Schattenblick → INFOPOOL → NATURWISSENSCHAFTEN → TECHNIK


WERKSTOFFE/1006: Leichtbau-Laminate - Algorithmus nach Ameisenvorbild (idw)


Technische Universität Chemnitz - 17.07.2017

Algorithmus nach Ameisenvorbild

Natürliche Abläufe sind Vorbild für die Optimierung von Leichtbau-Laminaten


Für die optimale Dimensionierung, den Aufbau und die Herstellung eines endlosfaserverstärkten, mehrschichtigen Laminats müssen viele Faktoren berücksichtigt werden: Wie viele Schichten werden für die spätere Belastung gebraucht? Aus welchem Material soll es bestehen? Und in welcher Ausrichtung sollen die Fasern platziert werden? Das kann bisher nur durch viele Simulationen in Verbindung mit Experimenten ermittelt werden, denn Laminate können komplex aufgebaute Werkstoffe sein. Sie vereinen mehrere flächig miteinander verbundene Schichten aus zum Teil unterschiedlichen Materialien. Für den modernen Leichtbau sind Laminate aus faserverstärkten Kunststoffen und Kunstharzen von großer Bedeutung, da sie hochfest und leicht zugleich sind. Anwendung finden sie daher in der Luft- und Raumfahrt sowie im Automobil- und Bootsbau.


Dr. Lars Ulke-Winter von der Professur Strukturleichtbau der TU Chemnitz hat im Rahmen seiner Promotion einen Weg gefunden, dieses schwierige Optimierungsproblem des Laminataufbaus zu lösen. Sein Vorbild kommt aus der Natur: Es ist die Ameise. "Ich arbeite mit sogenannten naturanalogen Verfahren. Dazu erschließe ich mir zum Beispiel aus dem Schwarmverhalten der Ameisen einen entsprechenden Algorithmus, mit dem ich das Problem lösen kann", erklärt Ulke-Winter. "Nehmen wir an, ein Ameisenvolk sucht den bestmöglichen Weg zum Futter. Dabei muss jede einzelne Ameise zwischendurch zehn Entscheidungen treffen: Rechts oder links? Stellt sich ein Weg als besonders kurz, also als bessere Alternative heraus, hinterlässt die Ameise auf diesem stärkere Pheromonspuren als üblich. Denen folgen die anderen Ameisen entsprechend häufiger. Von diesem Prinzip habe ich nun einen Algorithmus abgeleitet", erklärt der Forscher. Das Ameisenfutter sei das herzustellende Laminat. Der Weg dahin mit den zehn Entscheidungen sei der Schichtaufbau mit zehn Lagen, so Ulke-Winter weiter. "Für die Simulation nehme ich virtuelle Ameisen, die verschiedene Wege, also verschiedene Schichtstapel, ausprobieren. Dann wird zurückgerechnet, welche Festigkeit diese Stapel haben und ich ordne entsprechend der Qualität dem Schichtaufbau eine virtuelle Pheromonspur zu. Der folgen weitere Ameisen aus dem Schwarm." Nach und nach kristallisiere sich so der optimale Weg, also das optimale Laminat heraus.

Der Einsatz des naturanalogen Optimierungs-Verfahrens ist nicht neu. Die Anwendung auf Laminate in dieser Form aber erfolgte erstmals durch den Chemnitzer Forscher Ulke-Winter. Er hat daraus ein Programm entwickelt, in das nur noch die Schichtanzahl und die gewünschte Belastung eingeben werden muss. Das Programm macht den Rest und errechnet die kürzeste Zeit für die optimale Schichtorientierung der Einzellagen im Laminat. "Darüber hinaus ist es auch möglich, das Material für jede einzelne Schicht auf diese Art optimieren zu lassen oder durch die Anzahl der Durchgänge die Schichtanzahl zu variieren", so Ulke-Winter.

In einem weiteren Teil seiner Promotion setzte Ulke-Winter seinen Algorithmus zusätzlich für gewickelte Druckbehälter um. Auch diese Wicklungen können in unterschiedlichen Ausrichtungen erfolgen. Gibt man die Faserfestigkeit und die Fertigungsparameter der Maschine in das Programm des Chemnitzers ein, erhält man die optimale Verteilung aus Kreuz- und Umfangswicklungen um den Kern herum, die für ein besonders niedriges Gewicht erforderlich sind.

Diese Optimierungsalgorithmen stellt Ulke-Winter nun seinen Kollegen am Bundesexzellenzcluster MERGE als Auslegungswerkzeug zur Verfügung. Die Berechnung und Optimierung von Leichtbaustrukturen steht vor allem im Forschungsfeld "Modellierung, integrative Simulation und Optimierung" des Clusters im Mittelpunkt. Das übergreifende Ziel ist es, ressourcensparende, hochfeste sowie leichte Materialien und Bauteile herzustellen. Das kann mit dieser Methode effizient und ganz ohne Materialverbrauch erreicht werden. (Autoren: Jana Mischke/Matthias Fejes)


Veröffentlichungen:

Ulke-Winter, L.:
"Naturanaloge Optimierungsverfahren zur Auslegung von Faserverbundstrukturen",
Universitätsverlag TU Chemnitz (2017)

Ulke-Winter, L., Kroll, L.,:
"Holistic criteria-based optimization of filament wound high pressure vessels."
CIRP Journal of Manufacturing Science and Technology (2017),
http://dx.doi.org/10.1016/j.cirpj.2017.01.002

Ulke-Winter, L.; Klaerner, M., Kroll, L.:
"Determining the damping behavior of fiber reinforced composites. A new approach to find mathematical relationships in data sets",
In: Composite Structures, Volume 100, pp 34-39 (2013)
http://doi.org/10.1016/j.compstruct.2012.12.026


Weitere Informationen unter:
http://mytuc.org/dvtq

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution85

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Technische Universität Chemnitz, Matthias Fejes, 17.07.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang