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WERKSTOFFE/638: Nano-Hügel - Wenn statt Löchern Berge wachsen (idw)


Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf - 19.09.2012
Gemeinsame Medieninformation von HZDR und TU Wien

Nano-Hügel: Wenn statt Löchern Berge wachsen

Elektrisch geladene Teilchen dienen als Werkzeug für die Nano-Technologie. Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und die TU Wien konnten nun wichtige Fragen über die Wirkung von Ionen auf Oberflächen klären.



Ionenstrahlen werden schon lange eingesetzt, um Oberflächen zu verändern. Ionen können dabei so hohe Energien besitzen, dass bereits ein einziges Teilchen drastische Veränderungen auf der damit beschossenen Oberfläche hervorruft. Nach sorgfältigen Untersuchungen konnte das internationale Forschungsteam nun erklären, warum sich dabei manchmal Einschusskrater, in anderen Fällen hingegen Erhebungen bilden. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal "Physical Review Letters" publiziert.


Ladung statt Wucht

"Will man möglichst viel Energie auf einem kleinen Punkt der Oberfläche einbringen, bringt es wenig, die Oberfläche einfach mit besonders schnellen Atomen zu beschießen", erklärt Prof. Friedrich Aumayr vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien. "Schnelle Teilchen dringen tief in das Material ein und verteilen ihre Energie daher über einen weiten Bereich." Wenn man den einzelnen Atomen allerdings zuerst viele Elektronen entreißt und diese hochgeladenen Ionen mit der Materialoberfläche kollidieren lässt, sind die Auswirkungen dramatisch: Die Energie, die man vorher aufwenden musste, um die Atome zu ionisieren, wird dann in einer Region von wenigen Nanometern Durchmesser und innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde freigesetzt.

Das kann bewirken, dass ein winziger Bereich des Materials schmilzt, seine geordnete atomare Struktur verliert und sich ausdehnt. Das Resultat sind sogenannte Nano-Hillocks, kleine Hügel auf der Materialoberfläche. Die hohe Anzahl elektronischer Anregungen, die durch das Ion bei seiner Wechselwirkung mit der Oberfläche entstehen, hat einen starken Einfluss auf Atome und Elektronen des Materials. Das führt dazu, dass sich die Atome aus ihren Plätzen lösen. Reicht die Energie nicht aus, um das Material lokal zum Schmelzen zu bringen, können zwar keine Nano-Hillocks, aber kleine Löcher bzw. Defekte auf und unter der Oberfläche entstehen.

Um solch ein detailliertes Bild von den Vorgängen an der Materialoberfläche zu bekommen, waren aufwändige Experimente an der Anlage für hochgeladene Ionen im Helmoltz-Zentrum Dresden-Rossendorf ebenso nötig wie Computersimulationen und theoretische Arbeiten. "Nano-Hügel und Nano-Krater können wir an unserer neuen Anlage im HZDR sehr gezielt herstellen, doch erst die enge Zusammenarbeit mit den Kollegen um Friedrich Aumayr und Joachim Burgdörfer von der TU Wien hat dabei geholfen, die zugrundeliegenden physikalischen Gesetze besser zu verstehen.", so Dr. Stefan Facsko vom HZDR.


Vermutung bestätigt

Die Wissenschaftler betrachten ihre Ergebnisse als letzten großen Puzzlestein für das Verständnis der Wechselwirkung zwischen den hochgeladenen Ionen und der Oberfläche. Indem sie die Probe nach dem Ionenbeschuss einer Säurebehandlung unterziehen, können sie viel besser nachweisen, bei welchen Energien die Oberfläche wie stark verändert wird. Das Entstehen der Nano-Hügel hängt stark vom Ladungszustand, aber kaum von der Geschwindigkeit der Ionenstrahlen ab. Das Auftreten von Löchern hingegen wird sowohl durch den Ladungszustand als auch durch die Bewegungsenergie der Ionen bestimmt. Vermutet hatten die Forscher in Wien und Dresden das schon lange und konnten nun mit den Experimenten im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf den Nachweis führen.

Publikation:
A.S. El-Said, R.A. Wilhelm, R. Heller, S. Facsko, C. Lemell, G. Wachter, J. Burgdörfer, R.Ritter, F. Aumayr:
"Phase diagram for nanostructuring CaF2 surfaces by slow highly charged ions",
in Physical Review Letters 109 (2012), 117602,
DOI-Link: 10.1103/PhysRevLett.109.117602

Weitere Informationen unter:
http://www.hzdr.de
http://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevLett.109.117602

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution222

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, Dr. Christine Bohnet, 19.09.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. September 2012