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MELDUNG/301: Diskriminierender Wahlrechtsausschluss muss gestrichen werden! (Lebenshilfe)


Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V.
Pressemitteilung: 13.03.2013

Lebenshilfe fordert: Diskriminierender Wahlrechtsausschluss muss gestrichen werden

Menschen mit geistiger Behinderung erheben selbst die Stimme beim Parlamentarischen Abend



Berlin. Vor mehr als 100 Bundestagsabgeordneten, darunter der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Volker Kauder und die Justizministerin a.D. Brigitte Zypries, forderte die Lebenshilfe ein Wahlrecht auch für behinderte Menschen, für die eine "Betreuung in allen Angelegenheiten" eingerichtet ist. Bisher werden sie automatisch von Wahlen ausgeschlossen. "Diese Regelung im Bundeswahlgesetz ist diskriminierend, verstößt gegen Artikel 29 der UN-Behindertenrechtskonvention und muss noch vor der nächsten Bundestagswahl am 22. September gestrichen werden", so die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und frühere Gesundheitsministerin, Ulla Schmidt.

Auf dem Parlamentarischen Abend der Lebenshilfe gestern in der Berliner Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen ergriffen Menschen mit Behinderung selbst das Wort. Jan Zurek (21) hat das Down-Syndrom und durfte bei der Bundestagswahl vor vier Jahren seine Stimme abgeben: Gemeinsam mit seinem Vater hat er sich im Internet die Wahlprogramme der Parteien angeschaut und den Urnengang zuhause geübt. Danach konnte der junge Berliner seine zwei Kreuzchen ohne Hilfe in der Wahlkabine machen. Mittlerweile jedoch haben die Eltern die Betreuung in allen Angelegenheiten für ihren Sohn. Sie könnten ihn so besser vor unlauteren Vertragsabschlüssen schützen, riet man ihnen beim Bezirksamt. Was sie und auch die meisten anderen Eltern nicht wussten: Durch die umfassende Betreuung hat ihr volljähriges Kind sein Wahlrecht verloren.

Das findet Joachim Busch vom Rat der behinderten Menschen in der Lebenshilfe nicht richtig: "Alle sollen wählen dürfen. Das ist ein Grundrecht und gehört zur Inklusion dazu." Der Lübecker vertritt die Lebenshilfe im Inklusionsbeirat des Bundesbehindertenbeauftragten Hubert Hüppe.

In der anschließenden Diskussion waren viele Politiker beeindruckt von den Aussagen der behinderten Menschen und reagierten positiv auf die Forderung der Lebenshilfe. Unter anderem kündigten sie eine Anhörung mit Fachleuten im Bundestag an, um zu einer Lösung zu kommen.

Sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als auch der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen haben festgestellt, dass ein an generalisierende Kriterien geknüpfter Wahlrechtsausschluss von Menschen mit Behinderungen nicht mit dem Völkerrecht zu vereinbaren ist. Europäische Nachbarstaaten wie Österreich, Großbritannien und die Niederlande verzichten ebenfalls auf solche Ausschlussklauseln.

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Mit ihren rund 135.000 Mitgliedern zählt die Lebenshilfe zu den größten deutschen Selbsthilfeorganisationen; von ihren Einrichtungen und Diensten werden mehr als eine Million Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen direkt oder indirekt betreut. Die Lebenshilfe ist mit Bundesgeschäftsstellen in Marburg und Berlin vertreten. Landesgeschäftsstellen gibt es in allen 16 Bundesländern und darüber hinaus ein deutschlandweites Netz aus über 500 örtlichen Vereinigungen.

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Quelle:
Pressemitteilung: 13.03.2013
Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe
für Menschen mit geistiger Behinderung e.V.
Leipziger Platz 15, 10117 Berlin
Peer Brocke, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: 030 / 20 64 11 -140, Fax: 030 / 20 64 11 -240
E-Mail: presse@lebenshilfe.de
Internet: www.lebenshilfe.de; www.lebenshilfe-aktiv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2013