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BUNDESTAG/3147: Heute im Bundestag Nr. 152 - 21.03.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 152
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 21. März 2012 Redaktionsschluss: 18:20 Uhr


1. Experten beraten über Konsequenzen eines Ausstiegs aus dem Euratom-Vertrag
2. Streit um Blutbestrahlung am Olympiastützpunkt Thüringen
3. Der Erfolg von Freizeitplätzen hängt von Geschwindigkeit, Erfolg und Flexibilität ab


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1. Experten beraten über Konsequenzen eines Ausstiegs aus dem Euratom-Vertrag

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Berlin: (hib/AS) Die Forderung nach einem Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag stieß bei einer Anhörung des Europaausschusses am Mittwochnachmittag auf ein geteiltes Echo. Grundlage der Anhörung war ein Antrag der Fraktion Die Linke (17/6151). Darin fordern die Abgeordneten von der Bundesregierung, sich für die Auflösung des Euratom-Vertrages einzusetzen. Stattdessen soll ein neuer europäischer Vertrag geschlossen werden, der eine "alternative Europäische Gemeinschaft zur Förderung von erneuerbaren Energien und Energieeinsparung" begründen soll. Die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) wurde 1957 durch die Römischen Verträge beschlossen, um "sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten von der Entwicklung der Atomenergie profitieren" können.

Professor Jürgen Grunwald vom Europa-Institut des Saarlandes hob hervor, dass es sich bei der Frage eines Austritts aus dem Euratom-Vertrag und der Gründung einer Agentur für Erneuerbare Energien um zwei verschiedene Punkte handele. Es gebe kein Junktim zwischen diesen beiden Aspekten: "Ein solcher Effekt kommunizierender Röhren besteht nicht" erklärte er. Er erläuterte im Gegenteil, dass eine Auflösung der Institution eine Reihe von Nachteilen haben könne etwa für die Strahlensicherheit oder Klagerechte einzelner Staaten. Für ihn bietet der Euratom-Vertrag vielmehr eine Reihe von Chancen: "Bevor man den Euratom-Vertrag verdammt, sollte man ihn genau anschauen", erklärte er. Zwar hätte ein Austritt aus dem Euratom-Vertrag keine direkten Konsequenzen für einen Verbleib in der Europäischen Union, würde aber eine Reihe ungeklärter juristischer Fragen aufwerfen: "Das sind rechtlich tiefe Wasser", sagte er.

"Sie können kündigen, sie sollten das bloß nicht tun", war die Antwort der Expertin für Energiefragen, der Rechtsanwältin Dörthe Fouquet. Sie erläuterte, dass ein Ausstieg rechtlich möglich sei, aber den Wegfall der Geschäftsgrundlage für den Bereich der Atomenergie bedeuten würde. Ein Ausstieg müsste daher von neuen Gesetzen begleitet werden. Sie äußerte die Auffassung, dass heutzutage ein "Sonderrecht für eine Energiequelle" nicht mehr zu rechtfertigen sei. Die Energieexpertin schlug daher vor, eine zeitliche Grenze für den Euratom-Vertrag zu vereinbaren. In diesem Zeitraum könnten dann die anstehenden Fragen langfristig geregelt werden.

Ein Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag beurteilte Joachim Knebel vom Karlsruher Institut aus wissenschaftlicher Perspektive als kritisch. Aus Forschungssicht lägen die Schwerpunkte des Vertrages auf Themen wie Abfallentsorgung, Strahlenschutz und Fusionsforschung, bei denen man auf eine internationale Zusammenarbeit angewiesen sei, sagte er und fügte hinzu: "Die Sicherheitsphilosophie ist sehr fein gegliedert. Sie kann über Euratom auch in anderen Ländern installiert werden." Außerdem werde die Forschung ohne Euratom teurer. So stünde Deutschland bei der Rückholung der Forschungsmittel an zweiter Stelle.

Den positiven Aspekten widersprach Patricia Lorenz von der Organisation Friends of the Earth. "Euratom dient der Förderung der Atomenergie und nicht der Sicherheit", sagte sie. Die nukleare Sicherheit könne gar nicht Thema von Euratom sein, da für diese Fragen allein die nationalen Behörden zuständig seien. Gleichzeitig warnte sie auch dafür, dass Euratom Kredite an fragwürdige Projekte für Atomkraftwerke in der Ukraine geben würde. Bis heute würden viele Staaten in den Vertrag gezwungen werden, sagte sie und folgerte daraus: "Die Auflösung ist für mich die sinnvollste Variante".


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2. Streit um Blutbestrahlung am Olympiastützpunkt Thüringen

Sportausschuss

Berlin: (hib/HAU) Ob es sich bei der Eigenblutbehandlung am Olympiastützpunkt (OSP) Thüringen um einen Dopingfall handelt, ist unter Experten umstritten. Während der Sitzung des Sportausschusses am Mittwochnachmittag sowohl der Sportrechtler Georg Engelbrecht als auch der Pharmakologe Fritz Sörgel die Entnahme und Wiederzuführung von Eigenblut als ein Dopingvergehen ansahen, äußerten sich sowohl die Vertreter der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) als auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium Christoph Bergner (CDU) zurückhaltender. Bergner räumte lediglich ein, dass "ein Verstoß nicht ausgeschlossen werden kann". Die Nada-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann sprach von einem "Verdacht des Verstoßes gegen Nada-Richtlinien".

Hintergrund der Diskussion sind die von dem am OSP Thüringen beschäftigten Sportarzt Andreas Franke bei verschiedenen Sportlern vorgenommenen UV-Bestrahlungen des Blutes. Franke war im Zuge der Dopingermittlungen gegen die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Im Frühjahr 2011 wurde gegen den Mediziner ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz eingeleitet. Die Nada, so erläuterte Andrea Gotzmann, habe daraufhin unverzüglich eigene Ermittlungen gegen die betroffenen Sportler - bei denen es sich um eine Eisschnellläuferin und eine Radsportler handle - aufgenommen. Eine Entscheidung in den sportgerichtlichen Verfahren sei derzeit aber noch nicht absehbar, sagte Gotzmann. Die medizinische Abteilung der Nada, so Gotzmann weiter, habe bei Anfragen nach Eigenblutinfusionen stets ihre ablehnende Haltung deutlich gemacht, "auch gegenüber dem OSP Thüringen im Jahr 2007". Da die Welt-Doping-Agentur (Wada) sich zwar auf der einen Seite schon 2007 gegen die am OSP-Thüringen praktizierte Methode ausgesprochen habe, aber auf der anderen Seite "widersprüchliche Antworten" auf Nada-Anfragen gegeben habe, werde derzeit geprüft, ob die Methode auch vor dem neuen Wada-Code 2011 verboten gewesen sei.

Aus Sicht von Sportrechtler Engelbrecht ist diese Frage jedoch geklärt. Die Wada habe schon 2003 den Tatbestand des Blutdopings festgeschrieben. Danach seien lediglich Ergänzungen dazu gekommen. Engelbrecht zeigte sich erstaunt über die Auffassung, dass die Methode erst seit 2011 im Wada-Code verankert sein soll. Er habe kein Verständnis für das Vorgehen des Arztes und der Sportler, sagte der Pharmakologe Fritz Sörgel. Es sei "wissenschaftlich haarsträubend" was in Erfurt passiert sei. Bei der Beurteilung des Falles sei es zudem irrelevant, ob damit eine Leistungssteigerung erzielt wurde, sagte Sörgel. Seiner Ansicht nach ist das Verhalten der Sportler "sanktionswürdig". Diese hätten die Behandlung zumindest auf den Fragebögen der Nada eintragen müssen.

Der Leiter der OSP-Thüringen, Bernd Neudert, vertrat hingegen die Ansicht, dass es sich bei Frankes Behandlung nicht um Blutdoping handelt. Dagegen spräche, dass der Sportarzt die Methode nie geleugnet und jede Behandlung dokumentiert habe. Neudert räumte zugleich ein, Fehler gemacht zu haben. "Ich würde mich heute anders verhalten", sagte er. Zwar sei ihm bewusst gewesen, dass Franke die Methode anwendete, jedoch habe er keine Zweifel gehabt, dass diese mit den Doping-Richtlinien vereinbar gewesen wäre. Der Mediziner Franke habe am OSP das uneingeschränkte Vertrauen sowohl der Sportler und Trainer als auch von ihm besessen.

Mit zuwendungsrechtlichen Konsequenzen muss der OSP-Thüringen "derzeit" nicht rechnen, machte Staatssekretär Bergner deutlich. Stützpunkt und Nada hätten zudem mit der Trennung von Franke und der Einleitung der sportgerichtlichen Verfahren "richtig und schnell reagiert", sagte Bergner.


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3. Der Erfolg von Freizeitplätzen hängt von Geschwindigkeit, Erfolg und Flexibilität ab

Kinderkommission (Anhörung)

Berlin: (hib/EIS) Bauämter planen für Dekaden, Jugendliche nicht: Das ist eine Erkenntnis, die die Mitglieder der Kinderkommission (Kiko) aus dem Expertengespräch am Mittwochnachmittag zum Thema "Mehr altersgerechte Aktionsflächen" mitnehmen konnten. "Freiräume für Jugendliche unterliegen Moden, die sehr schnelllebig sind", sagte Regine von der Haar vom GALK e.V., Arbeitskreis Spielen in der Stadt. "In den 80iger Jahren wurde viel Geld für BMX-Parcours ausgegeben, die heute nur noch einer marginalen Gruppe Jugendlicher dienen." Von der Haar wollte mit ihrem Beispiel verdeutlichen, dass die Planung und Umsetzung von Spielplätzen und Räumen für Jugendliche alles andere als einfach ist. "Die Wünsche und Interessen Jugendlicher sind inhomogen, die Orte, die ihnen zur Verfügung gestellt werden, müssen nicht die sein, an denen sie sich aufhalten wollen."

Ein Problem, das viele Kommunen gut kennen: "Denn oft werden Spielplätze nicht richtig angenommen, fehlen dort, wo Kinder sind oder werden von Anwohnern, die Lärm fürchten, verhindert, bevor sie gebaut werden", sagte Nicole Bracht-Bendt (FDP), Vorsitzende der Kiko. Dass die Attraktivität von Spielplätzen und Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche umso höher ist, je besser sich Erwachsene und Jugendliche verstehen, berichtete Bernd Jacobs vom Fachbereich Jugend und Familie der Stadt Hannover. "Wir haben die Kinder und Jugendlichen gezielt angesprochen und die Stadtplanung von ihrem Expertenwissen profitieren lassen." Herausgekommen seien unter anderem mobile Skateboardparcours und Aufenthaltsräume, die an den Plätzen errichtet werden können, an denen sich Jugendliche und Kinder treffen. "Dabei ist wichtig, dass es schnell geht, die Jugendlichen nicht ewig auf die Umsetzung warten müssen und das es ihnen gefällt."

Nils Kreß - 13 Jahre alt - vertrat in der Reihe der geladenen Experten den Kongress der Kinderrechte: "Wir sind zum Schluss gekommen, dass Plätze, die mit Kindern zusammen entwickelt wurden, am besten angenommen werden." Kreß, der der Arbeitsgruppe Freizeit, Spiel und Spielplätze angehört, stellte einen Kriterienkatalog vor, der den Erfolg eines Spielplatzes von der Sauberkeit, der Nähe zu Toiletten, funktionsfähigen Spielgeräten, Bäumen, der weiten Entfernung zu lauten Verkehrsstraßen und Grünflächen abhängig macht.

Thorsten Krüger, Bürgermeister der Stadt Langen, zog ein positives Fazit aus der in seiner Kommune seit langer Zeit praktizierten Beteiligungspolitik vieler Gruppen. So habe die Stadt eine "Spielleitplanung" eingerichtet, die zum Beispiel bei der Entwicklung eines Wohngebietes um einen Spielplatz herum Akzeptanz erreicht habe. "Es wurden gemeinsame Freizeiträume für Kinder, Jugendliche, Rentner und auch spezielle Angebote für Behinderte geschaffen, die die Orte beleben", sagte der Bürgermeister. Je höher der Nutzen vieler in der Kommune sei, umso mehr würde auch auf Sauberkeit und Ordnung geachtet. Angenehmer Nebeneffekt: "Die Erhöhung der Lebensqualität hält die Einwohnerzahl unserer Stadt stabil."


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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 152 - 21. März 2012 - 18:20 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2012