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BUNDESTAG/3711: Heute im Bundestag Nr. 111 - 28.02.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 111
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 28. Februar 2013 Redaktionsschluss: 10:55 Uhr

1. Experten stellen Legitimität "gezielter Tötungen" in der Terrorismusbekämpfung in Frage
2. Michael Naumann: Barenboim-Said-Akademie wird 2016 stehen
3. SPD-Fraktion thematisiert Menschenrechtslage in Sri Lanka



1. Experten stellen Legitimität "gezielter Tötungen" in der Terrorismusbekämpfung in Frage

Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (Anhörung)

Berlin: (hib/AHE) Experten sehen in der Praxis "gezielter Tötungen" im Kampf gegen den internationalen Terrorismus einen Verstoß gegen das Völkerrecht. Das ergab eine Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe am Mittwochabend. Die Sachverständigen verwiesen unter anderem auf die Gefahr einer Aushöhlung des humanitären Völkerrechts. Hintergrund sind unter anderem Angriffe des US-Militärs mit bewaffneten Drohnen auf Terroristen und Terrorverdächtige etwa in Pakistan oder im Jemen.

Andreas Zimmermann vom Menschenrechtszentrum der Universität Potsdam warnte vor einer Entwicklung, in der sich bestimmte "Rechtsbehauptungen" und interessengeleitete Auslegungen des Völkerrechts verfestigen könnten. So sei zwar in bewaffneten Konflikten ein Angriff auf feindliche Kombattanten und Kämpfer und unter ganz engen Voraussetzungen selbst auf temporär beteiligte Zivilisten durchaus durch das Völkerrecht gedeckt. Allerdings sei die Anwendbarkeit dieser Regeln zum Beispiel räumlich auf das Gebiet der Kampfhandlungen begrenzt. Die Regierung der USA würde jedoch argumentieren, dass wegen der Besonderheiten des weltweit operierenden Terrornetzwerks Al-Qaida der Konflikt geographisch nicht begrenzt sei.

Auch der Sachverständige Christian Schaller (Stiftung Wissenschaft und Politik) sprach von einem "entgrenzten" Ansatz, der sich auf die Konfliktpartei und nicht mehr auf ein definiertes Gebiet beziehe. "Von einer weltweiten Konfliktpartei zu sprechen", gehe aus seiner Sicht jedoch zu weit. Schaller führte zudem aus, dass es Stimmen in der US-Administration geben, die mit dem Recht auf Selbstverteidigung auch Verstöße gegen das Völkerrecht rechtfertigten. In Frage stehe aber, ob die "unbestritten dauerhafte Bedrohung" von Al-Qaida reiche, um sich zum Beispiel auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen zu berufen - oder ob es sich nicht eher um eine eigenmächtige Interpretation räumlich und zeitlich verstreuter Ereignisse als "dauerhaftem Angriff" handle.

Wolfgang Kaleck (European Center for Constitutional and Human Rights) wies darauf hin, dass die Bundesrepublik indirekt durch internationale Kooperationen an völkerrechtlich zweifelhaften Praktiken beteiligt gewesen sein könnte - wie der Verwertung von Geständnissen, die in bestimmten Ländern unter Folter entstanden sein könnten oder auch bei verdeckten "Entführungsflügen", bei denen die USA auch aus Deutschland Terrorverdächtige ins umstrittene Gefangenlager Guantánamo gebracht habe. Die weitreichende Kooperation mit den Vereinigten Staaten im Kampf gegen den Terrorismus müsse deshalb von klaren Kriterien abhängig gemacht werden, sagte Kaleck. Er verwies auch auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das eine Beweisverwertung ausschließe - nicht erst beim Nachweis, sondern bereits bei einem "echten Risiko", dass Aussagen durch Folter erzwungen worden sein könnten.

Steven Watt (American Civil Liberties Union) kritisierte, dass sich die USA den rechtlichen Rahmen für "gezielte Tötungen" offenbar selbst zurechtlege. Es sei nicht nur rechtswidrig, sondern auch gefährlich davon auszugehen, dass "die ganz Welt ein Schlachtfeld" werden könne und daraus abzuleiten, Terrorverdächtige weit außerhalb der Konfliktgebiete töten zu dürfen. Watt nannte in diesem Zusammenhang sogenannte "signature strikes", bei denen offenbar Personen gezielt angegriffen würden, deren Identität nicht bekannt sei, deren Verhalten aber bestimmte Muster aufwiesen. Mit solchen Angriffen schaffe sich die USA auf lange Sicht neue Feinde in den betroffenen Ländern und gefährde die eigene Sicherheit.

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2. Michael Naumann: Barenboim-Said-Akademie wird 2016 stehen

Ausschuss für Kultur und Medien

Berlin: (hib/AW) Der Bau der Barenboim-Said-Akademie in Berlin soll definitiv bis zum Jahr 2016 abgeschlossen sein und die veranschlagten Baukosten von rund 30 Millionen Euro nicht überschreiten. Dies betonte der Geschäftsführer der Akademie, der ehemalige Kulturstaatsminister Michael Naumann (SPD), am Donnerstag Abend vor dem Kulturausschuss. Zusammen mit dem Star-Dirigenten und Akademie-Gründer Daniel Barenboim informierte er den Ausschuss über die Planungen und die Konzeption der Akademie, die im ehemaligen Magazin-Gebäude der Berliner Staatsoper entsteht. Ursprünglich sollte die Akademie bereits 2015 fertiggestellt werden. Doch durch die Beteiligung des Bundes müssten nun viele Bauaufträge europaweit ausgeschrieben werden, erläuterte Naumann. Dies führe zu einer Verzögerung von einem halben Jahr. Der Bund beteiligt sich über vier Jahre mit 20 Millionen Euro an den Baukosten.

An der Akademie sollen bis zu 90 Stipendiaten aus den Ländern des Nahen Ostens für jeweils zwei Jahre unterrichtet werden, erläuterte Barenboim. Damit werde die völkerverbindende und friedenschaffende Tradition des West-östlichen Divan Orchesters fortgeführt, das sich aus Musikern aus Israel, Ägypten, Palästina, Jordanien, Syrien und dem Libanon zusammensetzt. Die Barenboim-Said Akademie wird neben Unterrichträumen über einen eigenen Konzertsaal verfügen. Er wurde von dem amerikanischen Architekten Frank Gehry entworfen. Die akustische Gestaltung des Saals liegt in der Verantwortung des japanischen Akustikers Yasuhisa Toyota. Nach Auskunft Naumanns arbeiten beide unentgeltlich für die Akademie.

Die jährlichen Betriebskosten der Akademie bezifferte Naumann auf 4 bis 4,5 Millionen Euro. Derzeit sei der betrieb der Akademie nach Eröffnung für zwei Jahre durch Spenden und Stiftungen gedeckt. Naumann und Barenboim dankten dem Bundestag ausdrücklich für die finanzielle Unterstützung des Bundes und warben zugleich für ein dauerhaftes Engagement für die Akademie. In diesem Sinne äußerten sich auch verschiedene Ausschuss-Mitglieder. So hieß es aus den Reihen der FDP-Fraktion, der Bund solle sich an den Betriebskosten beteiligen. Die Unionsfraktion lobte das das Wirken Barenboims und seine Akademie als herausragendes Beispiel für bürgerschaftlichen Engagements, das der Staat unterstützen sollte. Auch die Linksfraktion bezeichnete das Ziel der Akademie, sich für Frieden und Völkerverständigung einzusetzen, als eine "nationale Aufgabe". Großes Lob und Anerkennung für die Arbeit Barenboims sprachen auch SPD und Bündnis 90/Die Grünen aus.

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3. SPD-Fraktion thematisiert Menschenrechtslage in Sri Lanka

Menschenrechte und humanitäre Hilfe/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die SPD-Fraktion dringt auf diplomatischen Druck gegenüber Sri Lanka zur Einhaltung der Menschenrechte und rechtsstaatlicher Standards. "Sri Lanka befindet sich auf dem Weg zu einem Einparteienstaat, in dem sich der Präsident auf eine Armee stützt, die heute größer ist als zu Zeiten des Bürgerkriegs", schreiben die Abgeordneten in einem Antrag (17/12466), der am heutigen Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht.

In jüngster Zeit mehrten sich zudem die Angriffe der Exekutive auf die Unabhängigkeit der Justiz, schreiben die Abgeordneten. Menschenrechtsverletzungen seien "besorgniserregend" und die srilankesische Regierung lasse es an ernsthaften Bemühungen zur Versöhnung der früheren Bürgerkriegsparteien vermissen. Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung unter anderem auf, "allen Versuchen der Exekutive, die Unabhängigkeit der Justiz in Sri Lanka einzuschränken, entgegenzuwirken" und im UN-Menschenrechtsrat anzuregen, die Amtsenthebung der Obersten Richterin Shirani Bandaranayake untersuchen zu lassen. Die srilankesische Führung sei außerdem aufzufordern, "schwerste Menschenrechtsverletzungen wie extralegale Hinrichtungen, willkürliche Verhaftungen und Folter konsequent zu bekämpfen und das Zusatzprotokoll zur UN-Anti-Folter-Konvention zu ratifizieren".

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 111 - 28. Februar 2013 - 10:55 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. März 2013