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WERKSTOFFE/943: Wie Wasser Glas bewegt (idw)


Technische Universität München - 07.09.2016

Wie Wasser Glas bewegt


In der Welt der Pflanzen sind Kapillarkräfte ein wichtiger Bewegungsantrieb entgegen der Schwerkraft. Kapillare sind dünne Röhren und Hohlräume mit sehr geringem Durchmesser und sorgen dafür, dass sich poröse Materialien bei Flüssigkeitsaufnahme ausdehnen. Auch bei Zapfen von Nadelbäumen verhält es sich so. Forschern der Professur für Biogene Polymere der Technischen Universität München (TUM) am Wissenschaftszentrum Straubing (WZS) ist es gelungen, diesen pflanzlichen Antrieb auch dann zu erhalten, wenn die pflanzlichen Bestandteile durch künstliche Versteinerung ersetzt wurden. Damit schufen sie die Grundlage für eine neue Generation von Sensoren.


Mit einem speziellen Verfahren lassen sich Kiefernzapfen künstlich versteinern. Dabei werden die biologischen Bestandteile vollständig in das technische Material Silikatglas umgewandelt. "Wir haben ein zuvor entwickeltes und verfeinertes 'Bio-Templatierungsverfahren' zum ersten Mal für die Herstellung eines Materials mit strukturbasierter Funktion verwendet", sagt Dr. Daniel Van Opdenbosch vom WZS. Aufwändige Untersuchungen am Teilchenbeschleuniger BESSY II in Berlin zeigten, dass dabei die innere Struktur des Kiefernzapfens erhalten blieb. Vor allem wurde der Zapfen durch das neue Templatierungsverfahren komplett versteinert bis hinunter auf die Ebene von millionstel Millimetern.

"Wir konnten zeigen, dass sich der transformierte Körper wie sein biologisches Original bei Feuchtigkeitsaufnahme bewegt", erklärt Van Opdenbosch weiter, "die Schuppen der versteinerten Zapfen biegen sich bei Befeuchtung gegen die Schwerkraft aufwärts und beim Trocknen wieder zurück in ihre Ausgangsposition." Durch das genaue Abformen von Pflanzenstrukturen bei Erhalt ihrer charakteristischen Eigenschaften versprechen sich die Wissenschaftler neue Möglichkeiten bei der Entwicklung von Funktionsmaterialien.


Sensoren mit geringem Technikaufwand herstellbar

Basierend auf den bisherigen Ergebnissen könnten poröse keramische, mehrlagige Sensoren mit relativ geringem technischem Aufwand produziert werden. Diese neuen Sensoren reagieren auf Feuchtigkeitsveränderung mit Bewegung. Damit ließen sie sich in chemisch aggressiven und physikalisch anspruchsvollen Umgebungen einsetzen, um verlässlich messen, schalten und steuern zu können.

Herkömmliche bimetallische oder zweilagige Aktuatoren sind wegen ihrer Zusammensetzung aus Metallen oder Kunststoffen anfällig für eine Zersetzung durch Korrosion, Säuren und Basen, Oxidation, hohe Temperaturen und Strahlung. Gegen alle diese Einflüsse sind Keramikoxide im besonderen Maße widerstandsfähig.

Das Projekt "Hierarchically structured porous ceramics and composites from nanocasting of plant cell walls" wurde im Rahmen des Schwerpunktprogramms 1420 "Biomimetic Materials Research: Functionality by Hierarchical Structuring of Materials" durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert.

Die Wissenschaftler bestehend aus dem Straubinger Team um Daniel Van Opdenbosch, einer Gruppe von Wissenschaftlern vom Institut für Physik der österreichischen Montanuniversität Leoben und einen Team vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam veröffentlichten ihre Forschungsergebnisse im Fachjournal "Advanced Materials" 2016, DOI 10.1002/adma.201600117.


Weitere Informationen unter:
http://www.wz-straubing.de/default.asp?menue=1&ShowNews=ON&Artikel=1860

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution73

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Technische Universität München, Dr. Ulrich Marsch, 07.09.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. September 2016

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