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BUNDESTAG/5571: Heute im Bundestag Nr. 085 - 16.02.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 085
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Dienstag, 16. Februar 2016, Redaktionsschluss: 09.50 Uhr

1. Streit um Hypotheken und Betriebsrenten
2. Lex Mollath unter der Lupe
3. Fragen zum Rückgang von Wildbienen


1. Streit um Hypotheken und Betriebsrenten

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/PST) Zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/5922), von dem sich diese mehr Verbraucherschutz bei der Vergabe von Immobilienkrediten verspricht, hat der Rechtsausschuss am Montag zum bereits zweiten Mal Sachverständige angehört. Grund ist ein Änderungsantrag, den die Koalitionsfraktionen im Januar in die laufenden Ausschussberatungen über das Gesetz zur Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie eingebracht haben. Ihm zufolge soll zum einen festgeschrieben werden, dass bei bestimmten älteren Immobiliendarlehen, für die derzeit aufgrund eines Gerichtsurteils eine unbegrenzte Widerrufsmöglichkeit besteht, diese drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes beendet werden soll. Gleichzeitig wird eine Änderung angestrebt, die mit dem eigentlichen Gegenstand des Gesetzes nichts zu tun hat. Wegen der anhaltenden Niedrigzinsen soll die Vorschrift zu Rückstellungen, die Unternehmen für Betriebsrenten bilden müssen, geändert werden. Mit dem "Omnibusverfahren", der Einbringung in ein laufendes Gesetzgebungsverfahren, will die Koalition Zeit sparen, die ein eigenes Gesetzgebungsverfahren sonst benötigen würde.

Zu beiden Themen gingen die Ansichten in der Anhörung auseinander. Beim Widerrufsrecht für Immobiliendarlehen hielt der Bielefelder Rechtsprofessor mit Schwerpunkt Immobilienrecht Markus Artz die von der Koalition geplante Änderung für vertretbar. Es passe zum Sinn und Zweck des Widerrufsrechts, dass es nicht unbegrenzt gilt, sondern sich auf den Vertragsabschluss bezieht und eine Besinnungspflicht einräumt. Ähnlich sah es Sebastian Omlor, Professor für Bürgerliches Recht und Rechtsvergleichung an der Universität Marburg. Der Grundsatz, dass Rechte nicht rückwirkend eingeschränkt werden dürfen, greife nicht, da es sich um eine "unechte Rückwirkung" handele. Denn in der Vergangenheit sei ein Widerruf ja möglich gewesen und bleibe es auch noch bis zum Ablauf der vorgesehenen Frist.

Anders beurteilten die beiden Rechtsanwälte in der Expertenrunde die geplante Änderung des Widerrufsrechts. Der Berliner Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Ullrich Poppelbaum bemängelte, dass das Gesetz in dieser Form keinen Interessenausgleich zwischen Bank- und Verbraucherinteresse treffe. Das Problem der Banken, das mit der Gesetzesänderung gelöst werden solle, könnten diese auch selbst lösen. Nachdem durch höchstrichterliche Rechtsprechung bestimmte alte Widerrufsbelehrungen für unwirksam erklärt worden waren, hätten die Banken ihre Kreditnehmer wirksam nachbelehren können. Sie hätten aber auf das Urteil nicht reagiert. Dass jetzt stattdessen der Gesetzgeber tätig werde, sei verfassungsrechtlich bedenklich. Der Düsseldorfer Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Julius Reiter ergänzte, mit dem Widerrufsrecht solle das stärkste Verbraucherrecht beschnitten werden. Die meisten großen Banken hätten ihre Kunden ohnehin korrekt belehrt, betroffen seien überwiegend Online-Banken, die mit minimalem Personaleinsatz arbeiteten.

Anlass der anderen geplanten Änderung ist, dass Unternehmen wegen der anhaltend niedrigen Zinsen die Rückstellungen für die Betriebsrenten ihrer Mitarbeiter deutlich erhöhen müssen. Ein Prozentpunkt beim Zinssatz erfordere bis zu zwanzig Prozent mehr Rückstellungen, führte der Vorstandssprecher des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland, Klaus-Peter Naumann, aus. Bisher werden für die Bemessung der Rückstellungen die Kapitalmarktzinsen der letzten sieben Jahre zugrunde gelegt, die Koalition möchte die Berechnungsgrundlage auf zehn Jahre ausdehnen. Naumann sah sogar gute Gründe für eine Ausdehnung auf 15 Jahre. Das sei in etwa die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit von Mitarbeitern. Auch Peter O. Mülbert, Direktor des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens der Universität Mainz, begrüßte die von der Koalition geplante Zinssatzregelung für die Altersversorgung. Nach seiner Einschätzung verbessert sie die Kreditwürdigkeit von Unternehmen.

Joachim Gassen, Professor für Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung an der Berliner Humboldt-Universität, zeigte einerseits Verständnis für den Wunsch von Unternehmen nach geringeren Rückstellungen. Er bestritt aber, dass diese dadurch tatsächlich geschwächt würden, denn die Rückstellungen verblieben ja als Kapital in den Unternehmen. Dem stimmte Matthias Müller, Leiter der Abteilung Finanzen beim DGB-Bundesvorstand, zu. Die von der Koalition beabsichtigte Verlängerung der Berechnungsbasis bezeichnete Müller als bloßen Zeitgewinn. Bei anhaltender Niedrigzinsphase werde man sich in einigen Jahren wiedersehen. Er plädierte stattdessen für einen gesetzlich festgeschriebenen einheitlichen Zinssatz. Benjamin Weigert von der Deutschen Bundesbank bestritt, dass bei einer Beibehaltung der jetzigen Regelung die Unternehmensfinanzierung gefährdet werde. Die Zahlen der Bundesbank ergäben auch keinen Anhaltspunkt für eine Gefährdung der Finanzmarktstabilität. Die geltende Sieben-Jahres-Regelung entspreche dem Konjunktur- und Zinszyklus, sagte Weigert, und er sehe keine Notwendigkeit, davon abzuweichen.

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2. Lex Mollath unter der Lupe

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/PST) Sieben Sachverständige haben in einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/7244) Stellung genommen, der die Unterbringung von Straftätern in der Psychiatrie neu regeln soll. Die Zunahme der Einweisungen und der Unterbringungsdauer hat der Bundesregierung eine Novelle der einschlägigen Vorschriften geboten erscheinen lassen. Die öffentliche Diskussion über Missstände, vor allem im Zusammenhang mit dem Fall Gustl Mollath, tat ein Übriges.

Jürgen Graf, Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, sagte mit Blick auf Fälle wie den von Mollath: "Die Anlassgeber waren Ausreißer." Die Mehrheit der Fälle liege voll im gesetzlichen Rahmen. Gleichwohl bezeichnete er die vorgesehene Neuregelung als sachgerecht. Sie werde dazu beitragen, in Zukunft Fehler bei der Einweisung in die geschlossene Psychiatrie zu vermeiden. Richtschnur bei der Novelle dürfe aber nicht sein, die Zahl der Einweisungen zu verringern, sondern die Verhältnismäßigkeit zu achten. Dann würden vermutlich aber auch die Zahlen herunter gehen.

Auch alle anderen Sachverständigen stimmten dem Gesetzentwurf im Grundsatz zu, trotz Änderungswünschen im einen oder anderen Fall. Heinz Kammeier, Lehrbeauftragter für Recht im Gesundheitswesen an der Universität Witten/Herdecke, regte an, Ausstattungskriterien für Einrichtungen der forensischen Psychiatrie bundeseinheitlich festzulegen, so wie dies bei der Sicherungsverwahrung geschehen sei. Auch sollten die Kriterien für die Einweisung im Gesetz noch detaillierter geregelt werden, da es hier in der Praxis große Unterschiede zwischen einzelnen Landgerichten gebe.

Der Bremer Strafverteidiger Helmut Pollähne sagte zur derzeitigen Rechtslage, man komme "zu leicht rein und zu schwer wieder raus". Er machte sich für eine absolute Befristung der Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie stark. Zudem müsse die Unterbringung auf Bewährung leichter möglich werden. Als juristisch absolut fragwürdig bezeichnete er die "Gefahr der Gefährlichkeit" als Kriterium für eine Einweisung. Ähnlich kritisch äußerte sich die Hamburger Fachanwältin für Strafrecht und Strafvollstreckungsrecht Ines Woynar. So wandte sie sich dagegen, Wirtschafts- und Vermögenstaten in den Katalog der Verbrechen aufzunehmen, die zu einer Einweisung führen können. Generell solle der Maßregelvollzug sechs Jahre nicht überschreiten, danach sollten die Patienten in eine alternative Betreuungseinrichtung überwiesen werden.

Das sah Susanne Lausch, Leiterin der Forensischen Klinik im Bezirkskrankenhaus Straubing, ganz anders. Bei schweren Triebanomalien wie sadistischen Persönlichkeitsstörungen reichten sechs Jahre nicht aus. In ihrer Einrichtung liege der durchschnittliche Aufenthalt von Sexualstraftätern bei elf Jahren. Lausch begrüßte jedoch die Absicht im Gesetzentwurf, bereits nach drei Jahren und damit früher als jetzt mit einem externen Gutachten die Fortdauer der Unterbringung zu überprüfen. Bei Einsatz entsprechender Behandlungsmethoden ließen sich innerhalb von drei Jahren Entwicklungen sehen. Dies erfordere aber einen erheblichen Personaleinsatz, der auch finanziert werden müsse.

Nahlah Saimeh, Ärztliche Direktorin des LWL-Zentrums für Forensische Psychiatrie Lippstadt, sprach sich dagegen für eine Befristung der Unterbringung aus, und zwar auf zehn Jahre. Allerdings müsse es dann entsprechend gut ausgestattete Heime geben, die die Betreuung übernehmen können. Auch forensische Tageskliniken könnten in vielen Fällen sinnvoll sein. An beidem fehle es aber derzeit, weshalb Patienten länger in der geschlossenen Psychiatrie bleiben müssten. Erhebliche Probleme gebe es zudem bei der Kostenübernahme für derartige alternative Behandlungsformen.

Auf einen besonderen Grund für die hohe Zahl von Einweisungen und die lange Verweildauer wies Christoph Wiesner, Vorsitzender Richter am Landgericht Augsburg, hin: Die "Angst, am Pranger zu stehen", wenn etwas passiert und dann gefragt wird: Warum habt ihr den nicht weggesperrt. Wiesner wandte sich im übrigen gegen eine zu genaue Katalogisierung der Taten im Gesetz, die zu einer Einweisung führen können. Denn es werde immer wieder Fälle geben, die nicht aufgelistet sind, aber eine geschlossene Unterbringung dringend geboten erscheinen ließen. Sinn und Zweck der Einweisung sei primär, unabhängig von der Anlasstat, der Schutz der Allgemeinheit. Wiesner wies auch darauf hin, dass schon nach geltender Rechtslage eine Bewährungsaussetzung unter der Voraussetzung einer ambulanten Behandlung möglich sei, diese aber oft an der Kostenübernahme scheitere.

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3. Fragen zum Rückgang von Wildbienen

Ernährung und Landwirtschaft/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/EIS) Die schwindende Anzahl von Wildbienen in der Natur steht im Mittelpunkt einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/7492). In der Vorlage verlangt die Fraktion Auskunft von der Bundesregierung über den aktuellen Kenntnisstand zur Entwicklung der Situation von Wildbienen und Schmetterlingen in Deutschland seit den 1980er Jahren. Des Weiteren wird unter anderem eine Einschätzung über die Bedrohungslage einzelner Arten, die Ursachen des Schwundes und über die Effekte der Grünlanddüngung verlangt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 085 - 16. Februar 2016 - 09.50 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Februar 2016

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