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WERKSTOFFE/534: Sputtern - Atomares Billard-Spiel (idw)


Fraunhofer-Gesellschaft - 01.09.2010

Atomares Billard-Spiel


Wenn energiereiche Ionen auf einen Festkörper treffen und aus ihm Atome lösen, nennt man das Sputtern. Damit lassen sich Glasoberflächen hauchdünn beschichten. Forscher haben ein spezielles Sputter-Verfahren entwickelt und die Beschichtungseffizienz enorm erhöht. Von dem Ergebnis profitiert nicht nur die Architektur.

Es soll der spektakulärste Konzertsaal Deutschlands werden: Zwar ist die Elbphilharmonie ein umstrittenes Bauprojekt, doch das Jahrhundertbauwerk hat schon für Aufsehen gesorgt. Weltweit einmalig sind die bis zu fünf Meter hohen Glasscheiben. Jedes der multifunktionalen Isoliergläser ist ein Unikat. Architekturgläser wie diese müssen im modernen Gebäudebau immer höheren Ansprüchen genügen. Nicht nur, dass die Fläche oft sehr groß ist. Spezialgläser müssen eine exzellente Optik bieten sowie wärme- und schalldämmend sein. Wie gut die Eigenschaften sind, hängt vor allem von der Oberflächenbeschichtung ab. Doch diese ist mitunter eine sehr kostspielige Angelegenheit.

Forscher am Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST in Braunschweig haben ein neues Modul für eine Sputter-Anlage entwickelt, mit dem sich die Effizienz des Beschichtungsverfahrens erheblich steigern lässt. Um große Flächen zu beschichten, nutzt man oft das Sputtern. Bei diesem Verfahren wird das gewünschte Material auf die Oberfläche des Glases zerstäubt: Wie in einer Art Billard-Spiel werden die Atome in einer Vakuumkammer aus dem Festkörper, Target genannt, durch Beschuss mit energiereichen Ionen - meist Edelgasionen - herausgeschlagen. Das so aus dem Festkörper gelöste Target-Material kondensiert auf der Glasoberfläche, dem Substrat, zu einer hauchdünnen Schicht - je nach Ausgangsmaterial mit den gewünschten Eigenschaften.

Das ganze Beschichtungsmodul kann verschiedene Formen haben: Besteht es aus zwei rotierenden Rohren, in deren Innerem starke Magnete sitzen, so nennt man das Doppel-Magnetron. Zwar erhöhen die Magnete die Sputterrate, dennoch waren Ingenieure bisher stark eingeschränkt: »Wir können nur solche Materialien sputtern, die auch als Target herstellbar sind«, sagt Dr. Bernd Szyszka, Abteilungsleiter am IST. »Außerdem ist das bisherige Sputter-Verfahren ineffizient. Nur ein Bruchteil der einfallenden Ionen führt zum Sputtern. Mehr als 95 Prozent heizen nur das Kühlwasser.«

Diese Hürden haben die IST-Experten überwunden: Im neuen Beschichtungsmodul ist hinter jedem Target-Rohr jeweils ein weiteres flaches Target angeordnet, das aus einem schweren Element wie Bismut besteht. »Damit kann man die Sputterrate erheblich steigern«, erklärt Szyszka. Denn das ionisierte Edelgas löst die Bismut-Atome aus dem flachen Festkörper und »implantiert« sie allmählich in das Rohrtarget, wie die Experten sagen. »Mit Hilfe von Bismut können wir beispielsweise die Abscheidung von Titanoxid deutlich verbessern«, sagt der Forscher. Mehr Beschichtungsmaterial wird aus dem Festkörper gelöst. Diesen Effekt haben die IST-Forscher jetzt industrietauglich gemacht. »Mit Hilfe eines Simulationsprogramms ist es uns bereits vor dem Bau des neuen Moduls gelungen, das Sputtern am flachen und am Rohrtarget zu optimieren. Wir können die Target-Materialien jetzt beliebig kombinieren, ohne dass es zu unerwünschten Reaktionen auf der Oberfläche kommt.«

Das Ergebnis: Eine höhere Beschichtungsrate und eine homogenere Oberflächenschicht mit neuen, bisher nicht herstellbaren Materialien. Und die Schicht ist in kürzerer Zeit, mit weniger Energieverbrauch, fertig. »Mit unserer Beschichtungstechnik können wir drei alte Magnetrons durch zwei neue ersetzen. Sie ist erheblich kostengünstiger und ermöglicht verbesserte Materialeigenschaften«, sagt Szyszka. Ob Auto-Panoramadächer, die sich kaum aufheizen, oder verbesserte Photovoltaik-Zellen - das Anwendungsspektrum des Sputter-Moduls, das die Forscher vom 28. September bis zum 1. Oktober auf der Messe Glasstec in Düsseldorf vorstellen, ist vielfältig. »Es wird das Beschichten von Großflächen revolutionieren«, ist der Wissenschaftler überzeugt.

Weitere Informationen unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Fraunhofer-Gesellschaft, Britta Widmann, 01.09.2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2010