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ELEKTROTECHNIK/235: Sparsamer speichern (Leibniz-Journal)


Leibniz-Journal - Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft 4/2015

Sparsamer speichern

von Tim Schröder


Maschinen sollen künftig miteinander kommunizieren und Daten aus der Umwelt erfassen. Dazu wird kleine und vor allem energiesparende Mikroelektronik benötigt. Solche Komponenten entwickeln Forscher am Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik in Frankfurt (Oder).


Unsere Welt vernetzt sich immer mehr. Unter dem Schlagwort "Industrie 4.0" sollen Maschinen schon in naher Zukunft miteinander, mit dem Internet oder mit einer Leitzentrale aktuelle Produktionsdaten austauschen. Wälder können dann selbstständig einen Notruf aussenden, sobald ein Waldbrand ausbricht. Und Ackerböden würden dem Landwirt über Funk mitteilen, wenn es an Dünger oder Wasser mangelt.

Voraussetzung für eine solche umfassende Vernetzung sind kleine autonom arbeitende Sensoren, sogenannte drahtlose Sensorknoten, die ihre Umwelt vermessen und Daten über eine Funkverbindung an eine Zentrale schicken. Viele Einsatzgebiete sind denkbar, doch wird diese Zukunftsvision erst dann Realität, wenn es gelingt, die heutigen Sensorknoten kleiner und vor allem energiesparender zu betreiben. Wissenschaftler vom IHP - Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik in Frankfurt (Oder) entwickeln zu diesem Zweck besonders effiziente mikro- und nanoelektronische Bauteile. "Nur auf Basis solcher Technologien können wir künftig ausreichend effiziente Sensorknoten herstellen", sagt Thomas Schröder, Leiter der Abteilung Materialforschung. "Welcher Landwirt hätte schon die Zeit, bei Dutzenden von Sensoren, die im Acker verstreut sind, die Batterien auszuwechseln."


Stromfresser Datenspeicherung

Zum hohen Energieverbrauch mikroelektronischer Komponenten trägt vor allem die Datenspeicherung bei. So wird relativ viel Strom benötigt, um Informationen in das Speichermedium zu schreiben, abzurufen oder wieder zu löschen. Jeder, der heute eine Digitalkamera benutzt, kennt solche Speicher; SD-Karten etwa, in denen ein sogenannter Flash-Speicher zum Einsatz kommt. Darauf lassen sich nahezu unbegrenzt große Mengen von Bild- oder Tondateien aufbewahren. Für Smartphones oder Digitalkameras, die man regelmäßig aufladen kann, sind sie ideal. Doch für die künftigen autonomen Mikrosensoren wäre der Energieverbrauch der Flash-Speicher zu hoch. Am IHP wird eine neue Technologie entwickelt, die seit etwa fünf Jahren weltweit als vielversprechende Speicheralternative diskutiert wird - die RRAM-Technologie (Resistive Random Access Memory), an der heute auch viele Elektronikkonzerne arbeiten.

Der Begriff RAM ist bereits seit vielen Jahren aus der Computersprache bekannt. So wird der Speicher eines PCs als RAM bezeichnet, in dem Informationen in Form von Nullen und Einsen gespeichert sind. Die RRAM-Technologie speichert die Nullen und Einsen jedoch auf eine besondere Weise: Durch einen kurzen elektrischen Spannungspuls wird das Speichermaterial auf kleinem Raum so verändert, dass sich an dieser Stelle der elektrische Widerstand des Materials verändert. Eine Eins liegt vor, wenn das Material an diesem Punkt nicht mehr leitet, eine Null, wenn das Material leitet.


Mindesthaltbarkeit zehn Jahre

"Wie gut ein solcher RRAM arbeitet, hängt ganz besonders von den chemischen und physikalischen Eigenschaften des Speichermaterials ab", sagt der IHP-Materialwissenschaftler Gang Niu. Wie viele andere Forscher weltweit setzt er seit fünf Jahren als RRAM-Speichermaterial vor allem Hafniumoxid ein, eine Verbindung aus dem Metall Hafnium und Sauerstoff. Diese ändert leicht ihren elektrischen Widerstand. "Doch hängt es sehr von der Zusammensetzung des Materials ab, wie gut der Speicher funktioniert."

Niu verfolgt zusammen mit seinen Kollegen mehrere Ziele. Erstens soll der Speicher energiesparend arbeiten. Zweitens soll das Material viele Schaltzyklen ertragen können, also möglichst oft zwischen leitend und nichtleitend wechseln können, ohne dass das Hafniumoxid ermüdet und der Speicher versagt. "Zehn Jahre muss ein solcher Speicher mindestens halten", sagt Niu. Und drittens soll die Information in dem nur wenige Mikrometer kleinen Bauteil sehr dicht gespeichert werden können, damit darauf viele Daten Platz finden.

Niu greift bei seiner Forschung auf imposante Technik zurück. Um etwa die optimale Hafniumoxid-Mischung zu finden, hat er in Kooperation mit Forschern der Technischen Universität Darmstadt eine sogenannte Molekularstrahl-Epitaxie-Anlage (kurz MBE-Anlage) genutzt. Ein Werkstoff wird in einer Vakuumkammer der MBE-Anlage sehr präzise in feinen Schichten auf eine Oberfläche aufgedampft. "Für gewöhnlich dampft man gleich ganze Hafniumoxid-Moleküle auf", sagt Niu. "Wir hingegen haben Hafnium und Sauerstoff separat in die Kammer gegeben. Damit konnten wir das Wachstum der Hafniumoxid-Schicht sehr viel besser steuern." So weiß Gang Niu, dass Hafniumoxid-Schichten dann besonders leistungsfähig sind, wenn in ihnen ein gewisser Mangel an Sauerstoffatomen herrscht. Mit der Darmstädter Anlage ließen sich die Hafnium- und Sauerstoffatome entsprechend dosieren.


Atomgenau durchleuchtet

Lange hatten Wissenschaftler die chemisch-physikalischen Vorgänge in Hafniumoxid-Schichten nicht wirklich verstanden. "Uns war klar, dass wir nur dann eine perfekte Schicht erschaffen können, wenn wir ins Material hineinschauen", sagt Niu. "Wir wollten herausfinden, wie die Struktur aussieht, wenn das Material leitet und wenn es nicht leitet."

Um das Rätsel zu lösen, hat Gang Niu seine Materialproben in den modernsten Synchrotronstrahlungsanlagen Europas, bei PETRA III am Deutschen Elektronen Synchrotron (DESY) in Hamburg sowie in der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble untersucht. In Synchrotronanlagen werden Teilchen so stark beschleunigt, dass sie stark fokussierte Röntgenstrahlung, die Synchrotronstrahlung, abgeben. Diese eignet sich, um Materialien atomgenau zu durchleuchten - zum Beispiel Hafniumoxid. Die Informationen, die Niu in der ESRF gewinnen konnte, waren Gold wert: "Denn erst dadurch konnten wir den Zustand der Hafniumatome genau untersuchen und die Produktion der Schichten anpassen."

Damit in der RRAM-Speicherschicht nebeneinander viele Einsen und Nullen gespeichert werden können, dürfen die benachbarten leitenden und nicht leitenden Bereiche nur wenige Nanometer (Milliardstel Meter) groß sein. Das Material muss entsprechend präzise mit Spannungspulsen versorgt werden, damit sich der Widerstand punktgenau ändert. Auch das ist Gang Niu und seinen Kollegen gelungen. So haben die Forscher eine nur drei Nanometer breite Siliziumspitze mit Metallkappe gefertigt, die die Spannungspulse exakt aufträgt.


Alles unter einem Dach

Die Materialwissenschaftler um Thomas Schröder und Gang Niu arbeiten im IHP Tür an Tür mit den Kollegen der Abteilung "Technologie". "Uns steht ein 1.000 Quadratmeter großer Reinraum zur Verfügung, in dem wir die neu entwickelten Materialien unter professionellen Reinraumbedingungen testen und validieren können", sagt Thomas Schröder. "Damit haben wir ganz andere Möglichkeiten einer statistischen Bewertung von Speichermodulen als zum Beispiel viele Materialwissenschaftler an den Universitäten." Schließlich entwickeln die Kollegen in der Abteilung "Technologie" neben der Fertigung im Reinraum auch die Module, und die Abteilung "System Design" arbeitet an spezifischen Fehleralgorithmen, um RRAM-Speichermodule resistent gegen Fehler in der Hardware beziehungsweise gegen externe Störung zu machen. Schröder: "Damit vereinen wir unter einem Dach die ganze Innovationskette von der grundlegenden Materialwissenschaft über Technologie und Schaltkreise bis hin zu Modulen, um das Gesamtsystem besser zu verstehen und den Bau von Prototypen zu ermöglichen."

Inwieweit die RRAM-Technologie den Flash-Speicher ablösen wird, kann derzeit niemand sagen. "Wo immer aber langlebige und sparsame Mikrospeicher gefragt sind, könnten sich RRAMs künftig als Alternative durchsetzen", sagt Schröder. "Ich könnte mir vorstellen, dass sie sogar als robuster Speicher für Weltraumanwendungen in Frage kommen."

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Quelle:
Leibniz-Journal - Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft, Nr. 4/2015, Seite 30-33
Herausgeber: Der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft
Matthias Kleiner
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2016

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