Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN


FRAKTION/095: Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter zum Auftakt der Fraktionsklausur in Weimar


Pressemitteilung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 4. September 2019

Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter zum Auftakt der Fraktionsklausur in Weimar


Nachfolgend Statements zum Auftakt der Fraktionsklausur in Weimar von den Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter.

Katrin Göring-Eckardt:

Dreißig Jahre nach der friedlichen Revolution steht die Demokratie unter Druck. Das haben wir erneut gelernt an diesem Wochenende. Aber es gilt auch: Eine große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in Ostdeutschland hat nicht AfD gewählt. So besorgt ich darüber bin, wie groß der Zuspruch ist für eine Partei, die man schlicht und ergreifend rechtsradikal nennen muss und wo Populismus eine verharmlosende Aussage ist.

Wir beschäftigen uns auf dieser Klausur mit der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, gerade auch in strukturschwachen Regionen. Wir sind sicher, dass es darauf ankommt, denjenigen, die sich nicht nur abgehängt fühlen, sondern ganz real abgehängt sind, ein Angebot zu machen und ihnen zu sagen: Es geht nicht mehr nur um Versprechen, es muss jetzt eine Garantie geben, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, wie sie in unserer Verfassung steht, auch wirklich herzustellen. Eine Garantie erstens für Mobilität. Es muss klar sein, dass jede und jeder in Deutschland zuverlässig angeschlossen ist, mobil sein kann. Zweitens tatsächlich für ein schnelles Internet überall. Auch, um deutlich zu machen, Stadt und Land haben hier gleiche Voraussetzungen. Und drittens für Pflege und Gesundheit. Diese Dreifachgarantie für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse werden wir hier diskutieren. Es geht nicht mehr nur um Versprechen, sondern es geht darum, dass wir tatsächlich jetzt handeln, und zwar unverzüglich.

Anton Hofreiter:

Die Fraktionsklausur steht unter dem Motto "Handeln jetzt". Selbstverständlich geht es darum, sofort zu handeln, um die Klimakrise in den Griff zu kriegen. Aber auch in anderen Bereichen ist dringendes Handeln notwendig. Man denke an den Zusammenhalt der Europäischen Union, oder daran, dass Italien jetzt eine neue Regierung hat, die hoffentlich proeuropäisch wird. Auch die braucht Unterstützung. Und es geht auch um den drohenden wirtschaftlichen Abschwung. Der braucht auch dringendes Handeln.

Bei der Klimapolitik ist ganz eindeutig, dass die Messlatte von der Kanzlerin selbst hoch gelegt worden ist. Sie sagte: Schluss mit "Pillepalle". Und Schluss mit Pillepalle ist das, was notwendig ist, um die Klimakrise zu bekämpfen. Jedes Zehntelgrad macht einen Unterschied. Jeder Monat, wo nicht gehandelt wird, macht einen Unterschied. Wir sehen, was im Amazonas los ist. Wir sehen, mit welcher Geschwindigkeit Grönland abschmilzt. Und wir sehen auch, wie sich bei uns die Wälder entwickeln. Durch die Klimakrise drohen nicht nur Holzplantagen abzusterben, sondern auch naturnahe Buchenwälder sind unter höchstem Druck. Das heißt: es muss schnell gehandelt werden.

Wenn wir uns jetzt die bisherigen Vorschläge der Bundesregierung anschauen, dann stellen wir fest: Die Vorschläge sind die alte Symbolpolitik, die wir seit 14 Jahren kennen. Jetzt ist in der Debatte, einen nationalen Emissionshandel einzuführen. Einen nationalen Emissionshandel, der jahrelang dauert bis zur Einführung. Jetzt schon ist erkennbar, dass er genauso verwässert wird wie der europäische Emissionshandel. Deshalb erwarten wir von der Bundesregierung, dass sie sich an die eigene Messlatte hält und endlich schnell handelt: Ausbau der erneuerbaren Energien wieder flottmachen, schneller Kohleausstieg, endlich Verkehrswende einleiten, für eine andere Agrarpolitik sorgen und bei der Baupolitik vorankommen.

Zu den Vorschlägen in der Agrarpolitik: Diese Beschlüsse werden nicht ausreichen, um die Probleme in den Griff zu kriegen. Das Tierwohl-Label ist kein verpflichtendes, sondern ein freiwilliges. Es bräuchte allerdings ein verpflichtendes Tierwohl-Label, damit der Verbraucher zuverlässig erkennen kann, unter welchen Bedingungen die Tiere gelebt haben. Dann braucht es natürlich Mindeststandards, die höher sind als ein paar Quadratzentimeter mehr pro gehaltenem Tier. Und auch bei den Pestiziden brauchen wir einen vernünftigen Ausstiegsplan, und zwar einen Ausstiegsplan, der wirklich funktioniert. Es heißt: Pestizide soll es in Schutzgebieten nicht mehr geben, außer dort, wo sie für die Bewirtschaftung erforderlich seien. Das heißt am Ende: Es wird sich gar nichts ändern. Und so funktioniert das Ganze nicht. Auch für Glyphosat brauchen wir einen schnellen Ausstieg. Und deshalb erwarten wir von der Bundesregierung, nicht in Symbolpolitik zu verharren, sondern die großen Krisen anzupacken, von der Aussterbe-Katastrophe bis zur Klimakrise, dem Zusammenhalt Europas und der drohenden Rezession. Denn wir haben eine Bundesregierung, und wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie endlich handelt.

*

Quelle:
Pressemitteilung vom 4. September 2019
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Pressestelle
Telefon: 030/227-567 89, Fax: 030/227-567 52
E-Mail: presse@gruene-bundestag.de
Internet: www.gruene-bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2019

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang