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WERKSTOFFE/620: Leuchtende Nanopartikel aus der Mikrowelle (RUBIN)


RUBIN - Wissenschaftsmagazin, Frühjahr 2012
Ruhr-Universität Bochum

Sparlampen umweltfreundlicher machen
Leuchtende Nanopartikel aus der Mikrowelle
EMIL: Ionische Flüssigkeiten zur Synthese von Materialien

von Anja-Verena Mudring

Ionische Flüssigkeiten sind Salze mit besonderen Eigenschaften. Bei Raumtemperatur flüssig, eignen sie sich besonders gut als Lösungsmittel zur Herstellung von Nanopartikeln. Denn die großen Ionen, aus denen sie bestehen, ummanteln kleine Partikel und hindern sie am Weiterwachsen. Die flüssigen Salze sind zumeist nicht brennbar, verdampfen nicht und lassen sich einfach handhaben und recyceln. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Anja-Verena Mudring nutzt solche Flüssigkeiten, um leistungsfähige neue Leuchtstoffe für umweltfreundliche Energiesparlampen herzustellen, im European Research Council-Starting Grant geförderten Projekt "EMIL" - exceptional materials via ionic liquids.


Ionische Flüssigkeiten haben in den letzten zehn Jahren große Aufmerksamkeit erfahren. Im Gegensatz zu Kochsalz, das wie viele klassische Salze einen hohen Schmelzpunkt von mehr als 800°C hat, sind Ionische Flüssigkeiten nach einer allgemeinen Definition Salze, die unterhalb von 100°C schmelzen. Viele von ihnen sind schon bei Raumtemperatur flüssig, und die Erstarrungspunkte können bei knapp - 100°C liegen. Solch eine dramatische Absenkung der Schmelzpunkte kann man erreichen, indem man viel größere Ionen nimmt als im Kochsalz, welches aus positiv geladenen Natrium-Kationen und negativ geladenen Chlorid-Anionen besteht (Abb. 2). Häufig genutzte Kationen Ionischer Flüssigkeiten sind große organische Kationen wie bestimmte Ammonium-Ionen. Als Anionen eignen sich große Ionen wie Tetrafluoroborat oder Hexafluorophosphat. Je größer die beteiligten Ionen, desto geringer ist die Anziehung zwischen den geladenen Teilchen und umso niedriger der Schmelzpunkt, da weniger Energieaufwand notwendig ist, um die Teilchen voneinander zu lösen.

BUBL: © Ruhr-Universität Bochum

Abb. 2: Ionische Flüssigkeiten kann man erzeugen, indem man wesentlich größere Ionen nutzt als im Kochsalz. Die Anziehung zwischen den Ionen wird dann kleiner, die Schmelztemperatur sinkt. Während sich Kochsalz bei rund 800°C verflüssigt, sind viele Ionische Flüssigkeiten bei Raumtemperatur flüssig. [BF4]- = Tetrafluoroborat, [NR4]+ = Ammonium-Ion
© Ruhr-Universität Bochum

Obwohl diese Verbindungsklasse schon über ein Jahrhundert bekannt ist, hat man erst in den letzten Jahren ihr Potenzial erkannt. Zunächst hat man den Einsatz Ionischer Flüssigkeiten für Batterie-Anwendungen untersucht, weil sie Ionenleiter sind. Weil es sich um Salze handelt, sind die Stoffe nur schwer entflammbar. Dies hat zum Beispiel Vorteile beim Einsatz als Elektrolyte in Lithium-Ionen-Batterien. Durchschlägt man mit einem Nagel einen konventionellen Lithium-Ionen-Akku, wie man ihn in Handys oder Laptops findet, dann fängt dieser an zu brennen. Der Grund ist, dass elementares Lithium mit Luft heftig reagiert und im Akku andere Stoffe die Verbrennung noch unterstützen. Ein Lithium-Ionen-Akku, der auf einer Ionischen Flüssigkeit basiert, entzündet sich nicht, da das Salz nicht brennt und einen Verbrennungsprozess sogar noch hemmt.

Eine weitere besondere Eigenschaft Ionischer Flüssigkeiten: Ihr Dampfdruck - das heißt die Tendenz, in die Gasphase überzugehen (zu verdampfen) - ist so gering, dass man ihn kaum messen kann, was man auch daran merkt, dass man sie wie auch Kochsalz nicht riechen kann. Grund für den geringen Dampfdruck ist, dass es keine Moleküle sind, die in die Gasphase gehen müssten, sondern gegensätzlich geladene Ionen. Also müssten immer mindestens zwei Teilchen in die Gasphase gehen. Diese Eigenschaft ist ein großer Vorteil, wenn man bedenkt, dass der Austritt von Chemikalien in die Umwelt und damit die Verschmutzung der Umwelt zu etwa 70 Prozent über die Gasphase erfolgt. Ist eine Chemikalie einmal in der Atmosphäre, ist ihre Verbreitung kaum zu kontrollieren. Aus diesem Grund hat man vor rund zehn Jahren angefangen zu erforschen, ob es möglich ist, in chemischen Prozessen, beispielsweise bei der Herstellung von wichtigen organischen Chemikalien und Pharmazeutika, Ionische Flüssigkeiten als Lösungsmittel einzusetzen und damit klassische, flüchtige Lösungsmittel wie Alkohole, Aceton, Benzol oder Acetonitril zu ersetzen (s. Info 1).


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INDUSTRIELLE ANWENDUNG IONISCHER FLÜSSIGKEITEN

Es ist gelungen, einige industrielle Prozesse durch den Einsatz von Ionischen Flüssigkeiten zu verbessern. Als eine der ersten großen Chemie-Firmen hat die BASF die großtechnische Anwendung von Ionischen Flüssigkeiten untersucht und den sogenannten BASIL-Prozess (Biphasic Acid Scavenging utilizing Ionic Liquids) entwickelt: Bei vielen chemischen Reaktionen werden Säuren freigesetzt, die abgefangen werden müssen. Klassischerweise geschieht das durch Zugabe von Basen, im einfachsten Fall von Aminen. Dabei fallen große Mengen an festen Salzen an, die schwer zu handhaben sind, weil man sie mit mechanischen Transportschnecken entfernen muss. Rohrleitungen werden leicht verstopft. Wählt man aber ein Amin, das eine Ionische Flüssigkeit bilden kann, so entsteht ein flüssiges Nebenprodukt, das sich sehr viel einfacher handhaben lässt, da man es ohne Probleme abpumpen kann.

Ein weiterer Vorteil ist, dass sich das Amin aus der Ionischen Flüssigkeit recyceln lässt. So konnte die BASF zeigen, dass der BASIL-Prozess nicht nur umweltfreundlicher und ressourcenschonender ist, sondern auch noch preiswerter und effizienter, also insgesamt ökoeffizient.

Schon bald hat man erkannt, dass sich das Potenzial Ionischer Flüssigkeiten nicht auf den Einsatz in Batterien oder in der organischen Synthese beschränkt. In den letzten Jahren hat die Substanzklasse Eingang in Produkte gefunden, die uns umgeben. Evonik nutzt Ionische Flüssigkeiten beispielsweise zur Verbesserung von Lacken und Farben. Sie sorgen dafür, dass die Farbpartikel sich einheitlicher verteilen und sich die Farbe gleichmäßiger auftragen lässt. Denn die Ionen legen sich dank elektrostatischer Anziehung wie ein Mantel um die Farbpartikel und verhindern, dass sie zusammenklumpen können.


Trotz der Furore, die Ionische Flüssigkeiten in den letzten zehn Jahren gemacht haben, haben sie erstaunlicherweise im Bereich der Anorganischen Materialsynthese bislang wenig Beachtung gefunden. Als ausgebildete Festkörperchemikerin war mir der Einsatz von Salzschmelzen zur Synthese anorganischer Materialien wie Supraleitern wohlbekannt, und es hat mich gereizt, in diesem Kontext Ionische Flüssigkeiten zu untersuchen. Mit ihnen liegt ja ebenfalls eine Salzschmelze vor, aber eben bei viel niedrigeren Temperaturen als für klassische Salze typisch. Dadurch sollte nicht nur eine Synthese bei viel milderen Bedingungen in einem ionischen Medium möglich sein, sondern auch die Herstellung vieler neuer Verbindungen, die bei hohen Temperaturen nicht stabil sind.

Als wir das Feld betraten, war überhaupt noch nicht verstanden, wie sich Ionische Flüssigkeiten in der anorganischen Chemie verhalten. Wir mussten viel Grundlagenforschung betreiben, um zum Beispiel zu verstehen, wie sich ein einfaches Metallsalz in einer Ionischen Flüssigkeit löst und wie die Komponenten darin vorliegen. Als wir unser erstes Projekt bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) vorstellten, wurden wir gefragt, ob es überhaupt möglich sei, etwas in einer Ionischen Flüssigkeit aufzulösen, da man doch für Ionische Flüssigkeiten gerade schwachwechselwirkende Teilchen nimmt. Diese könnten doch gar nicht mit dem zu lösenden Stoff wechselwirken. Also haben wir zunächst erforscht, wie solche schwachen Wechselwirkungen aussehen, und ein Paradigma umgestoßen: Die Ionen Ionischer Flüssigkeiten wechselwirken sehr wohl mit dem gelösten Stoff, wenn auch viel schwächer als in wässeriger Lösung. Aber wenn der Konkurrent Wasser nicht da ist, nehmen die zu lösenden Stoffe auch mit den Ionen Ionischer Flüssigkeiten vorlieb. Das hat uns eine viel zitierte Publikation in einem hochrangigen Chemie-Journal eingebracht.

Zur Aufklärung dieser fundamentalen Aspekte haben wir substanzielle Förderung durch die DFG erhalten. In diesem Zusammenhang beschäftigen wir uns auch mit der Struktur von Ionischen Flüssigkeiten. Viele dieser Stoffe bilden auch flüssigkristalline Phasen aus. Ein Flüssigkristall ist ein Zwischending zwischen einem Kristall, in dem alle Teilchen im Raum exakt angeordnet sind, und einer Flüssigkeit, in der alle Teilchen vollkommen ungeordnet vorliegen. In einem Flüssigkristall kann Ordnung in nur eine Raumrichtung herrschen oder auch in zwei Richtungen. Den Grad der Ordnung kann man nachweisen, wenn man sich die Stoffe mit einem Mikroskop zwischen zwei Polarisationsfiltern anschaut. So erkennt man Muster, die auf die innere Struktur des Stoffes hinweisen. Viele dieser Bilder sehen aus wie kleine Kunstwerke (s. Abb. 3). Flüssigkristalle sind die Basis von Notebook- und Handy-Displays (LCD = liquid crystal display). Ihre Funktion beruht darauf, dass sie die Polarisationsrichtung von Licht beim Anlegen einer bestimmten Spannung verändern. Auch Duschgels und Haarwaschmittel, die irisieren, enthalten Flüssigkristalle.

Zu der Zeit, als wir uns mit den fundamentalen Eigenschaften Ionischer Flüssigkeiten beschäftigten, kam mir die Idee, dass Ionische Flüssigkeiten als salzartiges, ionisches Lösungsmittel bei tiefen Temperaturen viel mehr Potenzial haben als zunächst angenommen - insbesondere, wenn man ihre ungewöhnlichen Eigenschaften bei der Synthese ausnutzt.

Zum einen haben sie ja so gut wie keinen Dampfdruck. Daher kann man sie einerseits nicht verdampfen wie klassische Lösungsmittel, aber andererseits sollte es möglich sein, sie unter Vakuum zu handhaben, eben ohne dass sie verdampfen.

Eine zweite Eigenschaft Ionischer Flüssigkeiten ist, dass sie, weil es sich um Salze handelt, extrem gut Mikrowellenstrahlung aufnehmen und sich somit effizienter erhitzen lassen als andere Lösungsmittel. Wir hatten in einem Fachjournal einen ersten Bericht über die Herstellung von Nanomaterialien aus Ionischen Flüssigkeiten in einer Haushaltsmikrowelle gelesen. Ionische Flüssigkeiten eignen sich besonders gut zur Herstellung von Nanopartikeln, weil sich die Ionen um kleinste Partikel herumlegen wie ein Mantel und so verhindern, dass die Partikel weiter wachsen können - der gleiche Effekt, den man sich bei Farben zunutze macht (s. Info 1). Inspiriert vom Bericht ist ein Mitarbeiter in den nächsten Supermarkt gegangen und hat dort die preiswerteste Haushaltsmikrowelle gekauft, die er finden konnte.

Wir wollten Nickeloxid-Nanopartikel herstellen, ein magnetisch interessantes Material. Also haben wir die nötigen Startmaterialien in einer Ionischen Flüssigkeit gelöst, in einem kleinen Gefäß in die Mikrowelle gestellt und den Timer auf zwei Minuten eingestellt. Doch kaum lief die Mikrowelle an, gab es einen Schlag, und es war klar, dass da eine ziemlich schnelle Reaktion vonstatten gegangen war. Wir haben die Mikrowelle sofort gestoppt. Ein Blick in die Mikrowelle zeigte: Die Nanopartikel hatten sich tatsächlich gebildet - die Wand der Mikrowelle war fein mit dem Produkt ausgekleidet. Da war klar, dass das Prinzip funktioniert, aber noch viel Arbeit in die Entwicklung einer Synthese gesteckt werden musste - und dass wir vor allem doch Geld für eine ausgefeiltere Labormikrowelle brauchten.

Zu dieser Zeit war gerade der Europäische Forschungsrat (ERC) gegründet worden, und die ersten Ausschreibungen für Projekte in der Grundlagenforschung waren veröffentlicht. Die Projekte sollten absolute Grundlagenforschung beinhalten und durften durchaus risikobehaftet sein. Neuland sollte betreten werden. Also habe ich ein Forschungsvorhaben eingereicht, in dem das Potenzial Ionischer Flüssigkeiten als neuartige Lösungsmittel zur Herstellung von Leuchtstoffen auf der Nanoskala ausgelotet werden soll. Das Projekt heißt "EMIL" - exceptional materials via ionic liquids - ungewöhnliche Materialien über Ionische Flüssigkeiten (s. Info 2). Die Synthese sollte aber nicht einfach über Erwärmen laufen, sondern speziell die ungewöhnlichen Eigenschaften Ionischer Flüssigkeiten ausnutzen.


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ERC-STARTING GRANT

Der European Research Council (ERC), der 2007 gegründet wurde, unterstützt die Forschung der Arbeitsgruppe mit einem Starting Grant von rund einer Million Euro für fünf Jahre. Eine "Proof of Concept"-Förderung von 150.000 Euro für ein Jahr soll helfen, die Forschungsergebnisse in marktreife Produkte umzusetzen. Dank ERC-Grant konnte Prof. Dr. Anja-Verena Mudring nicht nur teure Geräte zur Synthese und Analyse beschaffen, sondern auch ein internationales Forscherteam aufbauen. Es setzt sich zusammen aus Forschern aus Indien, China, England, Polen und natürlich aus dem Ruhrgebiet.

Die Forschung über Ionische Flüssigkeiten als ungewöhnliche Lösungsmittel steht thematisch in enger Verbindung mit dem von der RUB beantragten Exzellenz-Cluster RESOLV (Ruhr explores solvation). Ziel ist ein tiefgreifendes Verständnis der Solvatation auf Basis chemischer, physikalischer und ingenieurwissenschaftlicher Grundlagenforschung als Voraussetzung für wichtige Schlüsseltechnologien zur Vermeidung von Umweltbelastung, zur Verbesserung der Energieeffizienz und zum Verständnis von Korrosionsprozessen sowie für die Erklärung von biologischen Funktionen.


Leuchtstoffe, z.B. in Energiesparlampen, funktionieren nur dann, wenn ihre Teilchengröße im Nanometerbereich liegt. Warum, wird klar, wenn man sich anschaut, wie eine Energiesparlampe aufgebaut ist:

Im Inneren des Glaskörpers solcher Lampen befindet sich ein mit Quecksilber versetztes Edelgas. Beim Einschalten der Lampe betätigt man einen Zünder, der anfangs eine hohe Spannung in die Lampe leitet und den Strom dann drosselt. An jedem Ende der Lampe befinden sich Elektroden, zwischen denen Strom fließt, sobald der Zünder betätigt wird. Die Elektronen, die durch die Lampe fließen, prallen auf das Quecksilber-Gasgemisch und erzeugen ein Plasma, versetzen das Gas also in einen elektronisch angeregten Zustand. In diesem Zustand senden die Quecksilberatome UV-Strahlung aus. Da man diese Strahlung nicht sehen kann, ist die Innenseite der Lampe mit Energiekonversionsleuchtstoffen beschichtet, die UV-Strahlung in sichtbares Licht umwandeln (s. Abb. 4). Damit das Licht optimal aus der Energiesparlampe austreten kann, müssen die Leuchtstoffpartikel so klein sein, dass sie das Licht nicht streuen, denn sonst würde ein Großteil des Lichts zurück ins Innere der Lampe reflektiert.

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Abb. 4: Funktionsprinzip von Energiesparlampen. Der Glaskolben ist mit einem Quecksilber-Gasgemisch gefüllt. Fließt ein Strom durch die Elektroden der Lampe, kollidieren die Elektronen mit den Atomen des Gasgemischs, das in einen angeregten Zustand übergeht (Plasma). Dabei senden die Quecksilberatome UV-Strahlung aus. Da diese nicht sichtbar ist, müssen Leuchtstoffe an der Innenseite des Glases sie in sichtbares Licht umwandeln. Die Leuchtstoffpartikel müssen so klein sein, dass sie das Licht nicht zurück in die Lampe reflektieren können.
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Übliche Leuchtstoffe sind Sauerstoffbasiert (oxidisch) und enthalten Seltenerd-Elemente, die in den Grundfarben Rot, Grün und Blau leuchten (s. Abb. 5). Die Mischung aus den drei Farben ergibt dann weißes Licht. Zu den Metallen der Seltenen Erden gehören insgesamt 17 chemische Elemente. Die wenigsten Seltenerd-Elemente sind wirklich selten, einige kommen in der Erdkruste häufiger vor als Blei oder Arsen.

© Ruhr-Universität Bochum

Abb. 5: Unter UV-Licht leuchten verschiedene Seltenerd-Elemente in verschiedenen Farben. Hier Angaben für Europium (Eu) und Terbium (Tb). Die Oxidationsstufe des Seltenerd-Elements, d.h. die Anzahl der Elektronen, die es aufgenommen bzw. abgegeben hat, bestimmt die Farbe.
© Ruhr-Universität Bochum

Für künftige Energiesparlampen wäre es wünschenswert, wenn man das Quecksilber durch einen weniger giftigen Stoff ersetzen könnte. In der Tat könnte man Edelgase wie Xenon verwenden. Nur ist Xenon-UV-Licht energiereicher als Quecksilber-UV-Licht. Damit die Lampe eine Energiesparlampe bleibt, muss die energiereichere UV-Strahlung von Xenon besser ausgenutzt werden. Dazu bräuchte man viel effizientere Leuchtstoffe - am besten solche, die aus einem UV-Photon zwei sichtbare Photonen machen. In Quecksilber-Lampen wird aus einem UV-Photon nur ein sichtbares gemacht. Dabei gehen selbst in der Energiesparlampe rund 60 Prozent Energie verloren.

Kollegen aus den Niederlanden, Andries Meijerink und Mitarbeiter, hatten schon an großen Kristallen gezeigt, dass es solche Materialien gibt, die aus einem UV-Lichtquant zwei sichtbare machen. Es handelt sich um eine Kombination von Gadoliniumfluorid mit Europium, die UV-Strahlung in sichtbares, rotes Licht umwandeln. Gadolinium wie auch Europium gehören zu den Seltenerd-Elementen.

Unsere Idee war nun, solche Stoffe auf der Nanoskala auf zwei unterschiedlichen Wegen aus Ionischen Flüssigkeiten herzustellen. Und zwar einmal über einen sogenannten top-down approach, bei dem man vom Volumenmaterial (also von größeren Partikeln) ausgeht und dieses klein macht, und zum anderen über einen bottom-up approach, bei dem man aus chemischen Vorläufern die Verbindung aufbaut.

Für den top-down approach war der Ansatz, Seltenerdfluoride, die als Feststoff vorliegen, in Ionische Flüssigkeiten hinein zu verdampfen. Eine effiziente Verdampfung ist nur unter hohem Vakuum möglich. Unter diesen Bedingungen gehen die Seltenerdfluoride als Moleküle in die Gasphase. Die Nanopartikel sollten sich beim Kondensieren der Seltenerdfluoride in der Ionischen Flüssigkeit bilden. Das Ganze funktioniert aber nur, wenn es tatsächlich möglich ist, mit Ionischen Flüssigkeiten unter Vakuum zu arbeiten. Wir haben dazu ein Gerät angeschafft, das aussieht wie ein großer Rotationsverdampfer (s. Abb. 1). Im Rundkolben wird die Ionische Flüssigkeit vorgelegt. Der Kolben wird in Rotation versetzt, damit sich ein Film Ionischer Flüssigkeit auf seiner Innenseite bildet, in den die Seltenerdfluoride kondensiert werden. Und es hat geklappt: Uns ist die Herstellung von Nano-Leuchtstoffen in allen Grundfarben gelungen (s. Abb. 6 und 7). Die Nanopartikel fallen als Feststoff aus. Sie werden mit einem gewöhnlichen Lösungsmittel wie Aceton oder Dichlormethan aus der Ionischen Flüssigkeit ausgewaschen. Beim Zentrifugieren lassen sie sich als feines Pulver gewinnen.

Bei der zweiten Synthesestrategie, bottom-up, gehen wir von einfachen Seltenerdsalzen wie Gadolinium- und Europiumacetat aus. Acetate sind Salze der Essigsäure. Diese werden in einer Fluorid-haltigen Ionischen Flüssigkeit gelöst. Die Reaktionsmischung wird dann in einer Labormikrowelle (die wir uns dank ERC leisten konnten) erhitzt - zehn Minuten, 120°C, wirklich fast wie ein TV-Dinner -, und wir haben die gewünschten Nanopartikel erhalten. Die Ionische Flüssigkeit steuert Fluorid-Moleküle zu den Nanopartikeln bei. Die festen Partikel werden ausgewaschen wie beim top-down-Verfahren.

Ganz so einfach, wie es hier klingt, war es natürlich nicht wirklich. Es hat ein bisschen gedauert, bis wir die richtige Ionische Flüssigkeit als Lösungsmittel gefunden hatten: Bei mehr als einer Million möglicher Ionischer Flüssigkeiten war das zu erwarten. Beim Kation, dem positiv geladenen Teilchen der Ionischen Flüssigkeit, haben wir viele ausprobiert. Beim Anion brauchten wir eines, das Fluorid freisetzt, und da kamen nur zwei in Frage. Schließlich haben wir tatsächlich eine Flüssigkeit gefunden, die ein Nanomaterial lieferte, das eine Effizienz nahe am theoretisch Möglichen hat: Die theoretische Obergrenze ist die Umwandlung von einem UV-Photon in zwei sichtbare Photonen, was einer Lichtquantenausbeute von 200 Prozent entspricht. Die Effizienz unseres Leuchtstoffs, Europium-dotiertem Gadoliniumfluorid, liegt bei 194 Prozent (s. Abb. 8).

© Ruhr-Universität Bochum

Abb. 8: Vergleich der Effizienz eines in der Arbeitsgruppe von Prof. Mudring auf verschiedenen Wegen hergestellten Leuchtstoffs (Europium-dotiertes Gadoliniumfluorid, GdF3:Eu) bei Bestrahlung mit UV-Strahlung unterschiedlicher Wellenlänge. Bei UV-Strahlung mit 202 nm Wellenlänge (rot) liegt die Effizienz nahe am theoretisch möglichen Wert von 200 Prozent. Xenon-Plasmen senden UV-Strahlung mit 170 nm Wellenlänge aus.
© Ruhr-Universität Bochum

Die Synthese ist schnell und effizient. Vor allem aber müssen keine korrosiven oder toxischen Verbindungen benutzt werden, was ein großer Fortschritt ist. Er lässt hoffen, dass in der Zukunft tatsächlich solche Materialien, hergestellt aus Ionischen Flüssigkeiten, im größeren Maßstab produziert und in Leuchtmitteln wie Energiesparlampen und LEDs eingesetzt werden können.

Um das auszutesten, haben wir gerade den zweiten ERC-Grant bekommen. Dieser "Proof of Concept"-Grant soll es uns ermöglichen, die Idee zur Marktreife zu bringen. Natürlich gibt es da noch einen besonderen Trick, über den wir noch nicht berichten können. Mit Hilfe der Verwertungsgesellschaft der Ruhr-Universität RUBITEC sind wir gerade dabei, die Erfinderrechte abzusichern.

Leuchtmittel zu verbessern, ist bedeutend, wenn man bedenkt, dass 19 Prozent des globalen Energieverbrauchs auf Beleuchtung entfallen, das entspricht etwa sieben Prozent der Kohlendioxid-Emissionen. Schon allein der Ersatz konventioneller Glühlampen durch Energiesparlampen würde den Energieverbrauch weltweit pro Jahr um zwei Prozentpunkte senken - so viel Energie wie Großbritannien im ganzen Jahr verbraucht. Wenn man den Verbrauch noch weiter senken könnte, wäre das fantastisch. Dafür braucht man aber neue Technologien - und manchmal verrückte Ideen und mutige Sponsoren.


Prof. Dr. Anja-Verena Mudring,
Anorganische Chemie I, Festkörperchemie und Materialien


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1: Prof. Dr. Anja-Verena Mudring bereitet einen Glaskolben vor, der in Rotation versetzt wird, damit sein Inneres von einer Ionischen Flüssigkeit benetzt wird. Zeitgleich wird der Leuchtstoff in der Mitte verdampft. Bei der Kondensation des Leuchtstoffs in die Ionische Flüssigkeit hinein bilden sich Nanopartikel.

Abb. 3: Flüssigkristalle sind weder fest noch flüssig. Zwischen zwei Polarisationsfiltern unter dem Mikroskop betrachtet, offenbart sich ihre Struktur, die in eine oder zwei Richtungen geordnet sein kann. Die Bilder zeigen sog. smetische Phasen, in denen in zwei Richtungen Ordnung herrscht.

Abb. 6: Den Forschern ist die Herstellung von Leuchtstoffen in allen Grundfarben gelungen. Erst unter UV-Bestrahlung zeigen sie ihre leuchtenden Farben.

Abb. 7: Hier leuchtet Natriumgadoliniumfluorid dotiert mit Erbium und Ytterbium grün.

Den Artikel mit Bildern finden Sie im Internet im PDF-Format unter:
http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rubin-fruehjahr-2012/pdf/beitrag01.pdf

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Quelle:
RUBIN - Wissenschaftsmagazin, Frühjahr 2012, S. 8-13
Herausgeber: Rektorat der Ruhr-Universität Bochum
in Verbindung mit der Stabsstelle Strategische PR
und Markenbildung der Ruhr-Universität Bochum
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2012