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INNEN/3106: Anton Hofreiter zum Unionsstreit


Pressemitteilung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 2. Juli 2018

Anton Hofreiter zum Unionsstreit


Was wir in den letzten Tagen erlebt haben, war einfach mehr als irre. Man kann erkennen, dass sich die CSU vollkommen verrannt hat. Wer so verantwortungslos, so fahrlässig, so egoistisch mit den Interessen unseres Landes umgeht wie Herr Seehofer, kann einfach nicht mehr verantwortungsvoll sein Amt ausüben.

Man muss sich einmal überlegen, in welcher Zeit wir leben. Wir leben in einer Zeit, in der der Handelskrieg mit den USA im Kern schon begonnen hat. Wir leben in einer Zeit, in der Europa von einem autoritären, ökonomisch mächtigen China herausgefordert wird, in der Europa von Putin herausgefordert wird. Und in solch schwierigen Zeiten hat die CSU nichts Besseres zu tun, als wegen ihren Befindlichkeiten und ihren Testosteron gesteuerten Egoismen die Bundesregierung zu zerlegen! Ich hätte nie gedacht, dass wir mal erleben - und ich kenne die CSU gut - dass die CSU so völlig aus der Rolle fällt, so verantwortungslos agiert und im Kern den gesamten Zusammenhalt der Europäischen Union gefährdet, weil sie die Stabilität dieses gesamten Landes gefährdet.

Hinzu kommt, dass die CSU noch nicht einmal richtig benennen kann, was der wirklich substanzielle Streitwert ist. Denn: Frau Merkel hat doch längst den humanen Teil ihrer Flüchtlingspolitik geopfert. Das wurde spätestens auf dem EU-Gipfel sichtbar, auf dem es darum ging, Lager in Afrika einzurichten, auf dem gefragt wurde, kontrollierte Lager in Europa einzurichten, auf dem man sich immer mehr dem Umgang mit Geflüchteten angenähert hat, wie Herr Orbán ihn pflegt. In dieser Situation spaltet die CSU die Bundesregierung, nur weil sie beleidigt sind, weil sie Panik haben, weil sie Angst haben vor dem Verlust der absoluten Mehrheit?

Was eigentlich notwendig wäre, wird ja überhaupt nicht mehr besprochen in diesem Politikbereich, dass die Fluchtursachen bekämpft werden, dass legale Fluchtwege für die Menschen geschaffen werden, die wirklich verfolgt werden. All das geht ja vollkommen unter. Und wenn man sich dann anschaut, wie die CSU weiter agiert, kann man einfach nur noch eines erkennen: Das C innerhalb der CSU steht nur noch für Chaos.

Was mich erschüttert: Es gibt eine ganze Reihe von Problemen in diesem Land, die von einer handlungsfähigen Bundesregierung eigentlich dringend angepackt werden müssten. Die Klimakrise eskaliert immer weiter. Auf europäischer Ebene bräuchten wir dringend einen Zusammenhalt und eine Lösung für die Brexit-Problematik. Wir bräuchten eine einige, starke Antwort auf Herrn Trump. Die Menschen machen sich Sorgen: Wer kümmert sich eigentlich um die Wohnungsnot in diesem Land? Diese Bundesregierung schon seit Wochen, schon seit Monaten nicht mehr.

Deshalb kann man diese Bundesregierung in der Form nur noch als gescheitert bezeichnen. Wir erwarten von der Union, dass sie zur Vernunft zurückkehrt. Ich habe bloß die große Befürchtung, dass die CSU sich für das Gegenteil entschieden hat. Denn sie hofieren jetzt schon so lange Orbán, sie haben ein verfassungsmäßig höchst fragwürdiges Polizeigesetz verabschiedet. Sie versuchen, anderen Menschen ihren Glauben aufzuzwingen. Sie sprechen vom Ende des Multilateralismus und bezeichnen Geflüchtete, die fürchten müssen, im Mittelmeer zu ertrinken, als "Asyltouristen". Ich habe die Sorge, dass die CSU sich auf die andere Seite verabschiedet hat, und zwar auf die Seite des nationalistischen Lagers. Und das ist eine Gefahr für die demokratische Stabilität in unserem Land. Man kann nur noch an die Vernunft appellieren und erwarten, dass sie endlich anders handeln.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 2. Juli 2018
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
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Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2018

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