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BUNDESTAG/3759: Heute im Bundestag Nr. 159 - 20.03.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 159
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 20. März 2013 Redaktionsschluss: 11:40 Uhr

1. Inklusion in der Bildung befindet sich erst am Anfang
2. Gutachten zu Forschung Innovation mahnt Reformen an



1. Inklusion in der Bildung befindet sich erst am Anfang

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (Öffentliches Fachgespräch)

Berlin: (hib/ROL) Seit März 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft. Sie soll behinderten Menschen die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen und in der "Bildung den Zugang an allgemeinbildenden Schulen und Universitäten zum Regelfall und nicht zur Ausnahme machen", sagte die Ausschussvorsitzende für Bildung und Forschung, Ulla Burchardt (SPD), zu Beginn des Öffentlichen Fachgesprächs zum Thema "Stand der Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung im Bildungsbereich in Deutschland" am Mittwochvormittag im Berliner Paul-Löbe-Haus. Doch was Inklusion genau ist und wie sie umgesetzt werden soll, das ist auch unter Experten umstritten.

Hans Wocken, emeritierter Professor der Universität Hamburg bemängelte, dass die vertragliche Zusicherung laut Artikel 24 "ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen" zu gewährleisten von Bundestag und Bundesrat zwar einstimmig ratifiziert worden sei, dass aber selbst in der UN-Behindertenrechtskonvention der Begriff "unbestimmt und offen" bleibe. Wocken machte deutlich: "Um ein inklusives Bildungssystem zu etablieren, muss ein System- und Paradigmenwechsel eingeleitet werden." Zudem warf er der Politik vor, dass es in Wahrheit keinen politischen Willen zur Umsetzung gebe. Er hielt Bund und Ländern "eine substanzielle Missachtung der völkerrechtlichen Vereinbarung" vor.

Die beiden Praktiker unten den Sachverständigen, Jens Bachmann, ehemaliger Pädagogischer Leiter der Weißfrauenschule in Frankfurt am Main und die Sonderschuldirektorin Manuela Gregor, die die Schule am Zille-Park in Berlin leitet, machten auf die schlechten Bedingungen aufmerksam. Es fehlten veränderte Rahmenlehrpläne und Unterstützungssysteme. Manuela Gregor sagte, dass es durchaus vorkomme, dass in einer Klasse mit 26 Kindern ein Kind mit ADHS, zwei mit einer geistigen Behinderung und eins mit Autismus säßen. Dazu kämen dann unzählige Schüler nicht-deutscher Herkunft. In einer Klasse seien Kinder aus 23 verschiedenen Nationen zusammen gekommen. "Da ist fast jeder Kollege schnell überfordert", sagte Gregor über den Alltag mancher Pädagogen. Jens Bachmann, dessen Schule den Förderschwerpunkt Sprachheilförderung anbietet, verwahrte sich genauso wie seine Kollegin dagegen, dass Sonderschulen nicht dem erfolgreichen Lernen dienlich seien. Er ließ Zahlen sprechen: "90 Prozent aller Schüler bei uns machen den Hauptschulabschluss und 80 Prozent vermitteln wir in den ersten Arbeitsmarkt."

Ulrich Heimlich, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, ging vor allem auf die Situation der Studenten ein und bemängelte, dass an den Universitäten nur acht Prozent Behinderte studieren würden. Die Bauten seien häufig nicht barrierefrei und die Prüfungsdichte sei oft nicht zu bewältigen. Wie auch andere Sachverständige mahnte er, dass mehr Fachkräfte ausgebildet werden müssten.

Auch Klaus Klemm, emeritierter Professor nannte diesen Punkt. In Nordrhein-Westfalen würden derzeit lediglich 400 Sonderpädagogen ausgebildet werden. Allein um das Niveau zu halten, müssten aber 700 ausgebildet werden. "Wir laufen da in einen großen Engpass." Zudem hob er hervor, dass der Anstieg der Kinder, die einer Lernförderung bedürften, mittlerweile zu 25 Prozent in inklusiven Einrichtungen unterrichtet würden. Die Zahl derjenigen, die in Förderschulen lernen, also exklusiv ausgebildet werden, stagniere jedoch weiter. Sie betrage 4,8 Prozent.

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2. Gutachten zu Forschung Innovation mahnt Reformen an

Bildung und Forschung/Unterrichtung

Berlin: (hib/ROL) Deutschlands Forschungs- und Industrie-Politik kann auf wichtige Erfolge verweisen, die dem Land international hohe Anerkennung verschafft haben, heißt es in der Unterrichtung durch die Bundesregierung im "Gutachten zu Forschung und Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2013" (17/12611). Deutschland habe das Drei-Prozent-Ziel für die nationale Forschungs- und Entwicklungsintensität im Jahr 2011 fast erreicht. Forschung und Innovation deutscher Unternehmen hätten einen erheblichen Beitrag zur Stabilität des deutschen Arbeitsmarkts und zu anhaltenden Exporterfolgen geleistet. Wissenschaft und Hochschulen profitierten von den Maßnahmen der letzten Jahre.

Doch gebe es nicht nur Erfolge zu berichten: Nicht alle Ziele für die noch laufende Legislaturperiode seien erreicht worden. Zwar sei die Einführung der steuerlichen Forschungs- und Entwicklungsförderung und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Wagniskapital im Koalitionsvertrag der Bundesregierung verankert worden, zu einer Umsetzung sei es jedoch nicht gekommen. Darüber hinaus gebe es drängende Aufgaben in der Gestaltung der Kooperation zwischen Bund und Ländern und in anderen Politikbereichen. Die von fast allen Parteien inzwischen als notwendig erachtete Korrektur der Föderalismusreform I stehe aus, wobei die Reform und ihr Zuschnitt zum politischen Spielball der Parteien geworden seien, und das obwohl zumindest hinsichtlich der institutionellen Unterstützung von Hochschulen durch den Bund prinzipielle Einigkeit bestehe.

Zudem komme die Reform des deutschen Bildungssystems nur mühsam voran. Die jüngsten Ergebnisse (Dezember 2012) zur Situation an den Grundschulen hätten bestätigt, dass Deutschland nur im oberen Mittelfeld rangiere. Auf Dauer sei eine solche Position gefährlich, da sie den weiteren Ausbau des Innovationsstandorts Deutschland behindere. Ferner gebe es massive Schwächen in wichtigen Bereichen der Spitzentechnologie. Die Gutachter nennen die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) und die Lebenswissenschaften. Diese seien bisher nicht überzeugend angegangen worden.

Das Gutachten wird seit 2008 alle zwei Jahre dem Deutschen Bundestag vorgelegt und wird von einer unabhängigen Gruppe renommierter Wissenschaftlern verfasst. Eine Stellungnahme der Bundesregierung auf das Gutachten 2013 werde in dem für April 2013 vorgesehenen Bericht zur Hightech-Strategie erfolgen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 159 - 20. März 2013 - 11:40 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2013