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INNEN/2951: Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt zum Auftakt der Fraktionsvorstandsklausur


Pressemitteilung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 1. September 2016

Auszüge aus dem Statement von Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt zum Auftakt der Fraktionsvorstandsklausur


Auszüge aus dem heutigen Statement zum Auftakt der Fraktionsvorstandsklausur in Berlin von Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt:

Anton Hofreiter:

Wir schauen auch dieses Jahr wieder auf einen turbulenten Herbst. Was für uns ganz entscheidend ist: dass es gelingt, den Zusammenhalt der Gesellschaft und den Zusammenhalt Europas zu organisieren. Wenn wir uns anschauen, was in Großbritannien passiert ist mit dem Brexit, dann ist der Zusammenhalt Europas stark gefährdet. Wenn wir uns den Aufstieg der rechtspopulistischen Parteien in vielen europäischen Ländern, in Deutschland, in Frankreich, in Österreich, in vielen weiteren Ländern anschauen, dann ist der Zusammenhalt der Gesellschaften in Europa gefährdet. Wenn wir uns die Reaktionen der Großen Koalition auf das Ganze anschauen, dann stellt man fest, die Große Koalition ist noch nicht einmal in der Lage, den Zusammenhalt ihrer eigenen Koalition zu organisieren, geschweige denn den von Europa, geschweige denn der Gesellschaft bei uns. Herr Kauder sieht sich inzwischen genötigt, zum Zusammenhalt der Großen Koalition aufzurufen. Was jetzt notwendig ist, ist, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu organisieren, was jetzt notwendig ist: keine weiteren Verunsicherungsdebatten, die am Ende die AfD nur stärker machen. Die AfD, die immer offensichtlicher und immer deutlicher um rechtsextreme Wähler buhlt, auch wenn sie sich dann wieder halbherzig davon distanziert. Es ist das übliche Geschäftsmodell, das die AfD betreibt. Was wir brauchen, ist für die Europäische Union ein starkes Signal der Solidarität. Die Reise der Kanzlerin hat noch mal deutlich g ezeigt, in welch schlechtem Zustand die Europäische Union aufgrund der völlig auseinanderlaufenden Interessen der europäischen nationalen Regierungen ist.

Die Europäische Union, die EU-Kommission hat ein starkes Signal in Richtung Solidarität gesetzt. Sie traut sich endlich an die großen Konzerne, an die milliardenschweren Konzern heran, die in massivem Umfang Steuern hinterzogen haben. Umso beschämender ist es, dass dieses richtige Signal der Solidarität der Europäischen Kommission jetzt aus Deutschland hintertrieben wird, dass es ausgerechnet aus dem Bundesland Bayern kommt von Herrn Donald Söder, der da die klassische Mischung wieder an den Tag legt, nämlich diese Mischung, auf Geflüchtete draufklopfen, auf die Schwächsten der Gesellschaft einschlagen und den Steuerdieben hinterherrennen. Das ist das, was wir überhaupt nicht brauchen. Das ist das Gegenteil von dem, was notwendig ist.

Aber auch der andere Teil der Koalition, auch Herr Gabriel führt einen seltsamen Eiertanz auf. Es ist ja zu begrüßen, dass auch Herr Gabriel nach und nach erkennt, dass der TTIP-Vertrag in der Form ungeeignet ist. Es zeigt sich, dass immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft nicht mehr bereit sind, einer ungezügelten Globalisierung das Wort zu reden. Und deshalb: Ja, es ist schön, dass es immer mehr Unterstützung dafür gibt. Auch die österreichische Regierung hat gesagt, sie kann sich das schwer vorstellen, nach der französischen Regierung, so wie die TTIP-Verhandlungen im Moment laufen. Aber Herr Gabriel muss aufhören zu versuchen, seine eigene Partei und die Öffentlichkeit reinzulegen, denn CETA ist einfach der kleine Bruder von TTIP, es ist de facto ein inhaltlicher Klon davon. Und deshalb: Wer gegen TTIP ist, muss auch gegen CETA sein. Und es ist an der Zeit, dass wir zu solidarischen und fairen Handelsverträgen kommen. Da geht's auch darum, dass wir mit den afrikanischen Staaten zu fairen Verträgen kommen.


Katrin Göring Eckardt

Es geht um den Zusammenhalt der Gesellschaft. Wir haben vor einem Jahr von der Bundeskanzlerin den Satz "Wir schaffen das" gehört, kurz vorher ja auch von Herrn Gabriel. Fehlen tut bis heute der Satz: "So machen wir das jetzt". "So machen wir das jetzt", das ist das, was die Menschen in den Kommunen tun, was viele Ehrenamtliche tun. Übrigens nach wie vor tun und auch nach wie vor mit großer Empathie, großem Engagement und inzwischen großer Professionalität. "So machen wir das jetzt" bedeutet: mehr Investition in Integration, zum Beispiel in den Arbeitsmarkt, aber auch, was Schule und Kindertagesstätte angeht. "So machen wir das jetzt" braucht aber eine neue Initiative auf europäische Ebene. Wir können uns nicht weiter Herrn Erdogan ausliefern. Wir können nicht mehr einen Flüchtlingsdeal mit der Türkei aufrechterhalten, obwohl wir genau wissen, dass die Europäer endlich eine eigene gemeinsame Lösung für die Verteilung der Geflüchteten brauchen. "So machen wir das jetzt" heißt aber auch, wir müssen jetzt endlich dafür sorgen, dass die Familien nachziehen können. Wir erleben, dass syrische Geflüchtete von Gerichten in Deutschland inzwischen den Status nach Genfer Flüchtlingskonvention zugesprochen bekommen, das heißt, sie werden ihre Familien nachholen können. Wir erleben, dass wir leere Unterkünfte haben. Wir erleben, dass wir Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter haben, die das tun könnten. Und es geht hier um Frauen, es geht hier um Kinder und es geht häufig um die Familienväter, die hier in großer Unsicherheit leben. Und für die sollten wir sehr, sehr schnell dafür sorgen, dass der Familiennachzug wieder zur Selbstverständlichkeit wird, dass es schnell geht. Wir werden im Bundestag einen entsprechenden Antrag einbringen. Der Familiennachzug gerade für die syrischen Flüchtlinge muss wieder möglich sein.

Der zweite Punkt, um den es geht in der Debatte gerade, ist ja die Sicherheit. Was wir erleben, sind hilflose symbolische Kulturdebatten. Nein, unter der Burka sind bei uns keine Terroristen versteckt. Nein, es macht überhaupt keinen Sinn, jetzt darüber zu diskutieren, wie man die Bundeswehr im Inneren einsetzen könnte. Es geht darum, dass wir überall eine wirklich handlungsfähige Polizei haben, deswegen mehr Polizei, deswegen bessere Ausstattung der Polizei. Und natürlich auch deswegen dafür zu sorgen, dass wir eine kulturelle Sensibilität innerhalb der Polizei haben, also sprich: Wir wollen, dass bei der Polizei genauso viele Migrantinnen und Migranten eingestellt werden, wie wir es im Anteil der Bevölkerung haben.

Wir wollen, dass die Sicherheitsbehörden national und international endlich enger und seriös zusammenarbeiten. Und wir wollen das eigentliche Sicherheitsproblem, was wir haben, angehen, nämlich dort, wo Kriminalität tatsächlich wächst, das ist bei den Einbruchsdiebstählen. Und deswegen sagen wir: Wir brauchen endlich ein Bundesprogramm für Prävention. Da geht es ganz schlicht darum, dass Fenster und Türen gesichert werden, weil das am ehesten hilft, dafür gibt es alle erdenklichen Erfahrungen. Dafür Geld zur Verfügung zu stellen, ein Bundesprogramm aufzulegen, das würde tatsächlich zu mehr Sicherheit führen.

Und zudem werden wir uns auf unserer Fraktionsklausur beschäftigen mit dem Thema Wohnen. Es ist ja fast ein Treppenwitz der Geschichte, dass jetzt Herr Müller als Wahlkämpfer in Berlin kommen muss, um die Bundestagsfraktion der SPD und Herrn Gabriel dazu zu bringen, dass man vielleicht doch eine echte Mietpreisbremse braucht. Für uns geht es um die Rechte der Mieterinnen und Mieter, also eine echte Mietpreisbremse. Für uns geht es darum, dass Investitionen stattfinden in den sozialen Wohnungsbau, dass hier ein Bundesprogramm aufgelegt wird, das diesen Namen tatsächlich verdient, und dass wir dafür sorgen, dass auch Menschen in der Mittelschicht sich wieder Wohneigentum leisten können. Das Wohnen ist die soziale Frage der nächsten Jahre, und sie muss auch auf Bundesebene angegangen werden.

Copyright Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

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Quelle:
Pressemitteilung vom 1. September 2016
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
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Pressestelle
Telefon: 030/227-567 89, Fax: 030/227-567 52
E-Mail: presse@gruene-bundestag.de
Internet: www.gruene-bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2016

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