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BUNDESTAG/5510: Heute im Bundestag Nr. 024 - 13.01.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 024
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 13. Januar 2016, Redaktionsschluss: 18.06 Uhr

1. Ministerien wollen Kompetenzen bündeln
2. Mehr Übergriffe gegen Journalisten


1. Ministerien wollen Kompetenzen bündeln

Ausschuss Digitale Agenda/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Kein Internetministerium, aber eine Bündelung von Kompetenzen im Bereich Digitalisierung ist das Ziel der derzeitigen Überlegungen im Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Das wurde während der Sitzung des Ausschusses Digitale Agenda am Mittwochnachmittag deutlich. Es gehe vor allem um die Ertüchtigung des Verbraucherschutzes, sagte Brigitte Zypries (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Ob die Überlegungen am Ende in eine Digitalagentur münden, die als zentrales Aufsichtsgremium wirkt, werde sich zeigen, so Zypries. Derzeit werde ein Maßnahmeplan auf Arbeitsebene abgearbeitet. Jedes beteiligte Ministerium prüfe aktuell, welche Kompetenzen die zu ihnen gehörenden Behörden in Sachen digitalem Verbraucherschutz haben. Was schlussendlich getan werden müsse, könne erst nach gründlicher Analyse festgelegt werden, sagte die Staatssekretärin und fügte hinzu, dass es keinen genauen Zeitplan gebe. In dieser Legislaturperiode seien jedoch keine organisatorischen Änderungen geplant.

Sowohl die Grundrechte als auch die Verbraucherschutzrechte sollen auf diesem Wege gesichert werden, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Ulrich Kelber (SPD). Für die Prüfung, inwieweit Änderungen welcher Art nötig sind, habe man sich im Übrigen die gesamte Legislaturperiode Zeit gegeben und nicht bis Januar 2016, wie in einigen Pressemeldungen zu lesen gewesen sei, stellte er klar. Man schaue unter anderem auch darauf, wie die Umgestaltung von Aufsichtsbehörden in anderen Ländern erfolgt sei.

Es gebe verschiedene Vorstellungen, wie das Thema Digitalisierung besser gebündelt und effizienter gemacht werden könne, hieß es von der Unionsfraktion. Da die Digitalisierung fast alle Lebensbereiche und damit fast alle Resorts in der Bundesregierung betreffe, sei die Umsetzung sehr komplex. Der Unions-Vertreter begrüßte es, dass der Prozess eingeleitet wurde. Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch, zu einer Beschleunigung der Prozesse der Digitalisierung zu kommen, sagte er mit Blick auf die fünfjährige Dauer der Erstellung der Europäischen Datenschutzverordnung.

Von einem positiven Ansatz war bei der Linksfraktion die Rede. Einschätzungen könne man aber erst treffen, wenn auch Ergebnisse vorlägen. Auch die SPD-Fraktion verwies darauf, dass das Thema erst ganz am Anfang stehe. Spannend werde es bei der konkreten Ausgestaltung, so der SPD-Vertreter.

Eine geplante Bündelung von Kompetenzen wird auch von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßt. Schon die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" habe die Forderung nach klaren Verantwortlichkeiten erhoben, sagte der Grünen-Vertreter. Kurios mute es aber an, dass man die Änderungen nun "auf laufender Strecke" vorzunehmen plane. Er sei skeptisch, ob es konkrete Ergebnisse geben werde, da die beteiligten Ministerien sich gegenseitig nichts gönnen würden.

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2. Mehr Übergriffe gegen Journalisten

Kultur und Medien/Ausschuss

Berlin: (hib/AW) Journalisten in Deutschland werden immer öfter Opfer verbaler und gewaltsamer Übergriffe aus der rechtsextremen und rechtspopulistischen Szene. Im vergangenen Jahr sei es zu mindestens 49 solcher Übergriffe auf Pressevertreter gekommen, berichtete Martin Hoffmann vom Europäischen Zentrum für Presse- und Medienvertreter am Mittwoch im Rahmen eines öffentlichen Fachgesprächs vor dem Kultur- und Medienausschuss. In 29 Fällen habe es sich um Gewalttaten, in 13 Fällen um Sachbeschädigung und in sieben um gravierende verbale Bedrohungen gehandelt. Die Dunkelziffer sei allerdings deutlich höher, da viele Journalisten solche Übergriffe nicht anzeigen würden, sagte Hoffmann. Allein 30 der Übergriffe seien in Sachsen, meist während Demonstrationen und Kundgebungen der Pegida-Bewegung und der AfD verzeichnet worden.

Die Leiterin des ZDF-Landesstudios Brandenburg, Britta Hilpert, und der Chefredakteur des Mitteldeutschen Rundfunks, Stefan Raue, führten an, dass ihre Sender Journalisten nur noch auf freiwilliger Basis zur Berichterstattung über Pegida-Kundgebungen entsenden und diesen verstärkt Personenschutz zur Seite stellen würden. Tom Strohschneider, Chefredakteur der Tageszeitung "Neues Deutschland", und der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall, erhoben in diesem Zusammenhang auch Vorwürfe gegen die Polizei. Diese würde mitunter zu selten einschreiten, wenn Journalisten attackiert werden. Überall wies allerdings auch darauf hin, dass die bei Pegida-Demonstrationen eingesetzten Polizei-Beamten oftmals schon personell überfordert seien.

Hoffmann und Raue stellten einen direkten Zusammenhang zwischen der Zunahme von Übergriffen auf Journalisten und dem Aufkommen der Pegida-Bewegung her. So sei seit Oktober 2014 ein massives Ansteigen von verbalen und körperlichen Angriffen zu verzeichnen. Die Verantwortlichen der Pegida-Bewegung würden sich ganz bewusst einer "Bürgerkriegsrhetorik" bedienen, um zur Gewalt gegen Journalisten aufzurufen, sagte Raue. Er verwies auf den Fall der Pegida-Führerin Tatjana Festerling. Die hatte am Montag während einer Legida-Demonstration in Leipzig gesagt: "Wenn die Mehrheit der Bürger noch klar bei Verstand wäre, dann würden sie zu Mistgabeln greifen und diese volksverratenden, volksverhetzenden Eliten aus den Parlamenten, aus den Gerichten, aus den Kirchen und aus den Pressehäusern prügeln." Raue warnte jedoch davor, diese Form der "Kriegserklärung" anzunehmen. Die Presse müsse weiterhin mit der gebotenen journalistischen Distanz über Pegida berichten. Diesem Standpunkt schloss sich auch der Deutsche-Welle-Journalist Jaafar Abdul Karim an. Er werde weiterhin versuchen, mit den Menschen auf den Pegida-Demonstrationen ins Gespräch zu kommen. Allerdings habe er wiederholt die Erfahrung gemacht, dass dies kaum möglich sein. Entweder sei er ausschließlich beschimpft worden oder die Menschen hätten das Gespräch verweigert. Überall appellierte an alle Journalisten, gewaltsame Übergriffe in jedem Fall bei den Ermittlungsbehörden anzuzeigen. In diesem Sinne äußerte sich auch Britta Hilpert. Verbale Beleidigungen müsse man unter Umständen noch als "freie Meinungsäußerung" verbuchen, bei Gewalt sei die Grenze jedoch überschritten.

Die sechs Medienvertreter berichteten zudem über eine "massive Verrohung" der Umgangsformen und der Sprache in den sozialen Netzwerken. Im Schutz der Anonymität des Internets käme es immer wieder zu massiven Beschimpfungen und Morddrohungen. Seine Zeitung deaktiviere deshalb immer häufiger die Kommentar-Funktion unter Artikeln, sagte Strohschneider. Übereinstimmend bestätigten die Journalisten, dass die Vorfälle in allen Redaktionen zu einer verstärkten kritischen Überprüfung der eigenen Arbeit geführt habe. Hilpert, Raue und Strohschneider räumten zugleich ein, dass die Qualität der journalistischen Arbeit durch den massiven ökonomischen Druck im Verlauf der Medienkrise und der damit verbundene Personalabbau gefährdet worden sei. Die Medien müssten sich selbstkritisch mit dem Vorwurf der "Lügenpresse" auseinandersetzen.

Vertreter aller Fraktionen im Ausschuss betonten ihre Solidarität mit den Presse. Angriffe auf die Pressefreiheit seien zugleich ein Angriff auf die Demokratie.

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Januar 2016

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