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BUNDESTAG/3192: Heute im Bundestag Nr. 197 - 24.04.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 197
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Dienstag, 24. April 2012 Redaktionsschluss: 09:30 Uhr

1.‍ ‍Experten uneinig über Auswirkung von Werksverträgen auf Arbeitsmarkt und Bezahlung
2.‍ ‍Konditionen von flexibel und kurzfristig Beschäftigten sollen verbessert werden
3.‍ ‍Im Bundestag notiert: Nordverlängerung der A 14
4.‍ ‍Im Bundestag notiert: Anteil der Binnenschifffahrt an der Beförderungsleistung
5.‍ ‍Im Bundestag notiert: Tonnenlegerbearbeitung



1. Experten uneinig über Auswirkung von Werksverträgen auf Arbeitsmarkt und Bezahlung

Ausschuss für Arbeit und Soziales (Öffentliche Anhörung)

Berlin: (hib/VER) Die Oppositionsfraktionen von Linkspartei und Bündnis 90/Die Grünen sind überzeugt, dass Werksverträge oftmals bloß Scheinwerksverträge sind, mittels derer Arbeitgebern Lohnkosten einsparen wollen. Zwei entsprechende Anträge der beiden Fraktionen waren deshalb Anlass einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag.

Laut Antrag der Grünen-Fraktion (17/7482) müssen Leiharbeit und Werkverträge klar voneinander abgegrenzt und die Kriterien dafür im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) festgelegt werden. Die Fraktion begründet den Vorstoß damit, dass viele Firmen zunehmend Aufgaben in Werkvertragsunternehmen auslagern, um Löhne und Sozialkosten noch unter das Niveau bei Leiharbeitsfirmen zu drücken. Denn während sie bei Leiharbeitern an höhere tarifliche Standards gebunden seien, lägen diese in Werkvertragsunternehmen deutlich darunter. In Wirklichkeit handele es sich aber bei vielen vermeintlichen Werkverträgen um verdeckte Leiharbeit.

Die Linksfraktion schreibt in ihrem Antrag (17/7220 [neu]), dass Werkverträge von den Unternehmen zunehmend als Alternative zur Leiharbeit und als strategisches Mittel zur Deregulierung eingesetzt würden. Mit sogenannten Scheinwerkverträgen, bei denen es sich eigentlich um Arbeitnehmerüberlassung handelt, würden die ohnehin viel zu niedrigen Standards in der Leiharbeit noch unterlaufen. Bei der Identifizierung von Scheinwerkverträgen bestehe jedoch die Schwierigkeit bislang darin, Werkvertragsarbeit von Leiharbeit abzugrenzen, um Fälle von illegaler Arbeitnehmerüberlassung aufzudecken. Die Fraktion fordert deshalb ein "Gesetz zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen", das eine sogenannte Vermutungsregel enthält. Das bedeutet konkret: Wenn eine Tätigkeit ein bestimmtes Merkmal erfüllt, soll das Vorliegen eines Leiharbeitsverhältnisses vermutet werden, bis die Arbeitgeber das Gegenteil bewiesen haben. Darüber hinaus verlangen die Abgeordneten, im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" ohne Ausnahme zu verankern.

Die Positionen der Experten in der Anhörung waren kontrovers; die Vertreter von Arbeitgeberverband und Arbeitgebern nahestehenden Institutionen rechtfertigten mehrheitlich die Werksverträge, während die Entsandten von Gewerkschaftsbund und Arbeitnehmern nahen Institutionen eher die Risiken und Nachteile in den Mittelpunkt stellten. Jan Dannenbring vom Zentralverband des Deutschen Handwerks betonte eingangs, dass es seit jeher Werkverträge im Handwerk gebe; egal ob die Auftraggeber Privatpersonen oder Firmen seien. Leiharbeit sei im Baugewerbe verboten. Bei der Wahrnehmung betrieblicher Aufgaben spiele die Vertragsform keine Rolle und deshalb "spielt auch diese Diskussion keine Rolle", sagte Dannenbring. Der Redner der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Roland Wolf" pflichtete seinem Vorredner bei und betonte ergänzend, dass es Werksverträge "seit Jahrhunderten" gebe. Ähnlich argumentierte auch Werner Stolz vom Interessensverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V.: Die Kriterien für die unterschiedlichen Vertragsformen seien "klar geregelt".

Der unabhängige Sachverständige Professor Dr. Raimund Waltermann befand, dass man mit der Diskussion über Vertragsformen das Problem der niedrigen Entgelte leider nicht erfasse. "Wir sind nicht gegen Werksverträge", erklärten Helga Nielebock und Johannes Jakob, beide entsandt vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Allerdings gebe es in den letzten Jahren "negative Entwicklungen", weshalb es einer "gesetzlichen Regelung" und "eventuell auch der Mindestlöhne" bedürfe. Auch Professor Franz Josef Düwell, der wie Waltermann für keine Institution sprach, schloss sich der DGB-Forderung nach einer gesetzlichen Regelung an. "Der Gesetzgeber muss handeln", forderte er, damit "verdeckte Leiharbeit" aufgedeckt werden kann und Konsequenzen mit sich bringt. Der freie Experte Frank Schmidt-Hullmann nannte beispielhaft die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa, die einzelne Unternehmensbereiche ausgelagert habe, indem sie eigene Werksvertragsunternehmen gegründet habe. Deren Arbeitnehmer würden nun nach schlechteren Tarifverträgen bezahlt werden. Deshalb, argumentierte Schmidt-Hullmann, "greift die Rechtssprechung ins Leere."

Desweiteren kamen die freien Sachverständigen Jürgen Ulber und Jörg Spies sowie Karsten Bunk (Bundesagentur für Arbeit), Heribert Jöris und Steven Haarke (Handelsverband Deutschland e.V.) und die Vertreter des Verbands Instore und Logistik Services e.V., Michael Jeurges und Denis Henkel, zu Wort. Alle 15 Sachverständigen hatten ihre Stellungnahmen zuvor schriftlich eingereicht.

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2. Konditionen von flexibel und kurzfristig Beschäftigten sollen verbessert werden

Ausschuss für Arbeit und Soziales (Öffentliche Anhörung)

Berlin: (hib/VER) Die drei Oppositionsfraktionen von SPD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen wollen die Konditionen von flexibel und kurzfristig beschäftigten Arbeitnehmern verbessern. Deshalb führte der Ausschuss für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag eine öffentliche Anhörung durch. Insgesamt zwölf Experten legten ihre Standpunkte dar und stellten sich den Fragen der Abgeordneten.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte sich zuvor in einem Antrag (17/8579) für eine bessere Absicherung von flexibel Beschäftigten in der Arbeitslosenversicherung stark gemacht. Die meisten Betroffenen würden zwar Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, aber wenn ihr Vertrag ausläuft, erhalten sie kein Arbeitslosengeld, sondern sind gleich auf Hartz IV angewiesen, schreiben die Grünen. Das bürokratische Verfahren, die Einführung von Verdienstobergrenzen und die überwiegende Berücksichtigung von nur sehr kurzen Beschäftigungsverhältnissen würden die meisten flexibel Beschäftigten vom Arbeitslosengeldbezug ausschließen, heißt es in dem Antrag. Die SPD-Fraktion will dagegen zwar in ihrem Antrag (17/8574) die Rahmenfrist, innerhalb derer die Anwartschaftszeit (12 Monate) für den Bezug von Arbeitslosengeld I erfüllt sein muss, von zwei auf drei Jahre verlängern. Die Fraktion fordert aber die Verlängerung einer Sonderregel für kurzzeitig befristete Beschäftigte um drei Jahre mit der Maßgabe, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld I mindestens drei Monate beträgt, wenn innerhalb der Rahmenfrist Versicherungsverhältnisse von insgesamt mindestens sechs Monaten vorliegen. Ähnlich lauten die Forderungen der Linksfraktion, die ebenfalls einen eigenen Antrag (17/8586) stellte.

Auch die Koalitionsfraktionen hatte sich im Vorfeld mit der Thematik befasst und einen Änderungsantrag (Ausschussdrucksache 17(11)845) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen" (17/8986) vorgelegt. Mit den geforderten Änderungen, heißt es seitens der Fraktionen, "wird die Sonderregelung der Arbeitslosenversicherung zur verkürzten Anwartschaftszeit für überwiegend kurz befristet Beschäftigte verlängert und modifiziert." Eine "erneute Befristung der Regelung bis zum 31. Dezember 2014" solle berücksichtigen, dass "die Sonderregelung derzeit im Rahmen der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung evaluiert wird und belastbare Ergebnisse dieser Wirkungsforschung voraussichtlich im Jahr 2014 vorliegen werden."

Unter den Sachverständigen waren auch eine Vertreterin der Bundesvereinigung der Filmschaffenden-Verbände e.V., Regine Hergersberg, der Schauspieler und Sänger Heinrich Schafmeister sowie Thomas Schmucker vom Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler. Sie sprachen für die Zunft der Künstler, zu denen neben Theater-, Film- und TV-Schauspielern sowie Sängern auch beispielsweise Regisseure und Maskenbildner zählen. Sie betrifft die Thematik ganz besonders, denn generell ist es in ihren Branchen üblich, nur für jeweils eine Produktion, das heißt, einen Film, eine Serienstaffel oder aber eine Tournee beschäftigt, also angestellt zu werden. Deshalb ist auch oft die Rede von "Engagement". Doch zumeist dauert eine solche Produktion nur wenige Monate, manchmal nur Tage oder Wochen. Deshalb setzten sich die drei Experten dafür ein, dass Künstler auch nach kurzen Beschäftigungszeiten Arbeitslosengeld und nicht Hartz IV erhalten. Sei es in einer Sonderregelung für Künstler oder aber in einer allgemeinen Regelung für alle kurzzeitig und flexibel beschäftigten Arbeitnehmer. Insgesamt rückte diese Berufsgruppe in das Zentrum des Interesses und vereinnahmte den größten Teil der insgesamt einstündigen Anhörung. Allen voran hielt Heinrich Schafmeister ein Plädoyer für seine Branche und war bemüht, Verständnis zu schaffen. Er betonte, dass auch er "momentan arbeitslos" sei.

Allerdings ging es in der Anhörung auch um Arbeitnehmer aller Branchen. Zum einen auch um Arbeitnehmer ohne Schulabschluss. Der freie Experte Professor Dr. Gerhard Bosch betonte, man müsse vor allem die Begleitmaßnahmen stärken, also das Aus- und Fortbildungsangebot, damit die Betroffenen besser eine länger- oder langfristige Beschäftigung fänden. Der Experte des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Dr. Wilhelm Adamy, betonte, dass er den Vorschlag der SPD-Fraktion für "sehr zielführend" halte. Dagegen vertrat Torsten Petrak von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände den Standpunkt, dass flexible Beschäftigungsformen lediglich die Basis seien; darauf aufbauend müssten sich die "Beschäftigungsverhältnisse" stabilisieren.

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3. Im Bundestag notiert: Nordverlängerung der A 14

Verkehr und Bau/Antwort

Berlin: (hib/MIK) Die EU-Kommission hat für den Abschnitt Wolmirstedt-Colbitz der Autobahn 14 (Magdeburg-Schwerin) 19,5 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) genehmigt. Dies geht aus der Antwort der Bunderegierung (17/9275) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/9122) zur Finanzierung der Nordverlängerung der A 14 hervor.

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4. Im Bundestag notiert: Anteil der Binnenschifffahrt an der Beförderungsleistung

Verkehr und Bau/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/MIK) Über den Anteil der Binnenschifffahrt an der Beförderungsleistung aller Verkehrsträger will sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer Kleinen Anfrage (17/9310) informieren. Die Bundesregierung soll unter anderem mitteilen, wie sie einen Anteil von 14 Prozent im Bereich der Binnenschifffahrt an der Güterbeförderungsleistung bis 2015 erreichen will.

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5. Im Bundestag notiert: Tonnenlegerbearbeitung

Verkehr und Bau/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/MIK) Die Tonnenlegerbearbeitung bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ist Thema einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/9309). Danach sollen an der Nord- und Ostseeküste die 4.000 schwimmenden Schifffahrtszeichen (Tonnen) auf Kunststofftonnen umgestellt werden. Die Fraktion interessiert deshalb, wie das Konzept zur Umstellung "im Detail" aussieht und bis wann die bisherigen Stahltonnen ersetzt werden sollen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 197 - 24. April 2012 - 09:30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2012