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BUNDESTAG/6218: Heute im Bundestag Nr. 732 - 14.12.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 732
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 14. Dezember 2016, Redaktionsschluss: 11.56 Uhr

1. Kassenaufsicht fordert korrekte Kodierung
2. Bald Start für Aktionsplan Menschenrechte
3. Menschenrechtslage in Deutschland


1. Kassenaufsicht fordert korrekte Kodierung

Gesundheit/Ausschuss

Berlin: (hib/PK) Die Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern wollen bestimmte Strategien der Krankenkassen mit dem Ziel, deren Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zu erhöhen, nicht dulden. So sei "grundsätzlich die korrekte und vollständige Kodierung von Diagnosen stets vertragsärztliche Pflicht und eine gesonderte Vergütung der Krankenkassen alleine für die Kodierung von Diagnosen unzulässig", heißt es in einem aktuellen Bericht des Bundesgesundheitsministeriums an den Gesundheitsausschuss des Bundestages.

Der Bericht bezieht sich auf eine Aufsichtsbehördentagung vom 23./24. November in München, wo im Zusammenhang mit möglichen Manipulationen bei der Erfassung ambulanter Diagnosen mehrere Beschlüsse gefasst wurden. Es geht im Kern darum, dass Krankenkassen ein Interesse an bestimmten Diagnosen haben, für die sie über den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) höhere Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten.

Es wurde in der Presse über drei Varianten der Einflussnahme berichtet: Mit Hilfe externer Dienstleister, über sogenannte Kodierberater sowie über Betreuungsstrukturverträge, wobei für jeden Patienten, bei dem der Arzt eine RSA-relevante Krankheit feststellt, eine Provision gezahlt wird.

In dem Bericht der Regierung heißt es nun unter Berufung auf die Tagung, solche bilateralen Verträge, darunter die Betreuungsstrukturverträge, seien rechtswidrig. Die Aufsichtsbehörden seien der Auffassung, dass "in selektivvertraglichen Regelungen eine gesonderte Vergütung allein für eine vollständige und zutreffende Diagnose des Vertragsarztes unzulässig ist". Einzelbestimmungen in Verträgen, wonach "Verdachtsdiagnosen" mit einem bestimmten Zusatzkennzeichen kodiert werden sollten, auch wenn die Diagnose nicht gesichert ist, seien rechtswidrig.

Die Aufsichtsbehörden wollten dafür sorgen, dass die unzulässigen Verträge rasch angepasst oder beendet werden. Die Aufsicht habe zudem das Gesundheitsministerium um eine rechtliche Klarstellung gebeten, dass direkte Absprachen der Krankenkassen oder ihrer Dienstleister mit dem Ziel, das Kodierverhalten der Vertragsärzte zu beeinflussen, unzulässig sind.

Seit 1994 gibt es den Risikostrukturausgleich (RSA) zwischen den gesetzlichen Krankenkassen, um die unterschiedlichen Kosten für die Versicherten je nach Alter und Geschlecht genauer abzubilden. Seit 2009 wird die Verteilung der Gelder aus dem Gesundheitsfonds zusätzlich anhand von 80 ausgewählten Krankheiten berücksichtigt (Morbi-RSA). Je älter und kränker die Versicherten sind, umso höher fallen die Zuweisungen des Fonds an die Krankenkassen aus, um deren Ausgaben decken zu können.

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2. Bald Start für Aktionsplan Menschenrechte

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/JOH) Der geplante Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) soll noch vor Weihnachten am 21. Dezember 2016 vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Das erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Thomas Silberhorn (CSU), am Mittwochmorgen im Entwicklungsausschuss.

Der in einem zweijährigen Prozess unter Einbindung von Wirtschaft und Zivilgesellschaft erarbeitete Plan soll gewährleisten, dass deutsche Unternehmen auf freiwilliger Basis in ihren Wertschöpfungs- und Lieferketten menschenrechtliche Sorgfaltspflichten einhalten. Eigentlich sollte er bereits im Frühjahr verabschiedet werden, doch wegen inhaltlicher Einwände seitens des Bundeswirtschaftsministeriums befand er sich weiter in der Ressortabstimmung.

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), zeigte sich im Ausschuss erleichtert darüber, dass es in den Verhandlungen gelungen sei, den ursprünglichen Entwurf weitgehend beizubehalten. Das Finanzministerium habe den Begriff "Sorgfaltpflichten" streichen wollen, jedoch sei der Aktionsplan ohne ihn "das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist", stellte Kofler klar. Sie machte allerdings keinen Hehl daraus, dass sie verbindlichere Regelungen in Form eines Gesetzes für notwendig hält.

Diese Forderung unterstützten im Ausschuss auch zahlreiche Abgeordnete. Der NAP bleibe in vielen Punkten hinter den Bemühungen anderer Länder, wie Frankreich, Großbritannien oder den USA, zurück, bemängelte unter anderem eine Vertreterin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie schlug eine koordinierende Rolle der Menschenrechtsbeauftragten bei der Umsetzung des Plans vor?.

Ein Vertreter der Linksfraktion nannte die Ergebnisse Verhandlungsprozesses ernüchternd. Der Koalition fehle der Wille, die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte tatsächlich umzusetzen, kritisierte er. Da die Regelungen auf Freiwilligkeit beruhten, müssten die Unternehmen keine Konsequenzen fürchten, wenn sie die im NAP verankerten Sorgfaltspflichten nicht befolgten.

Ein Abgeordneter der SPD bezeichnete es als bemerkenswert, dass so viele deutsche Unternehmen dem NAP positiv gegenüberstünden. Er hätte sich jedoch gewünscht, dass nicht nur Unternehmen ab 500 Mitarbeitern verpflichtet würden, Berichte über ihre Risiken und Aktivitäten im Menschenrechtsbereich abzugeben

Es dürfe nicht sein, dass die Unternehmen unter Generalverdacht gestellt würden, Schlechtes zu tun, warnte hingegen eine Abgeordnete der Unionsfraktion. Ein weiterer Abgeordneter von CDU/CSU gab zu Bedenken, dass weitere Berichtspflichten und zu starre Vorgaben eine Belastung für die Unternehmen darstellen könnten. Ohne die Wirtschaft könne der NAP nicht erfolgreich sein, betonte er. Deshalb sei es wichtig, sie mitzunehmen und ihnen genau zu erklären, was der Aktionsplan konkret für sie bedeute.

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3. Menschenrechtslage in Deutschland

Menschenrechte/Unterrichtung

Berlin: (hib/AHE) Mit der Entscheidung der Bundesregierung von September 2015, syrische Flüchtlinge nicht in andere EU-Länder zurückzuschicken, als das europäische Asylsystem versagt hat, sei Deutschland seinen menschenrechtlichen Verpflichtungen gerecht geworden. So heißt es im "Bericht zur Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland", der erstmals vom Deutschen Institut für Menschenrechte als Unterrichtung (18/10615) vorgelegt worden ist und über den am Freitag das Bundestagsplenum debattieren wird.

Seit Herbst 2015 sei Deutschland von einer "überwältigenden Hilfsbereitschaft und Willkommenskultur" geprägt gewesen, heißt es in dem Bericht mit Blick auf den Berichtszeitraum Anfang 2015 bis Juli 2016. Der Blick auf gesetzgeberische Reaktionen auf die hohe Anzahl an Schutzsuchenden zeige hingegen ein uneinheitliches Bild. "Einerseits wurden Zugänge eröffnet und bürokratische Hürden abgebaut, etwa beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder zum Teil mit der Gesundheitskarte für Flüchtlinge, andererseits wurden zahlreiche restriktive Maßnahmen ergriffen, die menschenrechtlich problematisch sind: zum Beispiel die Verlängerung der Residenzpflicht, die Einschränkung des Familiennachzugs, die Einstufung weiterer Länder als 'sichere Herkunftsstaaten', Leistungskürzungen, Beschäftigungsverbote oder die Einschränkung des Abschiebungsschutzes aus gesundheitlichen Gründen."

Verbesserungsbedarf sehen die Autoren des Berichtes unter anderem bei der strafrechtlichen Verfolgung von Hasskriminalität, bei der angemessenen Unterbringung von Flüchtlingen, ihrer Gesundheitsversorgung, der Identifizierung von besonders schutzbedürftigen Menschen unter ihnen sowie beim fehlenden Schulzugang für Flüchtlingskinder in einer Reihe von Bundesländern. Kritisiert wird zudem ein im Berichtszeitraum nicht hinreichendes Angebot an Integrationskursen sowie die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte: "Damit wird das grund- und menschenrechtlich verbriefte Recht auf Familienleben erheblich eingeschränkt, obwohl die Betroffenen wegen ihrer Schutzbedürftigkeit und der unabsehbaren Länge ihres Aufenthalts mit in Deutschland anerkannten Flüchtlingen vergleichbar sind."

Ein weiteres Thema des Berichts ist der Ausschluss von rund 85.000 Menschen mit Behinderung vom aktiven und passiven Wahlrecht per Gesetz. "Dass die menschenrechtlich unter Umständen gebotene, praktische Unterstützung bei der Stimmabgabe zu Manipulation und Missbrauch durch Dritte genutzt werden kann, rechtfertigt keine Schlechterstellung von Menschen mit Behinderungen", machen die Autoren des Berichtes deutlich. Andernfalls würde ihnen zum Schutz ihres Rechts das Recht selbst aberkannt. "Die bestehenden strafrechtlichen Sanktionen gewährleisten auch für sie - und das höchstpersönlich Recht, zu wählen und gewählt zu werden -, hinreichenden Schutz."

Licht und Schatten konstatiert der Bericht außerdem bei den Plänen der Bundesregierung, Unternehmen bei ihrer menschenrechtlichen Verantwortung in die Pflicht zu nehmen. Der Entwurf für einen entsprechenden Nationalen Aktionsplan (NAP) sei in Teilen und im Vergleich zu anderen EU-Nachbarn durchaus als "ambitioniert" zu bezeichnen. Hervorgehoben wird etwa das Ziel, 50 Prozent der deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten bis 2020 dazu zu bewegen, Elemente einer menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung in ihre unternehmensinternen Prozesse zu integrieren. Der Bericht lobt die Formulierung dieser Erwartung an deutsche Unternehmen und auch die "Androhung zukünftiger Regelungen 'bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen', sollten freiwillige scheitern". Moniert wird aber, dass versäumt wurde, börsennotierte Unternehmen ab 500 Mitarbeitern zur Darstellung ihrer NAP-Umsetzung zu verpflichten. "Zu bedauern ist außerdem, dass es keine Veränderungen für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen aus dem Ausland beim Zugang zum deutschen Rechtssystem geben soll." Hier bleibe der deutsche NAP-Entwurf wesentlich hinter Aktionsplänen anderer Länder wie beispielsweise Finnland oder Schweden zurück.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 732 - 14. Dezember 2016 - 11.56 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2016

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