Christian-Albrechts-Universität zu Kiel - 27.07.2015
Magnetischer Temperaturmesser entdeckt
Kieler Forschende entwickeln neuartige Methode der Wärmebildgebung
Wer sein Haus energetisch sanieren möchte, nutzt oft die bekannten, gelb
bis blau leuchtenden Wärmebilder. Mittels Infrarotmessung sollen dabei
Schwachstellen sichtbar gemacht werden. Auch in der Industrie wird die
Thermografie bei der Werkstoffprüfung eingesetzt. Abhängig vom Material
kann es bei der Methode allerdings zu großen Messfehlern kommen. Aus den
Laboren der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) kommt nun eine
Technik, die materialunabhängig minimalste Temperaturunterschiede mit
hoher räumlicher Auflösung sichtbar macht.
Auch anderen Verfahren macht das neuartige Prinzip Konkurrenz. Das
berichten die Forschenden in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals
Advanced Materials.
Die Wissenschaftler aus Kiel machen sich bei ihrer Entdeckung die
magnetischen Eigenschaften eines bestimmten Materials zunutze. In den
Experimenten wird eine dünne und transparente Schicht einer
Granat-Verbindung (Granat ist ein Mineral aus der Klasse der Silikate) auf
den Untersuchungsgegenstand aufgelegt - in diesem Fall ein integrierter
Schaltkreis eines Mikrochips. Verändert sich nun die Temperatur irgendwo
in dem Schaltkreis auch nur minimal, reagiert das darauf liegende Material
mit veränderten magnetischen Eigenschaften. Je wärmer es wird, desto
kleiner wird die Magnetisierung.
Diese, je nach Temperatur unterschiedliche, Magnetisierung kann mit einem sogenannten Polarisationsmikroskop sichtbar gemacht werden: Polarisiertes Licht ist Licht, dem eine bestimmte Schwingrichtung aufgezwungen wird (etwa wie bei manchen Sonnenbrillen). Trifft es auf die Oberfläche der dünnen Schicht, wird es je nach deren Magnetisierung anders reflektiert. Eine digitale, lichtempfindliche Kamera nimmt das zurückgeworfene Licht auf. Die magnetooptischen Aufnahmen zeigen die Temperaturverteilung im Schaltkreis und die winzigen magnetischen Domänen des Materials; das sind abgegrenzte Bereiche, die die gleiche Polarisation haben.
Das von den Kieler Physikern entworfene Material funktioniert als extrem genauer Temperaturmesser. Minimale Veränderungen von bis zu einem Hundertstel Grad Celsius, die in Millisekunden ablaufen, kann die Messmethode mit einer Auflösung von Mikrometern anzeigen. "Unsere Technik eröffnet damit völlig neue Möglichkeiten für verschiedene Wärmebildanwendungen", ist sich Professor Jeffrey McCord, Leiter der Studie vom Kieler Institut für Materialwissenschaften, sicher. Denkbar sind neuartige Wärmebildkameras. Insbesondere die Fehleranalyse von elektronischen Bauteilen könnte die "pyro-magnetische Optik", so der Name des neuen Verfahrens, einfacher und genauer machen.
Die Forschungsergebnisse wurden zusammen mit Wissenschaftlern der russischen Tver State University und dem russischen Forschungsinstitut für Materialwissenschaften und Technologie erzielt.
Originalpublikation:
Kustov, M., Grechishkin, R., Gusev, M., Gasanov, O. and McCord, J.
(2015),
A Novel Scheme of Thermographic Microimaging Using Pyro-Magneto-Optical
Indicator Films.
Adv. Mater.. doi:10.1002/adma.201501859
Link: http://dx.doi.org/10.1002/adma.201501859
Details, die nur Millionstel Millimeter groß sind: Damit beschäftigt
sich der Forschungsschwerpunkt "Nanowissenschaften und Oberflächenforschung"
(Kiel Nano, Surface and Interface Science - KiNSIS) an der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Im Nanokosmos herrschen
andere, nämlich quantenphysikalische Gesetze als in der makroskopischen
Welt. Durch eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen
Materialwissenschaft, Chemie, Physik, Biologie, Elektrotechnik,
Informatik, Lebensmitteltechnologie und verschiedenen medizinischen
Fächern zielt der Schwerpunkt darauf ab, die Systeme in dieser Dimension
zu verstehen und die Erkenntnisse anwendungsbezogen umzusetzen. Molekulare
Maschinen, neuartige Sensoren, bionische Materialien, Quantencomputer,
fortschrittliche Therapien und vieles mehr können daraus entstehen.
Mehr Informationen auf www.kinsis.uni-kiel.de
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution235
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Dr. Boris Pawlowski, 27.07.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juli 2015
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