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WERKSTOFFE/911: Der richtige Dreh für den perfekten Kristall (idw)


Universität Wien - 30.05.2016

Der richtige Dreh für den perfekten Kristall

Utl. Physiker entwickeln neue Methode der Kristallerzeugung


Egal ob in Metallkunde, Gemmologie (Edelsteinkunde) oder auch Elektrotechnik, die Anwendungsgebiete von Kristallen sind breit gefächert. Ein Team um Christos Likos von der Fakultät für Physik der Universität Wien hat nun in Zusammenarbeit mit dem National Institute of Standards and Technology (NIST, USA) und der Princeton University (USA) eine neue Methode entwickelt, die das Wachstum von großen, periodischen Kristallen verbessert. Die Ergebnisse dazu wurden aktuell im Fachmagazin ACS Nano publiziert.


Kristalle sind Festkörper, deren mikroskopisch kleine Bausteine regelmäßig in einer periodischen Struktur angeordnet sind. Viele der Eigenschaften, die Kristalle so nützlich machen, basieren auf der detaillierten und strukturierten Anordnung ihrer Bestandteile. Diese regelmäßige Kristallstruktur wirkt sich wiederum in hohem Maße auf das Zusammenspiel der einzelnen Bausteine aus. In molekularen und atomaren Kristallen ist die Kraft zwischen den Bausteinen von Natur aus vorgegeben. Die einzige Möglichkeit die Kristallstruktur umzuwandeln besteht entweder darin, die äußeren Bedingungen (Temperatur, Druck, etc.) zu verändern, oder die Partikel selbst auszutauschen.

Im Gegensatz dazu ist es möglich, im Bereich der Physik der Weichen Materie, in dem die Bausteine um ein Vielfaches größer und komplexer sind als Atome, Bausteine mit extrem anpassungsfähigen Eigenschaften zu konzipieren und anzufertigen. Darauf basierend haben Wissenschafter unter großem Aufwand an der Synthese von Kolloiden gearbeitet, die selbst organisiert hochsymmetrische Strukturen mit den technologisch relevanten Eigenschaften bilden. Als Beispiel gelten spezielle Kristallgitter, die interessante optische Eigenschaften aufweisen - die so genannten Photonischen Kristalle.

Ein Beispiel für einen natürlichen Photonischen Kristall ist der Opal, dessen faszinierendes Farbenspiel auf die Art zurückzuführen ist, wie das Licht mit den kleinen Strukturen der regelmäßig angeordneten, kolloidalen Teilchen interagiert. Das farbenprächtige Schillern des Edelopals ist auf die Präsenz einer Vielzahl kleiner Kristalle, so genannter Kristallite, zurückzuführen, die sich mit unterschiedlicher Orientierung anordnen. "Zusätzlich ist die Anordnung in den kolloidalen Kristallen oft durch Polymorphologie gestört: Verschiedenste Strukturen sind durch vergleichbare thermodynamische Stabilität charakterisiert, die es erschweren eine bestimmte Form absichtlich zu erzeugen", erklärt Christos Likos von der Fakultät für Physik der Universität Wien.

Das daraus resultierende Fehlen der weitreichenden Anordnungen ist für viele Anwendungen von Nachteil. Entsprechend haben sich die Wissenschafter zur Aufgabe gemacht, Strategien zu entwickeln, die das Wachsen von großen, monokristallinen Exemplaren verbessern. Mittels Computersimulationen ist es nun gelungen eine neue Methode zu entwickeln, die es ermöglicht, technologisch relevante offene Kristalle zu bilden, die nicht polymorph sind. "Das System kristallisiert spontan in einer Mischung von Kristallen. Die Kolloide fügen sich dabei so zusammen, dass die konkurrierenden Strukturen unterschiedliche Hohlraumverteilungen aufweisen. Wir nutzen das aus, indem wir die Größe von zusätzlich hinzugefügten Polymeren so anpassen, dass diese einzig und allein mit der Leerraumsymmetrie des gewünschten Kristalls interagieren und sich gegen seine Konkurrenten stabilisieren", so Lise-Meitner-Stipendiat Lorenzo Rovigatti, Mitglied der Gruppe um Christos Likos.

Die Ergebnisse des Forschungsteams dienen nicht nur dazu, Alternativen zu bereits existierenden Ansätzen aufzuzeigen, sondern auch um in naher Zukunft die experimentelle Umsetzung von weitreichend geordneten offenen kolloidalen Kristallen zu ermöglichen.

Publikation in "ACS-Nano"
Nathan A. Mahynski, Lorenzo Rovigatti, Christos N. Likos, and Athanassios Z. Panagiotopoulos
DOI 10.1021/acsnano.6b01854

Das Projekt wurde vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) durch das Lise-Meitner Stipendium M 1650-N27 unterstützt.


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Wien, Stephan Brodicky, 30.05.2016
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2016

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