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BUNDESTAG/3455: Heute im Bundestag Nr. 460 - 22.10.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 460
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 22. Oktober 2012 Redaktionsschluss: 16:00 Uhr

1. Sachverständiger: Mafia wäscht Milliardenbeträge in Deutschland
2. Geteiltes Expertenecho über Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes
3. Experten begrüßen Vereinfachungen im steuerlichen Reisekostenrecht
4. Öffentliche Anhörung zu Öffentlich-Privaten Partnerschaften



1. Sachverständiger: Mafia wäscht Milliardenbeträge in Deutschland

Finanzausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/HLE) Für internationale Verbrechersyndikate wie die Mafia ist Deutschland für Zwecke der Geldwäsche eines der gefragtesten Länder. "Es gibt unglaubliche Geldströme von Italien nach Deutschland", erklärte Roberto Scarpinato, leitender Oberstaatsanwalt im Anti-Mafia-Pool in Palermo, am Montag in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses. Dabei gehe es um Milliardenbeträge. Seine Behörde habe bei Ermittlungen in den vergangenen 20 Jahren allein in Palermo über vier Milliarden Euro sichergestellt. Dass Deutschland eines von der Mafia für die Geldwäsche ausgesuchten Länder sei, hätten auch 45 Kronzeugen in Vernehmungen bestätigt.

Zu den Gründen zählte Scarpinato das deutsche Strafrecht, das nicht über geeignete Instrumentarien zur Beschlagnahme von Vermögen verfüge wie zum Beispiel das italienische. Der Staatsanwalt verwies auf einen Fall, in dem in Deutschland lagerndes Vermögen italienischer Mafiosi nicht beschlagnahmt werden konnte. Besonders intensiv zur Geldwäsche genutzt würden Spielhallen und Online-Spielbanken, die die Mafia über Strohmänner aufkaufe. Die Herkunft von Mafia-Geldern werde auch durch viele Zwischenstationen verschleiert. So würden die Gelder zum Teil durch über 90 internationale Finanzinstitutionen geschleust, um die Rückverfolgung unmöglich zu machen.

Grundlage der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Geldwäschegesetzes (17/10745). Dabei wurde auch von anderen Sachverständigen heftige Kritik an den Zuständen bei der Geldwäschebekämpfung in Deutschland laut. Der Schweizer Sachverständige Andreas Frank (Frank Consultancy Services) warf der Bundesregierung vor, das Geldwäschegesetz auch 19 Jahre nach seinem Inkrafttreten nicht umzusetzen: Deutschland verletze die EU-Geldwäscherichtlinie und täusche die EU über die Umsetzung. Frank begrüßte, dass Glücksspiele ins Internet in das Geldwäschegesetz einbezogen werden sollten. Zugleich erkläre der Gesetzentwurf aber nicht, wie Grau- und Schwarzmarkt zurückgedrängt werden könnten: "Die geldwäschepräventive Wirkung des Gesetzentwurfs bleibt Makulatur."

Der Gesetzentwurf sieht für Branchen, bei denen ein erhöhtes Risiko besteht, dass sie für Geldwäsche missbraucht werden, besondere Sorgfaltspflichten vor. So müssen Anbieter von Glücksspielen im Internet einen Geldwäschebeauftragten bestellen. Zahlungsflüsse von und auf Spielkonten sollen durch ein EDV-gestütztes Monitoring-System geprüft werden, so dass "anhand bestimmter Kriterien und Indizien sowie bei der systemischen Feststellung eines als auffällig eingestuften Verhaltens dem Verpflichteten und dessen Geldwäschebeauftragten eine sofortige Reaktion ermöglicht" wird. Grund für die Ergänzung des Gesetzes ist die durch den Glücksspiel-Staatsvertrag geschaffene Zuständigkeit der Bundesländer für Online-Glücksspiele. Das Land Schleswig-Holstein habe bereits Regelungen für ein legales Glücksspie geschaffen, wird erläutert. Zuvor sei das Glücksspiel im Internet verboten gewesen. Daher sei es auch nicht notwendig gewesen, Regelungen zur Bekämpfung der Geldwäsche in diesem Bereich zu schaffen.

Der Bund deutscher Kriminalbeamter zweifelte am Erfolg der Gesetzgebung: "Die große Masse des Online-Glücksspielangebotes wird nach wie vor illegal angeboten und nachgefragt werden." Nur wenige Anbieter hätten durch die Marktöffnung in Schleswig-Holstein den Weg in die Legalität gesucht. Das illegale Glücksspiel sei aus Sicht der Betreiber erheblich günstiger anzubieten: "Es fallen weder Lizenzabgaben, noch Steuern oder gar Implementierungskosten zur Erfüllung von geldwäscherechtlichen Sorgfaltspflichten an."

Die deutsche Kreditwirtschaft, der Zusammenschluss der Bankenverbände, mahnte, die Zahlungsdienstleister sollten nur in Anspruch genommen werden, wenn das zwingend erforderlich sei. Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) lehnte den Entwurf ab: "Es gibt keinerlei Belege dafür, dass das allgemeine Risiko für Geldwäsche im Online-Glücksspielbereich gravierend ist, besonders im Vergleich zu anderen möglichen Methoden der Geldwäsche, insbesondere im stationären Bereich, wo überwiegend Bargeld eingesetzt wird." Der nach eigenen Angaben deutsche Marktführer bei Online-Glücksspielen, "bwin.party", versicherte, alle europäischen Anbieter würden schon heute die Anforderungen des Gesetzentwurfs erfüllen. Die Stoßrichtung des Gesetzentwurfs werde begrüßt.

Wie Geldwäsche bei Glücksspielen funktioniert, erläuterte die Organisation "Tax Justice Network" in ihrer Stellungnahme. Danach gibt es zwei Formen der Geldwäsche: 1. Der Anbieter täuscht überhöhte Umsätze vor und bringt auf diese Weise illegal erworbene Geldmittel in den legalen Kreislauf. 2. Ein Teilnehmer an Glücksspielen setzt illegal erworbenes Geld bei Glücksspielen ein und erhält im Gegenzug Glücksspielgewinne steuerfrei gewaschen zurück.

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2. Geteiltes Expertenecho über Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Anhörung)

Berlin: (hib/AS) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (17/10957) ist bei den geladenen Sachverständigen bei einer Anhörung des Umweltausschusses auf ein geteiltes Echo gestoßen. Der Gesetzentwurf setzt das so genannte Trianel-Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom Mai 2011 um, in dem kritisiert worden war, dass das derzeitige Umweltrechtbehelfgesetz gegen eine Reihe von Vorgaben des Europarechts verstoße. Daneben werden mit dem Gesetzentwurf auch weitere umweltrechtliche Vorschriften geregelt, die von einigen Sachverständigen kritisiert wurden. Umstritten war dabei unter anderem die Frage, ob der § 4a, der Maßgaben zur Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung regelt, mit europäischen Recht vereinbar ist.

Rechtsanwalt Frank Fellenberg sieht die durch das Trianel-Urteil beanstandeten Defizite für behoben an, da der Regierungsentwurf - wie gefordert - Umweltvereinigungen ein Klagerecht einräumt, das sich auf das gesamte Umweltrecht bezieht. Auch die flankierenden Maßnahmen zur Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung sind seiner Meinung nach weder verfassungs- noch europarechtswidrig. Es sei richtig, "dass man die Reichweite der Klagerechte richtig justiert habe", sagte er. Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (bdew) begrüßte die Gesetzesinitiative. Man müsse einen Rahmen setzen, der eine rechtssichere Investitionsplanung ermögliche, sagte der Vertreter des Verbandes, Rechtsanwalt Andreas Gentzsch. Er äußerte auch keine Bedenken hinsichtlich der Frage, ob der § 4a europarechtskonform sei: "Wir brauchen die einschränkenden Regelungen des § 4a, das erweiterte Klagerechte in Bahnen lenkt", sagte er. Zu einem ähnlichen Fazit kam auch die Sachverständige Rechtsanwältin Professor Andrea Versteyl. Auch sie erklärte, dass der Gesetzentwurf den Verpflichtungen des Trianel-Urteils "im notwendigen Umfang" nachkomme. Auch die verfahrensrechtlichen Regelungen im Zusammenhang mit der gerichtlichen Kontrolle, erklärte Rechtsanwältin Versteyl seien - unabhängig von der Erweiterung der Klagerechte - sinnvoll und notwendig und europarechtlich nicht zu beanstanden.

Professor Sabine Schlacke von der Universität Bremen sagte, dass "die vom Europäischen Gerichtshof auferlegten Hausaufgaben gemacht wurden". Ansonsten sei der Gesetzentwurf aber "übers Ziel hinausgeschossen", erklärte sie. Zur Begründung sagte Schlacke, dass neue Hürden für Verbandsklagen aufgebaut worden seien und der neue § 4a eine Verschärfung prozessualer Verfahren darstelle und daher gestrichen werden müsse. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sieht in dem Gesetzentwurf ein Ungleichgewicht zwischen "Umweltnutzern und Umweltverteidigern". "Diejenigen, die die Umwelt schützen, sind hier im Nachteil", betonte Peter Rottner. Eine Moderne Demokratie benötige Partizipation und eine solche Partizipation bedeute ein gerechtes Verfahren, erklärte Rottner. In diesem Zusammenhang kritisierte er auch, dass der Zugang zu Verfahren dadurch erschwert werde und dass entsprechende Informationen über die Verfahren und die Genehmigungsverfahren fehlten. "Das ist eine wesentliche Behinderung unserer Arbeit", sagte er. Rechtsanwalt Peter Kremer kritisierte ebenfalls, dass die Umsetzung der Aarhus-Konvention, die den Zugang der Öffentlichkeit zu Gerichten und bei Entscheidungen in Umweltangelegenheiten regelt, durch den Gesetzentwurf nicht umgesetzt sei. "Der Gesetzentwurf führt dazu, dass Unklarheiten in Hauptverfahren bestehen bleiben", bemängelte er. Gleichzeitig widersprach er dem Vorwurf, dass Verbände Umweltverfahren strategisch nutzten würden.

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3. Experten begrüßen Vereinfachungen im steuerlichen Reisekostenrecht

Finanzausschuss (Öffentliches Fachgespräch)

Berlin: (hib/HAU) Die Reform der Reisekostenrechts findet ein positives Echo unter Experten. Das wurde während eines öffentlichen Fachgespräches zu dem von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts (17/10774) im Finanzausschuss am Montagnachmittag deutlich. Lob gab es auch für die Verfahrensweise. So habe sich das Bundesfinanzministerium im Vorfeld schon durch viele Workshops Expertenrat geholt.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass an die Stelle der dreistufigen eine zweistufige Staffelung der Verpflegungspauschalen treten soll. Für den An- und Abreisetag bei einer mehrtägigen auswärtigen Tätigkeit soll eine Pauschale von jeweils zwölf Euro als Werbungskosten berücksichtigt werden. An Tagen, an denen ein Arbeitnehmer 24 Stunden von seiner Wohnung abwesend ist, bleibt die Pauschale bei 24 Euro. Beruflich veranlasste Unterkunftskosten im Rahmen einer längerfristigen Auswärtstätigkeit an ein und derselben Tätigkeitsstätte sollen zudem im Zeitraum von 48 Monaten unbeschränkt als Werbungskosten abzugsfähig sein. Außerdem soll der umstrittene Begriff der "regelmäßigen Arbeitsstätte" durch die Formulierung "erste Tätigkeitstätte" ersetzt werden.

Mit der Reform werde eine langjährige Forderung der Deutschen Wirtschaft umgesetzt, hieß es vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Das Gesetz führe zu deutlichen Vereinfachungen und Verbesserungen, sagte der BDI-Vertreter. Aus Sicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) ist die Definition der "ersten Tätigkeitsstätte" durch arbeits- oder dienstrechtliche Festlegungen des Arbeitgebers ein Fortschritt im Vergleich zur bisherigen Regelung, da es immer wieder unklar gewesen sein, ob es nicht auch mehrere "regelmäßige Arbeitsstätten" geben könne. Die Anhebung der Mindestverpflegungspauschale von 6 auf 8 Euro führe laut DIHK bei vielen Arbeitnehmern zu Verbesserungen. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte die Neuregelung grundsätzlich. Der DGB-Vertreter machte jedoch auf mögliche negative Folgen der Regelung aufmerksam, wonach von einer ersten Tätigkeitsstelle auszugehen sei, wenn die Zuordnung zu dieser Tätigkeitsstätte über 48 Monate hinausgeht. Damit drohe - mit Blick auf die Regelungen zur Zeit- und Leiharbeit - eine völlig überzogene Feststellung, was unter einer vorübergehenden Tätigkeit zu verstehen sei.

Mit "viel Wohlwollen" betrachtet die Deutsche Steuer-Gewerkschaft die Neuregelung. So sei etwa die Deckelung der Unterkunftskosten auf 1.000 Euro "sehr sinnvoll". Es sei nun nicht mehr nötig über ortübliche Mieten und Kosten zu streiten. "Damit können alle Steuerzahler leben", sagte der Vertreter der Steuer-Gewerkschaft. "Keine Einwände" habe er zudem gegen die Neuregelung der Verpflegungspauschalen. Nachbesserungsbedarf gibt es aus Sicht des Neuen Verbandes der Lohnsteuerhilfevereine angesichts der Gleichsetzung einer "vollzeitigen Bildungsmaßnahme" mit der "ersten Tätigkeitsstätte". Für "kurzzeitige und angeordneten Bildungsmaßnahmen" dürfe dies nicht gelten, forderte der Verbandsvertreter, da sonst Erstattungen der Agentur für Arbeit etwa versteuert werden müssten.

Umstritten war die in dem Gesetz ebenfalls geplante Anhebung des Höchstbetrages beim Verlustrücktrag von derzeit 511.500 Euro auf eine Million Euro. Dagegen sprach sich Professor Lorenz Jarass von der Hochschule RheinMain aus. Mit der Änderung würden große und sehr große Einkommen "noch stärker" begünstigt werden und "unnötige Steuerausfälle" verursacht. Für die Änderung plädierte Professor Oliver Fehrenbacher von der Universität Konstanz. Ein Verlust, so Fehrenbacher, müsse als "Minderung der Leistungsfähigkeit" angesehen werden und Berücksichtigung finden. Der "Besteuerungsabschnitt der Berücksichtigung" spiele insoweit "nicht die entscheidende Rolle".

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4. Öffentliche Anhörung zu Öffentlich-Privaten Partnerschaften

Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Berlin: (hib/MIK) Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) sind Thema einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung am Mittwoch, dem 24. Oktober 2012. Grundlage des Hearings sind ein Antrag der SPD-Fraktion "Für einen neuen Infrastrukturkonsens: "Öffentlich-Private Partnerschaften differenziert bewerten, mit mehr Transparenz weiterentwickeln und den Fokus auf die Wirtschaftlichkeit stärken" (17/9726) sowie ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Transparenz in Public Privat Partnerships im Verkehrswesen" (17/5228).

Zur Anhörung hat der Ausschuss als Sachverständige eingeladen: Professor Thorsten Beckers, Technische Universität Berlin, Professor Torsten R. Böger, Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG), Ralf Bönte, Bundesrechnungshof, Dietrich Klein, Landesfachkommission Straßenbauverwaltung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Bernward Kulle, ÖPP Deutschland AG, Felix Pakleppa, Zentralverband Deutsches Baugewerbe e.V. (ZDB), Heiko Stiepelmann, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.(HDB) und Carl-Friedrich Waßmuth, Gemeingut im BürgerInnenland (GIB) e.V..

Die Anhörung beginnt um 11.00 Uhr in Berlin, Dorotheenstraße 100, Sitzungssaal 1.302 im Jakob-Kaiser-Haus und soll gegen 13.00 Uhr beendet sein. Besucher können sich beim Sekretariat des Ausschusses (Telefon: 030/227-32816, Fax: 030/227-30017, E-Mail: verkehrsausschuss@bundestag.de) unter Angabe des Vor- und Zunamens sowie des Geburtsdatums anmelden. Zur Sitzung muss ein Personaldokument mitgebracht werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 460 - 22. Oktober 2012 - 16:00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2012