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BUNDESTAG/6079: Heute im Bundestag Nr. 593 - 17.10.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 593
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 17. Oktober 2016, Redaktionsschluss: 15.42 Uhr

1. Leiharbeit: Experten verlangen Korrekturen
2. Kassensystem zum Teil stark manipuliert


1. Leiharbeit: Experten verlangen Korrekturen

Arbeit und Soziales/Ausschuss

Berlin: (hib/CHE) Die Bundesregierung sollte ihren Gesetzentwurf (18/9232) zur Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen an mehreren Stellen korrigieren. Dafür plädierten am 17. Oktober zahlreiche Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales.

Neben dem Gesetzentwurf standen auch zwei Anträge der Fraktionen Die Linke (18/9664) und Bündnis 90/Die Grünen (18/7370) zur Verhinderung des Missbrauchs bei Leiharbeit und Werkverträgen auf der Tagesordnung.

Vertreter von Arbeitgeberverbänden kritisierten zum einen die mangelhafte Definition von equal pay (gleiche Bezahlung von Leiharbeitern und Stammbelegschaft) und die Höhe der Sanktionen bei Verstößen gegen die geplanten Vorschriften. So bezeichnete Thomas Bäumer von der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit die Regelung zu equal pay als unbrauchbar, weil unklar sei, welche Gehaltsbestandteile davon erfasst seien. "Am Ende werden die Arbeitnehmer die Verlierer sein", lautete seine grundsätzliche Kritik. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) führt in ihrer Stellungnahme aus, dass die Verpflichtung zur Zahlung von equal pay in vielen Fällen eine finanzielle Mehrbelastung und einen "nicht zu überschauenden" bürokratischen Aufwand bedeute. Es sei schwierig festzustellen, welche Bestandteile zur Zahlung von equal pay gehören. BDA-Vertreter Roland Wolf kritisierte außerdem die geplanten Sanktionen. "Es gibt schon heute Sanktionen bei Missbrauch von Leiharbeit. Ich sehe für die geplanten Verschärfungen keinen Anlass", sagte er.

Eine Verschlechterung für die Arbeitnehmer befürchtete dagegen Christiane Brors, Professorin für Arbeitsrecht an der Universität Oldenburg. Bei der Höchstüberlassungsdauer auf den einzelnen Arbeitnehmer und nicht auf den Arbeitsplatz abzustellen, bedeute, dass der Leiharbeitnehmer einfach ausgewechselt werden kann. "So kann durch Leiharbeitnehmer auf dem gleichen Arbeitsplatz dauerhaft Stammpersonal ersetzt werden", sagte Brors. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte, dass durch den Gesetzentwurf Dauerarbeitsplätze mit wechselnden Leiharbeitskräften besetzt und so letztlich Stammbeschäftigte verdrängt werden. Um Drehtüreffekte bei der Höchstüberlassungsdauer zu vermeiden, müsse deshalb ein Arbeitsplatzbezug im Gesetz verankert werden. Franz Josef Düwell, Honorarprofessor für Arbeitsrecht an der Universität Konstanz, kritisierte die ausschließlich arbeitnehmerbezogene Befristungsregelung von 18 Monaten. "Werden die 18 Monate durch die als Sperre vorgesehene Zeit von drei Monaten unterbrochen, beginnt die Frist neu." Dies stehe im Widerspruch zur Gesetzesbegründung, so Düwell.

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2. Kassensystem zum Teil stark manipuliert

Finanzen/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Die heute zum Einsatz kommenden elektronischen Kassensysteme können zum Teil erheblich manipuliert werden und Umsätze damit der Besteuerung entzogen werden, was zu Steuerausfällen in Milliardenhöhe führt. Dies wurde am Montag in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses deutlich.

Tobias Teutemacher, Steuerfahnder aus Münster, berichtete in seiner Stellungnahme von einem Fall, in dem ein Gastwirt eine Manipulationssoftware eingesetzt hatte, mit der die erfassten Umsätze des Kassensystems verändert wurden. Nur 50 Prozent der tatsächlichen Einnahmen seien damit noch in der Buchhaltung erfasst worden. In einem anderen Fall in der Gastronomie seien mobile Geräte zum Einsatz gekommen, die nicht mit dem Kassensystem verbunden gewesen seien. Die "modernen Waffen der Manipulation" ermöglichen es laut Teutemacher, dass zum Teil 50 Prozent der Einnahmen gelöscht würden, ohne dass dies durch Prüfungsdienste noch wirkungsvoll erkannt werden könnte. Edo Diekmann von der Oberfinanzdirektion Niedersachsen bestätigte, nicht selten würden 30 bis 50 Prozent der Umsätze unter den Tisch fallen. Diekmann schilderte in seiner Stellungnahme einen drastischen Fall, indem ein PC-Kassenprogramm eine Umsatzmanipulation durch Prozentvorgabe mittels eines elektronischen Schiebereglers ermöglicht habe.

Ulrich Werner von der Hamburger Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation berichtete von früheren Erfahrungen im Taxigewerbe. Dort sei von Unternehmen der Eindruck "einer völlig unzureichenden Ertragslage" erweckt worden. Viele Selbstauskünfte seien nicht plausibel gewesen. Seit 2010 gebe es eine staatliche Förderung beim Einbau von sogenannten Fiskaltaxametern, die Umsätze und Fahrleistungen aufzeichnen und automatisch übertragen würden. Die Steuerprüfer könnten sich jetzt auf die Betriebe konzentrieren, die dieses System nicht nutzen würden. Die Maßnahme bewerte Werner als erfolgreich, da statt der erwarteten 500 insgesamt 2.100 Fahrzeuge mit dem System ausgerüstet worden seien. Das seien zwei Drittel aller in Hamburg zugelassenen Taxis.

Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft rechnen allerdings mit massiven Kostenbelastungen für die Unternehmen, wenn alle elektronischen Kassensysteme vor Manipulationen zum Zweck der Steuerhinterziehung fälschungssicher gemacht werden müssen, wie es die Bundesregierung im Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen (18/9535) durchsetzen will. Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wendet sich in einem Antrag (18/7879) gegen den Betrug mit manipulierten Registrierkassen. Die Wirtschaftsverbände erklärten dazu in einer gemeinsamen Stellungnahme, die geplanten aufwändigen Umrüstungsmaßnahmen würden in erster Linie steuerehrliche Unternehmen treffen. Der Umstellungsaufwand werde rund 900 Millionen Euro betragen, die jährlichen Folgekosten würden 200 Millionen Euro ausmachen. "Die Kosten der Wirtschaft dürften damit ungefähr doppelt so hoch liegen wie im Gesetzentwurf angegeben", kritisierten die Wirtschaftsverbände. Im Gesetzentwurf ist von einem einmaligen Erfüllungsaufwand von rund 470 Millionen Euro für die Neuanschaffung beziehungsweise Umstellung von Geräten und von jährlichen Kosten in Höhe von rund 106 Millionen Euro die Rede.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass elektronische Aufzeichnungssysteme durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung zu schützen sind. "Wer aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle oder andere Vorgänge mit Hilfe eines elektronischen Auszeichnungssystems erfasst, hat ein elektronisches Aufzeichnungssystem zu verwenden, das jeden aufzeichnungspflichtigen Geschäftsvorfall und anderen Vorgang einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht, und geordnet aufzeichnet", schreibt der Entwurf vor. Elektronisches Aufzeichnungssystem und digitale Aufzeichnungen müssten durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung geschützt werden.

Der Deutsche Bauernverband und der Deutsche Fußball-Bund lobten in der Anhörung, dass mit dem Gesetzentwurf keine allgemeine Pflicht für die Nutzung elektronischer Registrierkassen vorgesehen sei. "Insbesondere die im landwirtschaftlichen Bereich weit verbreitete Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte über Hofläden, den Feldverkauf oder auf Bauernmärkten an den Endverbraucher wird oftmals über Barkassen abgewickelt", stellte der Bauernverband fest. Eine Registrierkassenpflicht würde besonders Direktvermarkter treffen. Ähnlich äußerte sich der Fußball-Bund. Eine Registrierkassenpflicht würde kleine Vereine treffen, die lediglich bei Sportveranstaltungen Getränke und Würstchen zu geringen Preisen verkaufen würden. Ein Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen der Republik Österreich sagte, in Österreich würden zum Beispiel Ehrenamtliche nicht von der dort existierenden Kassen- und Belegerstellungspflicht erfasst. Der Deutsche Steuerberaterverband warnte vor einer Belegerstellungspflicht im Massengeschäft, die zu einer "Wahnsinnsbürokratie" führen werde.

Ganz anders argumentierte der Deutsche Fachverband für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik. Der Vertreter der Organisation, Roland Ketel, warnte, ohne eine Kassenpflicht drohe eine "Flucht in die offene Ladenkasse". Auch eine Belegpflicht sei unbedingt erforderlich. Sonst wären Kontrollen der korrekten Funktion und Nutzung der Registrierkassen nicht wirkungsvoll. Auch Thomas Eigenthaler (Deutsche Steuergewerkschaft) sprach sich angesichts von Steuerausfällen in Höhe von jährlich zehn Milliarden Euro für eine generelle Registrierkassenpflicht aus. Der Bundesrechnungshof vertrat die Auffassung, "dass die Gleichmäßigkeit der Besteuerung bargeldintensiver Betriebe nicht sichergestellt ist".

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 593 - 17. Oktober 2016 - 15.42 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Oktober 2016

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