgeführt, und eine Femtosekunde ist der Billiardstel Teil einer Sekunde bzw. 0,000.000.000.000.001 s. Ob da irgendetwas zeitgleich auf die Proben trifft, muß vor diesem Hintergrund neu bedacht werden. "Femtoskop" statt Mikroskop wäre vielleicht die treffendere Bezeichnung für den Röntgenlaser.

Der apparative Aufbau, um einen Röntgenlaser mit dieser zeitlichen Genauigkeit und Leuchtstärke zu erhalten, ist gewaltig. Mittels eines 1,7 Kilometer langen Linearbeschleunigers werden zuvor aus einer Metallplatte per Laser herausgetrennte Elektronenpakete von 96, auf einer Linie hintereinander geschalteter Module beschleunigt und dabei energetisch auf zehn bis 17,5 Milliarden Elektronenvolt (Gigaelektronenvolt, abgekürzt GeV) aufgeladen. Die Aufladung erfolgt in Resonatoren, in denen Mikrowellen schwingen. Die Resonatoren sind aus Niob gefertigt und werden auf minus 271 Grad abgekühlt. Dadurch wird das Metall supraleitend, so daß der elektrische Strom verlustfrei auf den Elektronenstrahl übertragen werden kann.


Auf einem Tisch steht in einem Metallgerüst eine ca. eine Meter lange Röhre mit acht tiefen Einschnürungen, die das Gebilde in drei Abschnitte trennen, und mit zahlreichen Schrauben versehenen Endstücken - Foto: © 2017 by Schattenblick

Maschinenkoordinator Winfried Decking erklärt, daß die supraleitenden Niob-Resonatoren das Herzstück des Linearbeschleunigers sind. Sie bringen den Elektronenstrahl auf Trab.
Foto: © 2017 by Schattenblick

Dieser rast nun weiter und gelangt in den Einflußbereich sogenannter Undulatoren. Auf diesem bis zu 212 Meter langen Streckenabschnitt sind Magnete in kurzem Abstand nacheinander und mit den Polen versetzt zueinander untergebracht, so daß der Strahl aus den negativ geladenen Elektronen auf einen Slalomkurs gezwungen wird. Dadurch geben die Elektronen Röntgenstrahlung (Synchrotronstrahlung) ab, die die Elektronen sogar noch überholt. Beide fliegen zwar mit annähernd Lichtgeschwindigkeit, doch legen die Elektronen auf dem Slalomkurs eine längere Strecke zurück. Während das Röntgenlicht die Elektronen überholt, kommt es mit ihnen zu einer Wechselwirkung, wobei einige Elektronen abgebremst, andere beschleunigt werden. Das hat zur Folge, daß sich die Elektronen zu extrem dünnen Scheiben anordnen, wobei sämtliche Elektronen innerhalb einer solchen Scheibe im Gleichtakt schwingen. Das wiederum hat zur Folge, daß das von den Elektronenscheiben emittierte Röntgenlicht in extrem kurzen und intensiven Blitzen abgegeben wird. Läuft der XFEL so, wie geplant, wird er pro Sekunde zehn mal 2.700, also 27.000 Röntgenblitze abgeben. Man spricht bei dem Vorgang der hier beschriebenen selbstverstärkenden spontanen Emission vom SASE-Prinzip. SASE ist das Akronym für die englische Bezeichnung Self-Amplified Spontaneous Emission.

Da der Elektronenstrahl nicht mehr gebraucht wird, wird er in einen Mülleimer, den Dump, gelenkt und gibt dort seine Energie in Form von Wärme ab. Das am Ende extrem verstärkte Röntgenlicht wird den verschiedenen Versuchsanordnungen zugeführt, wo es auf unterschiedliche Weise "zubereitet" wird, bevor es auf die Probe trifft. Mal wird es aufgeweitet und mal gebündelt, mal wird es abgeschwächt und mal gefiltert. Doch welche Spiegel und sonstigen Hindernisse dem Röntgenlicht auch immer in den Weg gelegt werden, um es passgenau zu formen, in keinem Fall dürfen sich Personen in den Experimentierräumen, den sogenannten Hütten, aufhalten. Man kennt das von der medizinischen Röntgenbehandlung: Bis auf den Patienten verlassen alle Personen den Raum. Außerdem müssen sämtliche Proben, Werkzeuge, Geräte oder sonstige Materialien, die aus einer Hütte nach draußen gelangen, zuvor freigemessen werden. So soll sichergestellt werden, daß keine ionisierende Strahlung entweicht.

Die am XFEL angeschlossenen Hütten tragen leider äußerst unzugängliche Akronyme, deren Dekodierung sich für Laien kaum verständlicher anhört. Es wäre vielleicht eine Aufgabe der PR-Abteilung, sich Namen auszudenken, mit denen die unterschiedlichen Tätigkeiten in den Hütten charakterisiert werden, um sie in der Öffentlichkeit präsentieren zu können. So trägt jene Hütte, in der am 23. Juni 2017 erstmals ein Röntgenlaserstrahl "eintrudelte", die Bezeichnung SPB/SFX. Das Akronym steht für Single Particles, Clusters and Biomolecules & Serial Femtosecond Crystallography. In dieser Hütte befaßt sich eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Dr. Adrian Mancuso mit der Strukturbestimmung von Atomen, Clustern, Biomolekülen, Viren und Zellen. Da diese durch die Röntgenstrahlung auseinandergerissen werden, filmt man sie, kurz bevor dies geschieht. Zudem umgibt man die Proben mit so vielen Sensoren, daß sich anhand der registrierten Bahnverläufe der einzelnen Explosionspartikel die ursprüngliche Form des Probenmaterial rückrechnen läßt.


Bressler in der FXE-Hütte, in der zahlreiche Kabel, Kabelstränge und Röhren verlaufen sowie technische Apparate aufgebaut sind. Ein Industrieroboterarm hängt von der Decke - Foto: © 2017 by Schattenblick

Prof. Christian Bressler erläutert den Aufbau des Femtosekunden-Laserexperiments. Der aufgeblähte Müllsack im Hintergrund ist mit Helium gefüllt und wurde dort vorübergehend geparkt. Er dient als Signalverstärker für Laserlicht, soll aber später durch ein weniger "trashiges" Aggregat, das noch nicht geliefert wurde, ersetzt werden.
Foto: © 2017 by Schattenblick

Eine weitere Hütte, die FXE, wird von Prof. Christian Bressler und seinem Team betrieben. Sie erhielt ihr erstes Röntgenlicht kurz nach SPB/SFX. FXE steht für Femtosecond X-Ray Experiments. Untersucht werden hier ultraschnelle Abläufe in Festkörpern, Flüssigkeiten oder Gasen. Hier wird ein Blick auf Prozesse geworfen, die bislang niemand beobachtet hat, beispielsweise darauf, was ganz genau geschieht, wenn zwei Moleküle eine Verbindung eingehen. Man weiß, daß sie es tun, man kennt das Ergebnis, aber wie es zustandegekommen ist, hat sich bislang der Beobachtung entzogen. Nun will man Molekülfilme erstellen.

In einer weiteren Hütte wird zur Zeit das Instrument HED (High Energy Density) aufgebaut. Hier soll Materie in extremen Zuständen (Hitze, Kälte, Dichte, Druck) erforscht werden, indem man sie mit einem einzigen harten Röntgenblitz befeuert. In Verbindung mit astrophysikalischen Beobachtungen erhofft sich die Arbeitsgruppe um Prof. Ulf Zastrau unter anderem Aufschlüsse über die Verhältnisse im Innern von Planeten und Sternen.

Die Erwartungen an die jeweiligen Verfahren, mit denen der Materie weitere Geheimnisse entrissen werden sollen, sind ziemlich hochgesteckt. Es sollen die atomaren Details von Viren und Zellen entschlüsselt werden, wovon man sich die Entwicklung zielgenauer Medikamente verspricht. Kennt man den exakten Ablauf chemischer Verbindungen, können zum Beispiel wirksamere Katalysatoren für die Abgasreinigung gebaut werden. Die Materialwissenschaft erhofft sich von den Arbeit am XFEL Erkenntnisse, die zur Herstellung neuartiger Werkstoffe mit revolutionären Eigenschaften führen, unter anderem aufgrund von Nanomaterialien. Solarzellen mit höherem Wirkungsgrad, Ersatzstoffe für von der Industrie genutzte, giftige Substanzen, Verbesserung von Datenspeichern, Nachstellung der natürlichen und bis heute noch nicht vollständig entschlüsselten Photosynthese sind als weitere Ergebnisse der Forschungen in den XFEL-Hütten zu nennen.


Blick in eine offene Röhre innerhalb einer größeren Röhre, die weitere sieben, geschlossene Röhren enthält, in denen unter anderem Helium befördert wird - Foto: © 2017 by Schattenblick 13 Unterschriften und eine polnische Flagge auf der gelben Außenwand des Moduls - Foto: © 2017 by Schattenblick

Links: Beschleunigermodul, Innenansicht. Rechts: Das letzte der 96 Beschleunigermodule, die von der polnischen Testcrew überprüft wurden, erhielt eine Widmung.
Fotos: © 2017 by Schattenblick

Warum nimmt man Röntgenlicht? Weil es gegenüber dem Licht, das das menschliche Auge wahrzunehmen vermag, sehr viel kurzwelliger ist. Die Auflösungsgrenze eines Lichtmikroskops liegt bei ungefähr 200 Nanometern, was vor allem durch die Wellenlänge des Lichts bestimmt wird. Mit dem Röntgenlaser XFEL soll die Auflösungsgrenze bei 0,05 Nanometer liegen. Damit kann natürlich sehr viel mehr erfaßt werden.

Sprachen wir vorhin davon, daß es für Laien schwierig sein könnte, die Funktionen der jeweiligen Instrumente, die bei ihnen eingesetzten Methoden und mit ihnen verfolgten Ziele genau voneinander zu unterscheiden, gilt etwas ähnliches für die Aufgaben der Wissenschaftler. Forschen sie "an" den Instrumenten oder forschen sie "mit" ihnen? Verstehen sie sich als hochqualifzierte Werkzeugbauer - wie sie sicherlich für den Aufbau des XFEL unverzichtbar sind - oder verstehen sie sich als Nutzer dieser Werkzeuge? Besteht die Grundlagenforschung darin, einen hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit bislang unerreichten Röntgenlaser zu bauen, oder besteht sie darin, mit einem solchen Gerät Grundlagenforschung auf Gebieten wie Biologie, Physik, Chemie, Elektronik, Materialwissenschaften, etc. zu betreiben?

Vielleicht lassen sich diese Funktionen gar nicht so scharf voneinander trennen, da jemand, der den XFEL mit aufbaut, auch ein Verständnis davon haben muß, was genau die Anwender herausfinden wollen. Aber am Ende des Tages, wenn es um die wissenschaftliche Publikation geht, würde der Werkzeugbauer vermutlich im Nachrang erwähnt, da die eigentliche Forschung - beispielsweise die Entdeckung eines Medikaments gegen Krebs - anderen zugeordnet würde. Dieser Eindruck wird durch eine Darstellung in Robert Feidenhans'ls Präsentation vor der Presse bestätigt. Dort heißt es unter anderem: "European XFEL-Forscher(innen) unterstützen bei Experimenten".

Das muß nicht jeder als Problem sehen. Denn wer die Chance erhält, vor dem Hintergrund der jahrzehntelangen Expertise des DESY auf dem Gebiet des Linearbeschleunigers und der Erzeugung von Synchrotronstrahlung am Aufbau des XFEL mitzuarbeiten, wird allein deshalb ein hohes Ansehen in der Physik-Community genießen. Selbst ein etwas nüchternerer Blick auf die Funktionsweise dieses Röntgenlasers, jenseits von Hochglanzbroschüren und PR-Formulierungen wie "Licht der Zukunft", läßt das Potential des XFEL als Innovationsmaschine erahnen, dessen Nutzerbetrieb im September 2017 starten soll.

Ob aber der damit eingeschlagene Weg der technologischen Entwicklung, gestützt auf die fortwährend angewendete Methodenklammer Analyse und Synthese, Synthese und Analyse zu den erhofften Ergebnissen führt, wie zum Beispiel für alle Menschen Energie und Nahrung satt bereitzustellen, hängt doch wohl weniger von den instrumentellen Fertigkeiten des Menschen ab als von den gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen Technologieschübe, wie sie jetzt von XFEL erwartet werden, stattfinden sollen.

Der European XFEL ist eine Forschungseinrichtung für Nutzer aus aller Welt, berichtete Feidenhans'l. In seiner Präsentation heißt es aber auch: "Mit European XFEL wird Europa weltweit führend in einem herausfordenden wissenschaftlichen und technologischen Umfeld". Die Konkurrenz wartet nicht. In den USA sollen im Jahr 2020 zwei Röntgenlaser in Betrieb gehen, und was China, mit dem eine enge Zusammenarbeit besteht, in kurzer Zeit aus dem Boden zu stampfen vermag, kennt man von anderen technologischen Gebieten.

Wo sich Staaten zu Bündnissen wie European XFEL GmbH zusammenschließen und sich Städte wie Hamburg als Metropolregion gegenüber anderen Städten abgrenzen, muß innerhalb dieser konkurrenzgetriebenen Welt irgend jemand ins Hintertreffen geraten, Nachteile erleiden und im Zweifelsfall auf der Strecke bleiben. Endet nicht die Gemeinnützigkeit, die sich die Betreiber des XFEL auf die Fahne geschrieben haben, notwendigerweise mit der Ausgrenzung der nicht zu diesem Gemeinwesen zählenden oder auf andere Weise in Nachteilspositionen geratenen Personen? Wenn diese, erhielten sie aufgrund welcher Umstände auch immer die Chance, selber an den Schalthebeln der Macht zu sitzen, vermutlich nicht anders handelten, so zeigt das, daß die wesentlichen Probleme des Menschen umfassender und zugleich grundlegender in Angriff zu nehmen wären, als es die am XFEL betriebene Grundlagenforschung zu leisten im Stande ist.


Außenansicht des mehrgeschossigen, breiten Gebäudes - Foto: © 2017 by Schattenblick

Vieles neu und manchmal noch eine Baustelle: European XFEL will am 1. September den Nutzerbetrieb aufnehmen
Foto: © 2017 by Schattenblick


Fußnoten:


[1] Der Schattenblick hat die DPG-Recherche-Reisen 2015 und 2016 jeweils durch eine Reihe von Berichten und Interviews nachbereitet. Die Auftaktberichte zu den Beiträgen finden Sie hier:
BERICHT/001: Kernfusion und Plasmaforschung - Im Spannungsfeld der Vielversprechen ... (SB)
http://schattenblick.de/infopool/natur/report/nrbe0001.html
und hier:
BERICHT/118: Forschung, Klima und polar - Hautkontakt und Daten ... (SB)
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0118.html

[2] http://www.xfel.eu/sites/site_xfel-gmbh/content/e63617/e79992/e68648/convention_german_eng.pdf


11. August 2017


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